„In Amerika ist es Bling-Bling, hier ist es Bling-Bang“, sagt Leonardo DiCaprio als Diamantenjäger Danny Archer im Film „Blood Diamond“ über das blutige Diamantengeschäft im bürgerkriegsgeschüttelten Sierra Leone der 1990er Jahre. Seitdem hat sich im Kampf gegen Blutdiamanten viel getan. Nicht zuletzt dank der gestiegenen internationalen Aufmerksamkeit initialisierten mehrere Diamanten produzierende sowie importierende Staaten bei einem Treffen im südafrikanischen Kimberley den gleichnamigen Prozess: Demnach dürfen seit dem Jahr 2003 nur noch Rohdiamanten mit offiziellen Herkunftszertifikaten gehandelt werden. 85 Länder und auch die Diamantenindustrie haben sich verpflichtet, die im Kimberley Process Certification Scheme niedergeschriebenen Regeln einzuhalten. Der Handel mit Konfliktdiamanten wurde dadurch massiv erschwert.

Globaler Standard

Rohstoffbeschaffung_IRMADie Initiative for Responsible Mining Assurance ist ein 2006 gegründetes Zertifizierungsprogramm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit im Bergbau. Der Standard wurde in einem Multistakeholder-Prozess von Bergbauunternehmen, deren Kunden, NGO und Zivilgesellschaft entwickelt. Minenstandorte, die sich für eine IRMA-Bewertung entscheiden, lassen ihre ökologischen und sozialen Leistungen – etwa in den Bereichen Arbeiterrechte und -sicherheit, Luft- und Wasserqualität – von unabhängigen Auditoren messen. Beteiligt sind auch viele Autobauer wie Volkswagen oder BMW, die dadurch zusichern, beim Einkauf von Rohstoffen die IRMA-Standards einzuhalten.

Auftrieb für Nachhaltigkeit

Auch andere Rohstoffe dienten in den vergangenen Jahrzehnten als Finanzierungsquelle für bewaffnete Auseinandersetzungen. Die USA reagierten mit dem 2010 verabschiedeten Dodd-Frank-Act, der börsennotierte Unternehmen verpflichtet, ihre Nutzung von den als Konfliktmineralien geführten Rohstoffen Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus dem Kongo sowie weiteren Ländern Zentral- und Ostafrikas offenzulegen und Due-Diligence-Prüfungen durchzuführen. Dabei genügt es, wenn die jeweilige Mine durch eine unabhängige Zertifizierungsstelle als „konfliktfrei“ ausgewiesen wird.

Und auch weitere Skandale rund um fehlende Umwelt- und Sozialstandards haben ihre Wirkungen nicht verfehlt: Heute ist das Thema der verantwortungsvollen Beschaffung von Rohstoffen – gerade auch jener kritischen Metalle, die für das Gelingen der Energiewende essenziell sind – in aller Munde: Neue Gesetze werden verabschiedet, Richtlinien und Standards erstellt, Zertifikate erarbeitet und Nachhaltigkeitsinitaitiven gestartet. Ist nun also eine Art Kimberley-Prozess 2.0 für kritische Rohstoffe zu beobachten?

Alexander Graf, Unternehmensberater mit Schwerpunkt kritische Rohstoffe, kann dem Vergleich etwas abgewinnen, fügt aber hinzu: „Bei Diamanten handelt es sich um einen spezifischen Rohstoff. Von den weiteren mineralischen Rohstoffen gibt es aber eine ganze Reihe, mit sehr diversen Lieferketten und unterschiedlichen Weiterverarbeitungs- und Transformationsprozessen. Das macht die Nachverfolgbarkeit deutlich schwieriger und komplexer.“

Laut Gudrun Franken, Bereichsleiterin für Bergbau und Nachhaltigkeit in der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, ist mit Blick auf viele kritische Rohstoffe eine andere Herangehensweise feststellbar als beim Kimberley-Prozess: „Während der Kimberley-Prozess vor allem von staatlicher Seite aufgesetzt wurde, sind die aktuellen Zertifizierungssysteme rund um kritische Rohstoffe in erster Linie unternehmensgetrieben. Am erfolgversprechendsten ist wohl ein Smart Mix zwischen unternehmerischen und staatlichen Maßnahmen.“ Die deutsche Behörde berät im Bergbaubereich aktuell Partnerinstitutionen im Kongo, in der Mongolei, Mosambik, Namibia, Ruanda, Laos und Peru.

Der Nachhaltigkeitstrend erfuhr sowohl im Abbau als auch im Sourcing von Metallen in den vergangenen Jahren eine deutliche Ausweitung. „Angestoßen von einer durch Medienberichte alarmierten Öffentlichkeit und aufgegriffen von nationalen Gesetzgebern und der OECD, ist das Thema Sorgfaltspflichten in den Rohstofflieferketten heute schon weit gediehen“, sagt Franken. Ein gutes Beispiel sei der Batteriepass, der den gesamten Lebenszyklus einer Batterie digital dokumentiert und der bis 2027 für alle in der EU verkauften Elektrofahrzeuge verbindlich sein wird. Ein weiteres Exempel seien die Zertifizierungssysteme für diverse Metalle, die etwa die Responsible Minerals Initiative angestoßen hat. Ingesamt sieht Franken deutliche Verbesserungen im Bereich der Nachverfolgbarkeit und Transparenz von Rohstofflieferketten im vergangenen Jahrzehnt, zunehmend würden auch Umwelt- und Sozialstandards geprüft.

Tools für Beschaffung

Rohstoffbeschaffung_RMI

Die 2008 ins Leben gerufene Responsible Minerals Initiative stellt ihren rund 400 Mitgliedsunternehmen Tools zur Verfügung, um eine verantwortungsvolle Beschaffung von Mineralien aus Risikogebieten zu gewährleisten. Dazu gehört der Responsible Minerals Assurance Process, der Unternehmen und ihren Zulieferern eine unabhängige Prüfung ihrer Beschaffungspraktiken und Konformität mit internationalen Standards – etwa den Vorgaben des US-amerikanischen Dodd Frank Acts –bietet. Die RMI ist Teil der Responsible Business Alliance, der weltweit größten Industrievereinigung, die sich für ein verantwortungsvolles Management der globalen Lieferketten einsetzt.

Vorbild Chile

Auch Alexander Graf sieht ein starkes Momentum, vor allem bei den Unternehmen. Er hat in den vergangenen Jahren als Wissenschafter des Instituts für Nachhaltigkeitsmanagement an der WU Wien das von der EU finanzierte Multistakeholder-Projekt Re-Sourcing geleitet. Ein Ziel: eine international harmonisierte Definition von verantwortungsvollem Sourcing zu erarbeiten, gemeinsam mit Unternehmen, Politik, NGO und Konsulenten. Das Ergebnis blieb eher allgemein: Dem finalen Projektbericht zufolge ist die verantwortungsvolle Beschaffung von Rohstoffen „ein Prozess, bei dem die Entscheidungsträger Strategien, Prozesse und Mechanismen zur Einhaltung der Umwelt-, Sozial- und Wirtschaftsstandards entlang der Mineralienlieferkette gewährleisten“.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projekts lag auf dem Auffinden von Best Practice-Fällen für verantwortungsvolles Sourcing und der Entwicklung konkreter Roadmaps, die den Weg in Richtung nachhaltige Rohstoffbeschaffung bis zum Jahr 2050 in den Sektoren Erneuerbare Energien, Mobilität und Elektronik skizzieren. Als Vorreiter zeigte sich Chile, ein Land, das jeweils mehr als 40 Prozent der weltweiten – und für ein Gelingen der Energiewende essenziellen – gesicherten Kupfer- und Lithiumvorkommen beherbergt. Der chilenische Bergbausektor ist für 60 Prozent der Exporterlöse des Landes verantwortlich, trägt mehr als zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei und stellt 850.000 Arbeitsplätze bereit.

Um die ökologischen und sozialen Standards in der Bergbaubranche zu heben, hat die chilenische Regierung Anfang 2022 die „Nationale Bergbaupolitik 2050“ vorgestellt, eine Art Fahrplan für die Bergbaubranche in den kommenden Jahrzehnten und Ergebnis eines mehrjährigen Prozesses, an dem mehr als 3.000 Akteure aus Industrie, Wissenschaft sowie NGO teilnahmen. Fokusthemen waren Kleinbergbau, grüner Bergbau, Wasserressourcen, regionale Entwicklung sowie Bürgerbeteiligung. Der Fahrplan enthält Ziele, Maßnahmen und Indikatoren zur Fortschrittsmessung. Ein Ziel ist etwa die Erreichung von CO2-Neutralität im chilenischen Bergbausektor bis 2040.

Interview mit Alexander Graf, Kumi Consulting

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Privatsektor als Impulsgeber

Sourcing-Experte Alexander Graf freut sich über die gestiegene unternehmerische Verantwortung bei der Rohstoffbeschaffung – und wirbt um Partnerschaften auf Augenhöhe.

Dekarbonisierung im Blick

Dieses Ziel findet sich auch bereits auf der Agenda von Branchengrößen. So will einer der Platzhirsche im Miningsektor, der britisch-südafrikanische Rohstoffriese Anglo American, bis 2040 klimaneutral arbeiten. Die aktuellen Betriebsstätten in Südamerika werden bereits gänzlich mit erneuerbarer Energie versorgt. Zugleich wird nun die Umstellung des Antriebs der dieselverschlingenden Mega-LKW angegangen, die im Bergbau eingesetzt werden. Die Motoren dieser Großmuldenkipper verbrennen aktuell noch gut und gerne um die 200 Liter Diesel pro Stunde – Minen-LKW machen weltweit rund drei Prozent der gesamten CO2-Emissionen aus. Anglo American nutzt nun als erstes Mining-Unternehmen in einer Pilotphase in Südafrika wasserstoffbetriebene Muldenkipper. Andere Bergbauunternehmen experimentieren mit batterieelektrischen Fahrzeugen.

Laut Rohitesh Dhawan, CEO der Unternehmensinitiative International Council on Mining and Metals, nimmt die Dekarbonisierung des Bergbaus aktuell enorm an Fahrt auf, da zeitgleich die staatlichen Vorschriften verschärft werden und die Nachhaltigkeitserwartungen von Investoren und Verbrauchern steigen. „Diese Erwartungen zu erfüllen ist entscheidend, damit sich die Branche den Zugang zu Märkten, Kapital, Genehmigungen und Fachkräften sichern kann“, so Dhawan.

Big Player im Bergbau

Rohstoffbeschaffung_ICMM

Das 2002 gegründete International Council on Mining and Metals versteht sich als wichtigste Sustainability-Plattform der globalen Bergbauunternehmen. Konkret bietet ICMM den Mitgliedern wie BHP, Rio Tinto oder Anglo American, die mehr als ein Drittel der globalen Bergbauproduktion ausmachen, Richtlinien und Trainingsmodule für verantwortungsvollen und nachhaltigen Bergbau. Inhaltliche Schwerpunkte liegen in den Bereichen Unternehmensführung, Transparenz, Innovation sowie Klima- und Umweltverträglichkeit. So sollen etwa Bergbaubetriebe in die Lage versetzt werden, sobald wie möglich treibhausgasfreie Fahrzeuge in ihren Minen einzusetzen.

Fokus auf lokalen Nutzen

Neben Chile zeigen mittlerweile auch afrikanische Länder wie Botswana oder Südafrika hohe Standards im Bergbau. Und selbst im ewigen Krisenland DR Kongo bewegt sich etwas: „Es gibt im Kongo nach wie vor etliche illegale Produzenten und auch ein hohes Maß an Korruption, aber es hat sich auch viel zum Guten entwickelt“, berichtet Gudrun Franken, die seit vielen Jahren Partnerinstitutionen in der DR Kongo im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützt. Im sogenannten Kupfergürtel im Südosten des Landes wurden beispielsweise Bergbehörden in Umweltverträglichkeitsprüfungen geschult und Auditoren ausgebildet. Außerdem wurde im Krisengebiet im Ostkongo die Organisation der Kleinbergleute bei der Kartierung der vielen kleinen Abbaustellen unterstützt. „Wir vertreten die Ansicht, dass ein Verbot des Kleinbergbaus der falsche Weg wäre. Die Menschen sind auf das Einkommen angewiesen. Daher kümmern wir uns stattdessen um die Fortbildung der Bergleute, etwa im Bereich Arbeitssicherheit, und unterstützen Maßnahmen, damit diese legal und unter Einhaltung von Standards arbeiten können “, so Franken.

Wichtig sei die genaue Kenntnis der lokalen Gegebenheiten. So stuft sie den US-amerikanischen Dodd-Frank-Act in dieser Hinsicht als eher kontraproduktiv ein. Denn ein Großteil der amerikanischen Elektronikindustrie, die auf den Rohstoff Tantal angewiesen ist, hat angesichts der Regelung seine Käufe aus der Region eingestellt. Das führte wiederum zu einem Kollaps des Kleinbergbaus und verschlimmerte die ohnehin andauernde Wirtschaftskrise.

Best Practice: Das Bergbauunternehmen Anglo American setzt auf ...

... wasserstoffbetriebene Fahrzeuge.
... Solarenergie.
... Aufforstung.
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Stattdessen soll der Fokus auf der Einführung von zertifizierbaren Standards im informellen Bergbau liegen. Diese Form der Zusammenarbeit funktioniere aber nur, wenn der lokale Nutzen im Vordergrund stehe: „Wenn wir dort nur von Nachhaltigkeit und Systemen zur Nachverfolgung in der Lieferkette sprechen würden, fänden wir wenig Echo. Aber sobald es um Effizienzgewinne und Sicherheit geht, kommen wir ins Gespräch“, erklärt Franken.

Auch im Bereich der lokalen Wertschöpfung durch die Weiterverarbeitung der Rohstoffe werden im Kongo sowie im benachbarten Sambia erste zaghafte Fortschritte gemacht. Im Jahr 2022 wurde im südkongolesischen Lubumbashi ein Innovationszentrum rund um die Batterieforschung gegründet. In Zusammenarbeit mit der Universität von Sambia sollen lokale Fachkräfte ausgebildet und ein Fahrplan für den Aufbau einer eigenen Batteriefabrik entwickelt werden. Laut dem kongolesischen Industrieministerium ist das Land in Kontakt mit möglichen Partnerunternehmen, darunter der deutsche Industrieriese Bosch sowie einige chinesische Firmen, die bereits heute eine dominante Rolle im kongolesischen Bergbau einnehmen.

Fokus auf Transparenz

Rohstoffbeschaffung_EITI

In vielen rohstoffreichen Ländern ist Korruption ein drängendes Problem. Um die Transparenz und Rechenschaftspflicht im extraktiven Sektor zu erhöhen, wurde basierend auf einer Initiative des britischen Entwicklungsministeriums im Jahr 2003 die Extractive Industries Transparency Initiative ins Leben gerufen. Die aktuell mehr als 50 teilnehmenden Staaten berichten jährlich über das Geschehen im nationalen Rohstoffsektor und legen die wichtigsten Zahlungen von rohstofffördernden Unternehmen an staatliche Stellen offen. Kritik an der EITI betrifft die freiwillige Teilnahme an der Initiative und fehlende Sanktionsmöglichkeiten.

Undurchschaubarer Player

Dass bei der Rohstoffbeschaffung an China kaum ein Weg vorbeiführt, wird sich in den kommenden Jahren nicht ändern – trotz wachsender internationaler Kritik: Einem aktuellen Bericht des Business & Human Rights Resource Centre zufolge wurden chinesischen Unternehmen in den Mineralienlieferketten in den vergangenen zwei Jahren mehr als 100 Verstöße bei Sicherheit, Arbeiterrechten und Umweltauswirkungen zugeordnet. Dabei beteiligen sich laut Gudrun Franken auch der chinesische Staat sowie chinesische Unternehmen an Initiativen rund um nachhaltige Rohstoffbeschaffung. „Jedoch ist es kaum möglich, eine unabhängige Prüfung über die Einhaltung der Standards durchzuführen, vor allem in China selbst“, beschreibt Franken die Schwierigkeit im Umgang mit der chinesischen Bergbauindustrie.

In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern hat der Bergbau jedoch dank zahlreicher Standards und Initiativen deutlich an Transparenz gewonnen. Ein wichtiger Schwerpunkt wird zukünftig auch die korrekte Schließung von Minen sein. Franken: „Bergbau ist immer ein Eingriff in die Umwelt, aber er ist auch zeitlich begrenzt. Wenn man Minen ordentlich und sozialverträglich wieder schließt, kann die Rohstoffbeschaffung heute mit möglichst geringem Schaden für Umwelt und Bevölkerung umgesetzt werden.“

Fotos: MONUSCO/Sylvain Liechti, Anglo American (3)