Sabine Schellander leitet das Nachhaltigkeitsteam beim Kunststoffhersteller Greiner.

Ihr Lesetipp:

John Ironmonger,
Das Jahr des Dugong – Eine Geschichte für unsere Zeit, 2021, 132 Seiten

Das Jahr des Dugong

Es ist eigentlich ganz einfach. Man kauft ein Buch oder in meinem Fall, bekommt es von sehr weisen und netten Menschen geschenkt. Man weiß zuerst nicht, was auf einen zukommt. Zuerst lässt man es im Regal stehen. Dann kommt der Zeitpunkt, an dem man es herausnimmt und kritisch betrachtet. Und dann fängt man zu lesen an. Und wenn alles gut geht – und ich darf das sagen, ich lese nämlich unglaublich viel – lässt einen ein Buch nie wieder los. Und genau so ist es mit dem „Dugong“, der freundlichen Seekuh. Es ist eine kurze, packende und zutiefst ergreifende Geschichte. Woran das liegt? Einerseits am Thema: Es geht um die Schönheit und Einzigartigkeit unserer Welt und um das, was wir aktuell damit machen (Stichwort Klimawandel & Biodiversitätsverlust). Und um die Frage, wer die Verantwortung für die Konsequenzen unseres Wirtschaftens trägt oder auch tragen wird.

Ich möchte Ihnen gar nicht mehr verraten. Sie können den genauen Inhalt gerne googeln. Viel wichtiger ist, warum Sie dieses Buch lesen sollen. Ein Buch über eine freundliche Seekuh. Was haben wir oder Sie persönlich denn mit einer Seekuh zu tun? Und wer weiß, vielleicht mögen Sie Seekühe gar nicht. Um ehrlich zu sein, ist es total unerheblich, ob Sie Seekühe mögen oder nicht. Oder ob Sie ihnen gefallen oder nicht. Sie müssen einfach nur dieses Buch lesen, weil die Geschichte des Dugongs genau diese Art von Geschichte ist, die nachhallt und nachhallt und nachhallt und einen in Wahrheit, oder besser gesagt hoffentlich, nie wieder loslässt. Und so soll es sein. Denn wenn eine Erzählung es schafft, unser Herz zu berühren, unsere Fantasie zu beflügeln und uns gleichzeitig zum Nachdenken bringt, dann darf man dieses Buch nie wieder weglegen. Und all das vereint die Erzählung rund um Toby Markham. Und gleichzeitig ist sie ein Weckruf, der einem lautstark ins Ohr brüllt. Der einem beinhart aufzeigt, welchen Weg wir gerade einschlagen und welche Konsequenzen das haben kann.

Das hier ist keine Buchempfehlung und auch keine Buchrezension. Das hier ist ein klarer Aufruf, dieses Buch zu lesen. Es tut nicht weh. Es sind auch nicht wahnsinnig viele Seiten. Lesen Sie es bitte einfach. Und dann, geben Sie es weiter. Sagen Sie es weiter. Lesen Sie es noch einmal. Und lassen Sie nicht locker, bevor nicht jeder in Ihrem Umfeld dieses Buch gelesen hat. Das sind wir dem Dugong – der freundlichen Seekuh – schuldig.

Michael Meyer leitet das Institut für Nonprofit Management an der Wirtschaftsuniversität Wien.

Sein Lesetipp:

Yascha Mounk, Im Zeitalter der Identität. 
Der Aufstieg einer gefährlichen Idee, 2024, 287 Seiten

Im Zeitalter der Identität

Der deutsch-amerikanische Politikwissenschafter Yascha Mounk lehrt und forscht an der Johns Hopkins University in Baltimore. Bekannt wurde er als Mitherausgeber der „Zeit“ und des „Atlantic Magazine“ sowie durch seine Arbeiten zur Gefährdung der Demokratie durch Populismus. Mit seinem jüngsten Buch etabliert er sich als profunder Kritiker der „Identity Synthesis“, des „Wokism“ und anderer Exzesse der politischen Korrektheit sowie als kompromissloser Kämpfer für die Meinungs- und Redefreiheit.

Wenn man gegen die Identitätspolitik argumentieren will, ohne als reaktionärer Spinner abgestempelt werden zu wollen, sollte man dieses Buch (und Susan Neimans „Left is not Woke“) lesen. Philosophische Positionen, die sich sukzessive vom Universalismus der Aufklärung verabschiedeten und sie verunglimpften, legten die Saat: Michel Foucault, Edward Said und die Critical Race Theory. Gemeinsam ist ihnen, dass sie gesellschaftlichen Fortschritt leugnen und jene Gräben, die durch Ethnie, Gender und andere Merkmale aufgerissen werden, für unüberbrückbar halten. „Nie werden meine Söhne wirkliche Freunde von weißen Jungs werden können“, wird ein afroamerikanischer Rechtsprofessor zitiert. Die durch die soziale Herkunft geprägte Weltsicht bestimmt unüberwindbar die eigene Position. Was man früher als Solidarität und Empathie schätzte, wird heute als kulturelle Aneignung gebrandmarkt.

Mounk analysiert messerscharf, wie solch abstruse Positionen ihren Weg in die gesellschaftliche Mitte der USA gefunden haben: über Gender Studies und Afroamerican Studies an Eliteuniversitäten, über soziale Medien wie Tumblr und digitale Medien wie Vox Media, über Ego-Kommentare in den Top-Printmedien der USA, über NGOs und gemeinnützige Stiftungen. Mounk berichtet auch über Exzesse: Vielerorts in den USA wird schon Volksschulkindern mit dem „Privilege Walk“ vor Augen geführt, aus welchen privilegierten oder unterprivilegierten Milieus sie kommen – ein Pinkerl, das sie nie ablegen können. „Im Zeitalter der Identität“ hilft uns, vom bloßen Kopfschütteln zur Analyse und Argumentation zu kommen, um die universellen Werte der Aufklärung im Sinne der unantastbaren Würde aller Menschen zu verteidigen: „There is only one race, the human race.“ (Rosa Parks)