Inwiefern haben sich die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Weltbank in den vergangenen zehn Jahren geändert?
Nun unterzieht sich die Weltbank gerade einem Reformprozess. Was erwarten Sie sich davon?
Van Trotsenburg: Nachdem wir die Covid-Krise einigermaßen überstanden haben, wurde zunehmend klar, dass die Sustainable Development Goals nicht wie geplant bis 2030 erreicht werden. Zudem werden die Herausforderungen durch den Klimawandel immer größer. Angesichts dessen muss sich die internationale Gemeinschaft die Frage stellen: Was können wir zusätzlich beitragen? Und wie können multilaterale Entwicklungsbanken dies unterstützen? Darauf baut der Reformprozess der Weltbank auf: Wir müssen mehr leisten. Einmal bei der Finanzierung. So werden etwa durch die Senkung der Eigenkapitalquote um ein Prozent zusätzliche 40 Milliarden Dollar an Zusagen möglich. Darüber hinaus planen wir, verstärkt mit Hybridkapital und Portfoliogarantien zu arbeiten. Der Privatsektor soll ebenfalls stärker eingebunden werden.
Wie sieht die Weltbank der Zukunft also aus – effizienter und grüner?
Van Trotsenburg: Grundsätzlich ist und bleibt unser Hauptgeschäft die Armutsbekämpfung. Der Kampf gegen den Klimawandel wird jedoch zunehmend wichtiger. Unser Slogan „Our dream is a world free of poverty…“ wurde ergänzt um „… on a livable planet“. Die Weltbank denkt nun umfassender: Es geht darum, Armut in einem nachhaltigen Umfeld zu reduzieren. Zudem fungiert die Weltbank ja nicht nur als Geldgeber, sondern ist auch eine Wissensorganisation, die auf Know-how-Transfer setzt. Wir werden diese Säule weiter ausbauen, insbesondere durch einen eigenen Bereich für Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.
In kurzer Zeit lässt sich viel erreichen, wie die schnelle Elektrifizierung in Asien gezeigt hat.
A. Van Trotsenburg
Die diesjährigen Spring Meetings in Washington standen unter dem Motto „Vision to Impact“. Dabei wurde unter anderem verkündet, dass die Weltbank bis zum Ende dieses Jahrzehnts 250 Millionen Menschen in Afrika Zugang zu Elektrizität verschaffen will. Wie kann das gelingen?
Van Trotsenburg: Wenn man den Entscheidungsträgern in Afrika zuhört, ist Energie ein Schlüsselthema. Verständlicherweise, da nach wie vor 600 Millionen Afrikaner keinen Zugang zu Elektrizität haben. Wir werden uns daher nun auf größere Projekte konzentrieren, sowohl netzgebundene als auch Off-Grid-Lösungen, und sind bereit, viele Milliarden Dollar zu investieren. Aber wir brauchen auch den Privatsektor und die Investitionen der einzelnen Staaten. Dabei lässt sich in kurzer Zeit viel erreichen, wie die schnelle Elektrifizierung in Asien gezeigt hat. Dafür müssen die Rahmenbedingungen verbessert und die Stromversorger besser organisiert werden. Es ist ein ambitioniertes Projekt, doch nur mit Ambitionen und klaren Zielsetzungen kann man etwas erreichen.
Themen wie die Energietransformation werden bei uns sehr stark auf nationaler oder maximal europäischer Ebene diskutiert. Dabei fehlt mitunter der globale Blick, denn der Kampf gegen den Klimawandel wird vor allem in Afrika, Indien und China entschieden, wo aktuell hunderte Kohlekraftwerke neu gebaut werden. Wie reagieren Sie auf diese Herausforderung?
Van Trotsenburg: Der Kohleausstieg ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. In Asien allein würde der Ausstieg in den nächsten 20 Jahren etwa 20 Billionen Dollar kosten, und es müsste jeden zweiten oder dritten Tag ein Kohlekraftwerk stillgelegt werden. Das wird leider nicht geschehen. Dennoch müssen wir durch die Umsetzung zahlreicher Projekte zur Erzeugung erneuerbarer Energien sicherstellen, dass der Prozess des Kohleausstiegs ernst genommen und beschleunigt wird.
Afrika hingegen ist nur für etwa drei Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich, jedoch überdurchschnittlich vom Klimawandel betroffen. Wenn wir ein Land wie den Senegal nun dafür kritisieren, dass es neu gefundenes Gas auch nutzt, halte ich das für sehr problematisch, wenn nicht gar kolonialistisch. Beim Finanzgipfel in Paris im Vorjahr wurde die Wut der Entwicklungsländer über die Doppelmoral der Industrieländer deutlich spürbar.
Die Weltbank hat ihr Engagement in Afrika in den vergangenen 20 Jahren von 15 Prozent auf fast 50 Prozent der Gesamtzusagen ausgeweitet. Entscheidet sich der Erfolg der reformierten Weltbank letztlich in Afrika?
Zur Person
Axel van Trotsenburg ist seit mehr als drei Jahrzehnten in führenden Positionen der Weltbank tätig. Als Senior Managing Director verantwortet er aktuell die Bereiche Entwicklungspolitik und Partnerschaften und gilt als Nummer zwei hinter Präsident Ajay Banga. Der gebürtige Niederländer verbrachte große Teile seiner Jugend in Kärnten und hat auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
Die Weltbank: Global Player mit fünf Achsen

