Seit wann ist verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung ein Thema?
Graf: Das Thema der nachhaltigen Lieferketten und Rohstoffbeschaffung wurde nicht systematisch entwickelt, es ist organisch über mehrere Jahrzehnte gewachsen. Ein Meilenstein war sicher der Dodd Frank Act. Mit diesem haben die USA seit 2010 versucht, das Thema der Konfliktmineralien in Zentralafrika unter Kontrolle zu bekommen, wobei dieser Ansatz aufgrund der gemachten Erfahrungen durchaus kontrovers gesehen wird. Seitdem ist das Thema auf der Ebene der OECD und EU deutlich forciert worden und wurde vor allem über eine stetig wachsende Anzahl an Nachhaltigkeitsstandards, Initiativen und Zertifizierungen vom Privatsektor aufgegriffen.
Der wesentliche Treiber ist nun also der Privatsektor?
Graf: Einer der wesentlichen Treiber, aber nicht alleine. Es braucht die Gesetzgebung, denn nur so kann es ein Level Playing Field geben. Viele Unternehmen wollen mehr tun im Bereich der nachhaltigen Rohstoffbeschaffung, aber das geht nur, wenn die gleichen Spielregeln für alle gelten, damit die Wettbewerbsfähigkeit durch Nachhaltigkeit nicht eingeschränkt wird. In den vergangenen Jahren wurden viele Schritte gesetzt. Gleichzeitig sind Unternehmen aber auch besorgt, dass zunehmende Auflagen zu mehr Bürokratie und damit Kosten führen.
Wie wird in den Entwicklungsländern auf die Nachhaltigkeitsvorstöße – und -vorgaben – aus den Industrieländern reagiert?
Graf: Einerseits werden sie begrüßt, da sie eine Chance für Entwicklung und Zusammenarbeit darstellen. Zugleich werden sie vielerorts kritisch betrachtet, denn für die Menschen vor Ort stehen oft andere Themen im Vordergrund. Wir haben im Rahmen des Re-Sourcing-Projekts eigene Events in Südamerika, Afrika und China durchgeführt, und überall gibt es spezifische Bedürfnisse und Prioritäten. In Südafrika haben wir gehört, dass manch ein Arbeiter im Kleinbergbau das Geld lieber für die Ausbildung seiner Kinder verwenden würde als für seine eigene Schutzsausrüstung. Das zeigt auch die Grenzen der Harmonisierung auf, die wir grundsätzlich anstreben. Ja, es braucht globale Standards. Aber es braucht auch Begegnung auf Augenhöhe und das Bewusstsein für die Bedürfnisse vor Ort. Letztlich ist einer der wichtigsten Punkte für verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung das Benefit Sharing: Europäische Unternehmen und Regierungen sollten sich also nicht nur gegen Dinge wie Kinderarbeit aussprechen, sondern ganz konkret überlegen, wie sich ein Mehrwert vor Ort kreieren lässt.