Shamba Shape Up heißt eine Reality-TV-Show, die seit elf Jahren ein Millionenpublikum in Ostafrika erreicht. Doch anders als typische Unterhaltungsformate, die sich um Liebesabenteuer, Modelwettbewerbe oder Prominente im Überlebenskampf drehen, widmet sich die Sendung aus Kenia schlicht den täglichen Herausforderungen auf kleinen Bauernhöfen. In jeder Episode besucht das Fernsehteam einen Hof, um von den Bauern und Bäuerinnen zu erfahren, mit welchen Schwierigkeiten sie kämpfen. Diese reichen von der Auswahl des richtigen Futters für die Hühner über Ernteausfälle durch Schädlinge bis hin zur mühevollen Suche nach Abnehmern für Obst und Gemüse. Mithilfe von Agrarexperten werden dann in der Sendung praktische Lösungen für die Probleme erarbeitet. 

Der Erfolg von Shamba Shape Up zeigt sich nicht nur in der loyalen Zuschauerschaft. Die Sendung ist zu einer unterhaltsamen Bildungsplattform geworden, die, wie Befragungen ergeben, auch den zusehenden Bauern wertvolle Tipps vermittelt und damit ihre Versorgung mit Nahrungsmitteln verbessert. Zudem betreibt das Shamba Team inzwischen auch ein eigenes Call Center, in dem Experten sieben Tage die Woche Ratschläge zu Haus und Hof bereitstellen.

Nahrungsmittelversorgung: Der Druck steigt

Angesichts des weit verbreiteten Problems von Hunger und Mangelernährung ist solch ein Empowerment von Kleinbauern von Bedeutung. Denn auch heute noch kann etwa jeder fünfte Bewohner in Afrika südlich der Sahara seinen täglichen Kalorienbedarf nicht decken, mit schwerwiegenden Folgen speziell bei Kindern. Alarmierend ist auch die Prognose, dass Afrika die einzige Region weltweit ist, in der eine deutliche Zunahme der Unterernährung erwartet wird. Das ehrgeizige Ziel der Vereinten Nationen, das Problem des Hungers bis zum Jahr 2030 endgültig zu lösen, erscheint kaum erreichbar.

Schließlich wächst auch der Druck, künftig mehr Nahrungsmittel bereitstellen zu müssen: Während derzeit schätzungsweise 1,4 Milliarden Menschen in Afrika leben, könnten es bis 2050 2,5 Milliarden sein. Schon jetzt gibt der Kontinent jährlich rund 80 Mrd. US-Dollar für Nahrungsmittelimporte aus, und Prognosen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Afrika gehen davon aus, dass diese Summe bis 2025 auf 110 Mrd. Dollar ansteigen könnte. 

Afrika benötigt daher eine Verbesserung seiner Ernährungssicherheit – und das aus eigener Kraft. Das ist jedoch schwierig: Der Africa Agricultural Status Report 2023 beschreibt die enorme Herausforderung als „eine Kombination aus Klimawandel, Konflikten, wirtschaftlicher Instabilität, geringer landwirtschaftlicher Produktivität und den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie“. Trotzdem birgt Afrika auch das Potenzial, deutlich mehr Nahrung als bisher bereitstellen zu können, möglicherweise sogar zu einem „Global Powerhouse“ der Ernährung zu werden. Bis es soweit ist, müssen jedoch viele Glieder entlang der Wertschöpfungskette verbessert werden.

Landwirtschaft: Viele Puzzleteile 

Die Agrarwirtschaft spielt jedenfalls eine zentrale Rolle als Wirtschaftsfaktor in Subsahara-Afrika, indem sie beinahe ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht und über 230 Millionen Menschen beschäftigt. Und der Sektor ist vielseitiger, als es aus europäischer Perspektive erscheinen mag. Der in Kenia lebende österreichische Agrarexperte Michael Hauser erinnert daran, dass der Kontinent mit seinen 54 Ländern klimatisch und agrarökologisch sehr unterschiedliche Zonen aufweist, von trockenen Savannen bis hin zu tropischen Regenwäldern. Neben den traditionellen Kleinbauern, die in Afrika für die Ernährung von schätzungsweise rund 80 Prozent der Bevölkerung verantwortlich sind, gibt es heute auch eine Vielzahl von mittleren Betrieben bis Großkonzernen, die auf exportorientierte Produktion ausgerichtet sind beziehungsweise die wachsende städtische Bevölkerung Afrikas versorgen. So existieren laut der Businessplattform Asoko Insights in Afrika 26 Unternehmen im Agrarsektor mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Mio. Dollar.

Interview mit Michael Hauser, Agrarökonom

Michael Hauser

Coole Entwicklungen

Michael Hauser, Experte für Agrarökologie und Entwicklung, über Fortschritte sowie Herausforderungen im Agrarsektor Afrikas.

So divers die afrikanische Landwirtschaft ist, insgesamt fällt sie durch eine vergleichsweise niedrige Produktivität auf, wie Daten der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen offenbaren: So lag im Jahr 2021 beispielsweise der Getreideertrag in Gesamtafrika im Schnitt bei rund 1,8 Tonnen pro Hektar, das ist nicht einmal die Hälfte des weltweiten Schnitts von 4,15 Tonnen. In Österreich sind es 7,1 Tonnen pro Hektar. Zwar ist es Afrika seit den 1980ern gelungen, die Getreideernten zu verdreifachen, allerdings wurde dies laut Datenportal „World in Data“ vor allem durch die Nutzung von mehr und mehr Land erzielt. In anderen Regionen der Welt konnten hingegen kontinuierliche Steigerungen der Hektarerträge bei wichtigen Kulturpflanzen erzielt werden. So stiegen in Südasien die Getreideernten seit den 1980ern um 133 Prozent, das allerdings bei gleich bleibenden Agrarflächen. 

Dass Afrika hier hinterherhinkt, liegt an vielen Faktoren: Veraltete Anbaumethoden, mangelnde Mechanisierung, fehlender Zugang zu Dünger oder schlechte Bodenbewirtschaftung sind weit verbreitet. Dazu kommen zunehmend klimatische Stressfaktoren wie unvorhersehbare Regenfälle oder lange Dürreperioden. 

Verluste senken

Es gibt zahlreiche Geber, die den Wandel des afrikanischen Agrarsektors unterstützen. Erst vor kurzem haben beispielsweise die International Finance Corporation und die OCP-Gruppe, ein großer Hersteller von phosphatbasierten Düngemitteln, eine neue Finanzierungsplattform ins Leben gerufen, die bis 2030 insgesamt 800 Mio. Dollar für den Sektor mobilisieren will. Durch den Zugang zu Finanzierung und Schulungen zielt die neue Plattform darauf ab, 30 landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten in Afrika – wie im Reis- und Cashewanbau – zu stärken. Außerdem soll Landwirten und Agrarbetrieben der Zugang zu Düngemitteln und anderen Betriebsmitteln erleichtert werden, um ihre Erträge steigern zu können. 

Food Loss
In Afrika verderben viele Nahrungsmittel, noch bevor sie in den Handel kommen.

Doch auch wenn mehr Nahrungsmittel produziert würden, heißt das nicht, dass diese beim Verbraucher landen: In Subsahara-Afrika sollen bis zu 50 Prozent der Obst- und Gemüseernte, 40 Prozent der Wurzel- und Knollenernte sowie 20 Prozent der Getreideernte nach der Einholung verderben. Das liegt etwa an falschen Erntezeitpunkten, ungeeigneter Lagerung oder fehlender Trocknung beziehungsweise Kühlung. So sind beispielsweise Mykotoxine ein großes Problem bei Getreideernten. Diese giftigen Verbindungen werden von Schimmelpilzen produziert, die Nutzpflanzen wie Mais, Sorghum und Erdnüsse kontaminieren können und ernste Gesundheitsrisiken darstellen. Es braucht also auch bessere Nachernte- und Verarbeitungstechnologien, um Verluste zu reduzieren und die Lebensmittelsicherheit zu steigern (mehr dazu: siehe corporAID-Artikel „Ungegessen“). 

Tech am Feld

Eine große Rolle bei der Transformation des afrikanischen Lebensmittelsektors könnten digitale Services spielen: Schon heute wechseln Landwirte direkt von veralteten oder konventionellen Methoden zu modernsten Technologien, ohne Zwischenstufen zu durchlaufen – durch sogenanntes „Leapfrogging“. So überwachen kenianische Bauern mithilfe von Smartphone-Apps die Gesundheit ihrer Pflanzen, optimieren Bewässerung und Pestizideinsatz – das trägt dazu bei, wertvolle Inputs effizienter einzusetzen. In Nigeria verbinden sich wiederum Kleinbauern über Plattformen mit Traktorbesitzern, mieten bei Bedarf schwere Maschinen an und schaffen so eine Möglichkeit zur verstärkten Mechanisierung auf dem Feld. Tansanische Bauern informieren sich digital zu Nachfrage- und Angebots-trends, treffen bessere Entscheidungen bezüglich Anbau und Verkaufszeitpunkt und steigern damit potenziell ihr Einkommen. In den vergangenen zehn Jahren ist jedenfalls viel Geld in Agrar- und Lebensmitteltechnologie geflossen: Laut AgFunderNews haben Investoren seit 2013 1,76 Mrd. Dollar in Start-ups aus dem afrikanischen Agrifood-Tech-Bereich gelenkt. 

Hirse
Ein Hoch auf Hirse: Afrikas Landwirtschaft muss resilienter gegen den Klimawandel werden. Hirse gedeiht auch auf kargen Böden.

Mit dem Kofi Annan Award for Innovation in Africa wird übrigens das österreichische Bundeskanzleramt gemeinsam mit Partnerorganisationen 2024 einen Innovationswettbewerb rund um digitale Lösungen für Ernährungssicherheit in Afrika starten – um dem Ziel von „Kein Hunger“ bis 2030 vielleicht doch noch ein Stückchen näherzukommen.

Fotos: Christoph Eder, Michael Hauser, Stephan Gladieu/Worldbank, Vincent Temeau/Worldbank