Coole Entwicklungen

Michael Hauser, Professor an der Universität für Bodenkultur in Wien, arbeitet für das Forschungsinstitut World Agroforestry in Nairobi, Kenia. Der Experte für Agrarökologie und Entwicklung spricht über Fortschritte sowie Herausforderungen im Agrarsektor Afrikas.

Michael Hauser
Michael Hauser, Agrarökologe
Viele afrikanische Länder kämpfen bis heute mit ihrer Lebensmittelversorgung. Gleichzeitig gilt Afrika als Hoffnungskontinent der Landwirtschaft, als potenzieller Ernährer der Welt. Welche Perspektiven sehen Sie für Afrika?

Hauser: Generelle Aussagen über die Landwirtschaft Afrikas sind schwierig zu treffen, denn der Sektor ist zu vielfältig.  Dieser stützt sich zwar nach wie vor stark auf die kleinbäuerliche Landwirtschaft, aber es existieren auch viele mittelständische und Großbetriebe. Außerdem ist die technologische Bandbreite heute groß: von der Regenfeldwirtschaft, die ausschließlich auf natürlichen Niederschlägen beruht, bis hin zur modernen Tröpfchenbewässerung und Agri-Photovoltaik nach neuesten Standards. Grundsätzlich bin ich optimistisch, auch wenn Covid-19 und der Ukrainekrieg Unruhe in die afrikanischen Lebensmittelsysteme gebracht haben. Ich glaube, dass die Landwirtschaft trotz Klimakrise großes Potenzial hat, leistungsfähiger und nachhaltiger zu werden. Dazu muss sie aber stärker auf Ökologie, Marktintegration, Inklusion und Resilienz ausgerichtet sein.

Wie attraktiv ist die Arbeit in der Landwirtschaft für junge Afrikaner? 

Hauser: Im Gegensatz zu Europa werden die Bäuerinnen und Bauern in Afrika im Schnitt jünger. Dennoch ist die Landwirtschaft für viele unattraktiv, insbesondere dort, wo festgefahrene Strukturen Fortschritt verhindern. Das heißt: Arbeit auf kleinen Flächen, Abhängigkeit von Regenfällen, kaum Zugang zu Betriebsmitteln, Technologie und Wissen. Es gibt kaum Ernteversicherungen. Viele verfügen zudem nicht über formale Landtitel und sind daher unsicher, ob sie investieren können. Weshalb sollten Bauern Bäume zum Bodenschutz pflanzen, wenn sie möglicherweise vertrieben werden? Eine aktuelle Studie aus Kenia und Westafrika zeigt, dass viele junge Menschen nicht in der Landwirtschaft arbeiten wollen, sondern lieber in die Stadt gehen, um dort ein kleines Geschäft zu eröffnen oder im Servicesektor zu arbeiten. Einfach zusammengefasst: Je attraktiver die Landwirtschaft, desto geringer die Landflucht. Langfristig werden viele afrikanische Länder den Sektor so umstrukturieren müssen, dass Menschen ihre Visionen für ein gutes Leben realisieren können.

Afrikas Landwirtschaft ist von hohen Nachernteverlusten geprägt. Tut sich bei dieser Problematik etwas?

Hauser: Afrika ist auch aufgrund der Nachernteverluste Nettoimporteur von Lebensmitteln. Ich habe das Gefühl, dass wir bei einigen Themen immer noch an dem Punkt stehen, an dem wir vor zehn Jahren waren. Das Problem der verlorenen und verschwendeten Lebensmittel besteht aufgrund struktureller Probleme fort. Im informellen Handel fehlen Kühlketten, um Ernten frisch zu halten. Zudem gelangen unsichere Lebensmittel in den Handel. So wird mitunter Getreide nicht entsorgt, auch wenn es giftige Mykotoxine enthält, weil damit ein hoher Einkommensverlust verbunden ist. Hier wäre eine stärkere Formalisierung von informellen Lieferketten mit festgelegten Standards und Kontrollen erforderlich, um Sicherheit und Qualität der Lebensmittel von der Produktion bis zum Verbrauch zu gewährleisten. 

Welche Trends finden Sie spannend?

Hauser: Trotz aller Herausforderungen gibt es coole Entwicklungen. Die digitale Landwirtschaft ist im Kommen, und sie kann ein wichtiges Werkzeug für wirtschaftliche Entwicklung sein. Es gibt inzwischen zahlreiche innovative Apps, die Bauern beispielsweise unterstützen, Pflanzenkrankheiten mit Hilfe künstlicher Intelligenz richtig zu diagnostizieren und den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Es gibt digitale Beratungssysteme für die Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft und Plattformen für den Direkthandel zwischen Produzenten und Konsumenten. Das ist übrigens nicht nur ein Trend in digital stark fortgeschrittenen Ländern wie Kenia oder Nigeria. Selbst in den Krisenregionen Somalias arbeiten heute immer mehr Bauern mit dem Smartphone in der Hand.

Vielen Dank fürs Gespräch!