Prall gefüllt zeigt sich der Festsaal des Hamburger Rathauses an einem Abend Mitte Mai, hunderte Unternehmensvertreter aus Deutschland und diversen afrikanischen Staaten stoßen auf den 90. Geburtstag des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft an. Vor ihnen prangt ein Wandgemälde über dem Podium, das den Hamburger Hafen zu Beginn des 20. Jahrhunderts darstellt; ein nicht unpassender Ort für diese Veranstaltung, denn die Rolle als Hafenstadt und „Tor zur Welt“ machte Hamburg auch zur wichtigsten deutschen Kolonialmetropole. Und so gründeten hier zum 1. Jänner 1934 eine Gruppe deutscher Kaufleute und Vertreter von Reedereien einen gemeinsamen Interessenverband für den Afrikahandel. Dieser sollte zunächst vor allem als Kommunikationsplattform über wirtschaftliche Entwicklungen auf dem Kontinent – etwa durch die monatlich erscheinende „Afrika Rundschau“ – dienen.
Dass die Gründung mitten im Nationalsozialismus und Imperialismus stattfand und ab etwa 1938 die NS-Kolonialpropaganda auch vom Afrika-Verein vertreten wurde, sprachen die Redner beim Festakt Mitte Mai mehrfach offen an. Vor allem aber betonten sie die Verbindungen und gemeinsamen Interessen zwischen Afrika und Deutschland bzw. ganz Europa, für die der Afrika-Verein seit bald hundert Jahren steht.
„Unsere Aufgabe ist es, gleichberechtigte Beziehungen zu fördern und da Brücken zu bauen, wo andere nur Hürden sehen“, erklärte die Vorsitzende des Afrika-Vereins und CEO von Siemens Subsahara-Afrika Sabine Dall’Omo. Sie unterstrich, dass man seit der ersten Delegationsreise im Jahr 1955 ins damalige Rhodesien hunderte Wirtschaftsdelegationen auf den afrikanischen Kontinent geführt und tausende Unternehmer und auch politische Entscheidungsträger miteinander ins Gespräch gebracht habe.
Der gemeinnützige Afrika-Verein beschäftigt 15 festangestellte Mitarbeiter und finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen. Aktuell scheinen mehr als 500 Firmen in der imposanten Mitgliederliste auf. Der Großteil der deutschen Unternehmen mit relevantem Afrikageschäft ist hier vertreten, von Start-ups bis zu DAX-Unternehmen, wobei die Tätigkeiten des Vereinslaut Dall‘Omo vor allem den deutschen Mittelstand adressieren.
Guter Netzwerker
Die Unternehmensvertreter bezeugen, dass sie von den Aktivitäten des Afrika-Vereins profitieren. Für Finn Plotz, Gründer und CEO des Start-ups für Sicherheitssoftware Seon, hat sich der Verein schon mehrfach als Türöffner für neue Märkte erwiesen, vom Senegal bis Simbabwe. „Die regelmäßigen Veranstaltungen des Afrika-Vereins in Deutschland sind für uns stets eine gute Bühne, um über das Geschehen in Afrika informiert zu bleiben und potenzielle Partner kennenzulernen“, so Plotz.
Auch von afrikanischer Seite gibt es viele lobende Worte. Laut dem kamerunischen Unternehmensberater Nj Ajuk ist der Afrika-Verein „zu einem Kraftwerk geworden“, es gebe nicht viele Organisationen, die so ausdauernd für Afrika werben würden. Dabei haben sich unter Mithilfe der Organisation mittlerweile auch schon afrikanische Unternehmer in Deutschland angesiedelt, nicht zuletzt um neue deutsch-afrikanische Partnerschaften initiieren zu können. So hat etwa der nigerianische Energieexperte Chigozie Nweke-Eze, CEO der Energieberatungs- und Entwicklungsfirma Integrated Africa Power, seinen Hauptsitz heute in Bonn und unterhält Büros in Nigeria, Südafrika und Kenia. Er konstatiert: „Der Afrika-Verein steht für eine echte Verbindung zwischen den afrikanischen Ländern und Deutschland. Das Engagement und die Beteiligung der Akteure auf allen Ebenen sind authentisch.“
Die Mitgliedsunternehmen weisen einhellig darauf hin: Die Kernkompetenz des Vereins liegt heute in der Beratung sowie Kontaktvermittlung, sei es durch teilweise jährlich wiederkehrende Veranstaltungen und Foren – von der zweitägigen deutsch-afrikanischen Energiekonferenz bis zu kleineren länderspezifischen Wirtschaftsgesprächen – oder Delegationsreisen. Der Fokus liegt auf strategisch wichtigen Sektoren und Zielländern, die der deutschen Wirtschaft konkrete Chancen bieten.
„Unsere Veranstaltungen sind gerade nicht dadurch gekennzeichnet, dass jemand ex cathedra Vorträge darüber hält, was in Afrika angesagt ist. Vielmehr geht es um Gespräche auf Augenhöhe über Opportunitäten, Herausforderungen und Bedarfe auf dem afrikanischen Kontinent“, erklärt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrika-Vereins (siehe Interview).
Vorarbeit leistet der Verein mit einer ausgebauten und professionalisierten Medienarbeit. Sie soll ein Beitrag zu einem ausgewogeneren und weniger krisenbehafteten Afrikabild in der Öffentlichkeit sein und spielt bei der Unternehmensberatung eine Rolle: „Um Hinweise geben zu können, in welchen Ländern welche Art von Wirtschaftsaktivitäten sinnvoll sein könnte und wo es konkrete Opportunitäten gibt, muss zuvor eine an den Realitäten orientierte Wahrnehmung des afrikanischen Kontinents vermittelt werden“, so Kannengießer.
Einfluss auf die Politik
Doch der Verein versteht sich nicht nur als Netzwerk, sondern auch als Stimme der Unternehmen. Hierbei geht es darum, in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft die unternehmerischen Interessen in den Ministerien und im Parlament zu platzieren und letztlich in die deutsche Afrikapolitik zu integrieren.
„Wir haben im Dialog mit unseren Mitgliedsunternehmen immer wieder gehört, dass es an politischer sowie finanzieller Flankierung durch den Staat fehlt. Da geht es um Risikoabsicherung, aber auch grundsätzlich um die Präsenz deutscher Politik auf dem afrikanischen Kontinent. Entsprechend haben wir im Jahr 2012 die Entscheidung getroffen, uns künftig viel offensiver in den politischen Diskurs einzuschalten“, sagt Kannengießer.
Zur Erleichterung des Kontakts zu den politischen Entscheidungsträgern und der Teilnahme am politmedialen Diskurs in Deutschland, verlagerte der Afrika-Vereinseine Aktivitäten sukzessive von Hamburg nach Berlin. Dass im Zuge der deutschen G20-Präsidentschaft im Jahr 2017 die Beziehungen zu Afrika ganz oben auf der Agenda standen, brachte bedeutenden Aufwind für den Afrika-Verein. So konnte er im Oktober 2018 eine Investorenkonferenz in Anwesenheit von einem Dutzend afrikanischer Staatschefs sowie der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel austragen, die in diesem Rahmen einen vom Verein geforderten Investitionsfonds für das Afrikageschäft ins Leben rief.
Maßnahmenpaket
Einer der wichtigsten politischen Ansprechpartner des Afrika-Vereins ist das deutsche Entwicklungsministerium BMZ. Der ruandische Botschafter in Berlin, Igor César, zeigte sich bei der Jubiläumsveranstaltung des Afrika-Vereins überzeugt, „dass es dem Afrika-Verein gelungen ist, den Privatsektor in die Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren“. Laut Hauptgeschäftsführer Kannengießer verläuft dieser Prozess jedoch nicht linear. Zwar habe die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Afrika in den 2010er Jahren in der deutschen Entwicklungspolitik deutlich an Bedeutung gewonnen, doch sei im Ministerium zurzeit eine eher unternehmensskeptische Herangehensweise festzustellen.
In einem aktuellen Positionspapier fordert der Verein daher, dass die Wirtschaft wieder ins Zentrum der Afrikapolitik gerückt werden müsse. An konkreten Maßnahmen werden der deutschen Bundesregierung unter anderem der Ausbau von Investitionsgarantien, das Aufsetzen eines Afrika-Risikokapitalfonds, die Ausweitung von Doppelbesteuerungsabkommen, die Förderung praxisorientierter Aus- und Weiterbildung sowie ein Abbau von Hindernissen für die Fachkräfteeinwanderung aus Afrika nahegelegt.
Daneben setzt sich der Afrika-Verein für ein Soft Loan-Programm nach österreichischem Vorbild ein. „Wir beobachten natürlich auch, wie unsere Nachbarländer bestimmte Fragen angehen – und wenn dies, wie im Fall der Soft Loans der Oesterreichischen Kontrollbank, anderswo kreativer gemacht wird, versuchen wir die deutsche Bundesregierung dazu zu bringen, ähnliche Wege einzuschlagen“, sagt Kannengießer.
Interesse an und aus Österreich
Die Beziehungen zwischen dem Afrika-Verein und Österreich gehen darüber hinaus. So sind etwa die österreichischen Unternehmen Strabag, Frequentis, Vamed und Andritz Hydro Mitglieder des Vereins. Und das hat sich laut Alexander Schwab, der als Senior Vice President bei Andritz Hydro den Bereich Business Development verantwortet, bereits mehrfach ausgezahlt. „Gerade unter der Kanzlerschaft Angela Merkels hat das deutsche Interesse an Afrika zugenommen. Der Afrika-Verein hat in dieser Zeit viele afrikanische Staatschefs nach Deutschland geholt und an diesen Veranstaltungen haben auch wir – vor allem über unser Büro in Berlin – regelmäßig teilgenommen“, sagt Schwab. Diese Kontaktanbahnung und -pflege sei gerade für ein Infrastruktur-Unternehmen wie Andritz Hydro, dessen Kunden vorrangig aus dem öffentlichen Sektor kommen, wertvoll.
Afrika-Verein-Chef Kannengießer freut das Interesse der österreichischen und auch einiger Schweizer Unternehmen: „Perspektivisch ließe sich sicher über die Frage nachdenken, ob wir im deutschsprachigen Raum nicht eine gemeinsame Struktur haben sollten“, so Kannengießer. Schwab findet Gefallen an dieser Idee, gibt jedoch zu bedenken, dass die Wirtschaftskammer in Österreich bereits viele Agenden des Afrika-Vereins abdeckt.
Zum Interview mit Afrika-Verein-Chef Christoph Kannengießer geht es hier:
https://www.corporaid.at/chancenkontinent
Der Afrika-Verein ist für Networking-Veranstaltungen bekannt, darunter einige jährlich wiederkehrende Foren und Konferenzen.
- German-African Healthcare Forum
- German-African Energy Forum
- German-African Agribusiness Forum
- German-African Forum on Vocational Training
- German-Nigerian Business Forum
- German-African Business Summit
- Africa Trade & Invest meets Managing Risk in Africa
Fotos: afrika-verein der deutschen wirtschaft (4), AFrika-verein der deutschen wirtschaft, andritz hydro