Koa
Vom Verkauf des Kakaofruchtfleisches profitieren Kleinbauern in Ghana.

In Achiase, Süd-Ghana, befindet sich derzeit ein modernes Fabriksgebäude im Bau. Vor Kurzem wurden die Stahlkonstruktion und das Dach fertiggestellt, nun nimmt das Gebäude Ziegel für Ziegel weiter Form an. Das Werk ist bereits der zweite Standort, den Koa Impact, ein schweizerisch-ghanaisches Start-up, errichtet – die erste Fabrik liegt rund 180 Kilometer entfernt, in Assin Akrofuom. 

Neue Koa-Fabrik in Ghana

Gegründet wurde Koa Impact im Jahr 2017 von Benjamin Kuschnik und Anian Schreiber, mit dem Ziel, die Kakaobranche Westafrikas nachhaltig zu verändern. Das Unternehmen verwertet das weiße Kakaofruchtfleisch, das lange Zeit als Abfallprodukt der Schokoladenindustrie galt, da diese für ihre Kreationen primär auf Kakaobohnen setzt.

Rohstoff für die Industrie

Koa trifft damit den Zeitgeist. Denn in einer Welt, in der die Grenzen der Ressourcennutzung stetig ausgereizt werden, gewinnt die sinnvolle Nutzung vermeintlicher Abfälle an Bedeutung. Und das umso mehr, wenn dadurch nicht nur die Umwelt geschont, sondern auch neue Geschäftsmodelle und Arbeitsplätze eröffnet werden.

Koa
Rund um die Kakaobohnen befindet sich reichlich weißes Kakaofruchtfleisch.

Koa bezieht den neu entdeckten Rohstoff direkt von 2.000 Kleinbauern, indem es mobile, solarbetriebene Verarbeitungsanlagen nach Zentral-Ghana schickt, um die Kakaopulpe noch vor Ort in Saft umzuwandeln. Dieser wird dann im unternehmenseigenen Werk pasteurisiert und für den Export nach Europa vorbereitet. Internationale Lebensmittel- und Getränkehersteller gewinnen damit eine alternative Zutat mit einem fruchtigen Aroma – ähnlich Lychee, Birne und Pfirsich – und vor allem Süßkraft. Kakaofruchtsaft eignet sich für Getränke und Eiscreme, das Saftkonzentrat für Backwaren und Gelees, das Pulver für Schokoladenprodukte und Müsli. Zu den Kunden des aufstrebenden Unternehmens gehören renommierte Schokoladenhersteller wie Lindt und Valrhona sowie kleinere Getränkeproduzenten wie Kumasi aus den Niederlanden und Trio Urban Lemonade aus der Schweiz. 

Weiße Kakaopulpe für die Lebensmittelindustrie.

Mit der neuen Fabrik wird die Produktionskapazität beträchtlich erweitert, der neue Standort in Achiase wird zur größten Kakaofruchtfabrik Afrikas avancieren. „Unsere zweite Fabrik ermöglicht uns, unsere Produktion auf das Zehnfache zu erhöhen“, erklärt Mitgründer Anian Schreiber.

Interview mit Anian Schreiber, Co-Gründer von Koa Impact

Anian Schreiber, Koa Impact

Mit Kakaopulpe zum Erfolg

Das Start-up Koa Impact verwertet ungenutzte Kakaopulpe, ein Abfallprodukt aus der Kakaoproduktio und ist damit auf Expansionskurs.

Sobald die Anlage ihren Betrieb aufnimmt und ihre volle Kapazität erreicht, werden dort 250 Menschen beschäftigt sein und Kakaopulpe von mindestens 10.000 weiteren Bauern für den Export verarbeiten. Sollte die Industrie die Nachfrage nach Kakaofrucht steigern, ist noch viel mehr drin: Schließlich ist Ghana der weltweit zweitgrößte Kakaoproduzent.

Upcycling von Abfällen

Neue pflanzenbasierte Produkte, die aus bisherigen Abfällen hergestellt werden, schaffen auch nachhaltige Optionen für umweltbewusste Verbraucher. Ein Beispiel hierfür ist das Berliner Start-up Arekapak, das von Alexandra Matthies und Nicole Plock gegründet wurde. Während eines Studienaufenthalts in Indien sahen sich die beiden Bergen von Verpackungsmüll gegenüber, was sie dazu veranlasste, nach umweltfreundlichen, ästhetischen und funktionalen Verpackungsalternativen zu suchen. Das Duo entschied sich, neue Verpackungen selbst zu entwickeln und dafür die Blätter der Arekapalme zu verwenden.

Aus den Blättern der Arekapalme stellt das Berliner Start-up Arekapak umweltfreundliche Behälter her.

„Das ist eine uralte Kulturpflanze und allein in Indien fallen von diesen Palmen jedes Jahr über fünf Milliarden Blätter herunter“, sagt Matthies. Im Verarbeitungsprozess werden die braunen Blätter eingeweicht, getrocknet und geformt. Die größte Herausforderung bestehe darin, eine gleichbleibend hohe Qualität zu gewährleisten. „Da es sich um ein unbehandeltes Naturmaterial handelt, sind die Blätter unterschiedlich und weisen oft Flecken oder Druckstellen auf. Daher müssen sie sorgfältig sortiert werden. Zudem können sie während des Pressens brechen und sich nach der Verarbeitung verformen“, erklärt Matthies. 

Die Arekapalmenblätter müssen sorgfältig vorsortiert werden.

Sie hat mit ihrer Ko-Gründerin lange an Designs und Pressformen gearbeitet, um diesen Problemen entgegenzuwirken. Das große Plus des Rohmaterials sei, dass „im Vergleich zu vielen anderen als nachhaltig geltenden Verpackungsmaterialien das Palmblatt tatsächlich naturbelassen, also weder beschichtet noch anderweitig behandelt oder verklebt ist“. Dazu sei die Verarbeitung energie- und wasserärmer als beispielsweise die Papierproduktion. 

Arekapak
Arekapak stellt die Behälter in Südindien her.

Die hergestellten Verpackungen sollen hitze- und kältebeständig, wasserabweisend und vollständig kompostierbar sein, ein Vorgang, der rund 60 Tage in Anspruch nimmt. Arekapak arbeitet in der Produktion mit Partnerfabriken im Süden Indiens zusammen. Laut Matthies ist die Palmblattbranche eine wachsende Kleinindustrie, die in ländlichen Regionen nahe der Palmanbaugebiete neben der Landwirtschaft eine neue Einkommensquelle für die Bevölkerung darstellt. „Insbesondere ungelernte Frauen finden hier eine Beschäftigungsmöglichkeit“, betont Matthies, die ihre Arekapak-Boxen in ganz Europa und über einen indischen Partner auch in Asien vertreibt.

Und so sehen sie aus, wenn sie fertig sind: Arekapak-Behälter

Jacke aus Fischernetzen

Innovative Rohstoffe finden sich nicht nur unterm Palmenbaum, sondern auch in Kunststoffen. Diese werden in enormen Mengen produziert und verwendet, jedoch vor allem in Entwicklungsländern überwiegend unsachgemäß entsorgt. Die Folgen für unsere Umwelt sind bekannt und verheerend. Um dem entgegenzuwirken, bekämpfen immer mehr Unternehmen die Plastikverschmutzung, indem sie das Material wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückführen. Ein Beispiel hierfür ist das kalifornisch-chilenische Unternehmen Bureo. Die Gründer von Bureo, Kevin Ahearn, Ben Kneppers und David Stover, waren auf das Problem von alten Fischernetzen gestoßen.

Ausrangierte Fischernetze landen oft im Meer.

Fischernetze bestehen in der Regel aus Kunststofffasern, häufig aus Nylon, das langlebig, flexibel und widerstandsfähig gegen Umwelteinflüsse ist. Auch wenn diese Eigenschaften für den Einsatz im Fischfang vorteilhaft sind, machen sie das Material auch besonders umweltschädlich. „Schätzungsweise werden 1,3 Mio. Tonnen neue Netze jedes Jahr in Umlauf gebracht, und bis zu 600.000 Tonnen davon landen in den marinen Ökosystemen“, erklärt Stover. Unzählige ausrangierte Geisternetze treiben heute im Wasser und schaden Meeresbewohnern und Korallenriffen. 

Die Bureo-Gründer überlegten, wie sie zur Lösung des Problems beitragen könnten. Heute kauft das Unternehmen von Fischergemeinden in Chile, Argentinien und Peru kaputte Fischernetze gegen eine Kiloprämie auf. „Unsere lokalen Mitarbeiter schneiden dann die Netze in kleine Stücke und reinigen sie“, so Kneppers. In einem Recyclingunternehmen im Süden Chiles werden die Netze schließlich zu „NetPlus“-Nylonpellets geschmolzen, aus denen neue Formen und Fasern entstehen. 

Bureo
Bureo kauft alte Fischernetze direkt von Fischergemeinden aus Südamerika zu.

Lieferant für Outdoormarke

Ursprünglich wollte Bureo mit dem Nylon Skateboards herstellen und verkaufen. Die Gründer fokussierten dann aber auf das Recyclinggeschäft, denn als Rohstofflieferant für die Industrie konnten sie mengenmäßig mehr bewirken. Durch die Zusammenarbeit mit der Outdoorbekleidungsmarke Patagonia konnte Bureo schließlich den großen Sprung machen. „Wir haben mehrere Jahre mit dem Materialentwicklungsteam von Patagonia gearbeitet, was schließlich zur Herstellung mehrerer Produkte geführt hat. Die Outdoorbranche ist ein riesiger Markt und die Menge an Nylongewebe, die verwendet wird, ist entsprechend groß“, erklärt Kneppers.

 

Dank der Partnerschaft finden die Netze heute in Kappen, Badeshorts, Jacken und Laufhosen Verwendung. Andere Hersteller produzieren daraus Spiele, Sessel, Surfbrettfinnen oder Flaschenhalterungen. Bislang konnte Bureo fast 900 Tonnen Nylon neu in Umlauf bringen – die Reise ist damit nicht zu Ende. „Solange die Fischerei diesen Abfall produziert, wollen wir unser Modell an alle Küsten und Häfen bringen, die einen Bedarf haben, alte Netze zu entsorgen“, so Kneppers. Inzwischen ist Bureo mit der Expansion in Ecuador, Mexiko und den USA beschäftigt. 

 

Baumaterialien für Kenia

Während Fischernetze in Produkten wie Kappen und Sportgeräten wiederverwendet werden, gibt es auch Plastikabfälle, die in weniger beachteten Anwendungen zum Einsatz kommen. Dazu gehören Baumaterialien wie Laminatböden, Dämmstoffe, Dachziegel oder Straßenbeläge.

Nzambi Matee, eine kenianische Materialwissenschaftlerin und ehemalige Ingenieurin in der Ölindustrie, hat einen solchen Ansatz in ihrer Heimatstadt Nairobi umgesetzt: Sie wandelt Altplastik in Pflastersteine um. Ursprünglich wollte sie ein Kunststoffsammelunternehmen gründen, änderte ihren Plan jedoch, als sie feststellte, dass lokale Recyclingunternehmen nicht in der Lage waren, die große Menge an Abfall zu verarbeiten. „Kenia verfügt noch nicht über ein funktionierendes Müllentsorgungssystem“, sagt Matee. „Und daher wird auch nur ein winziger Bruchteil des Plastiks recycelt.“

Nzambi Matee
Nzambi Matee leistet mit ihrem kleinen Unternehmen einen innovativen Beitrag gegen das Plastikmüllproblem in Kenia.

Altplastik frisch aufgebacken 

Ihr Unternehmen, Gjenge Makers, lässt das Altplastik daher „verschwinden“. Die Abfälle werden sortiert und zerkleinert und mit von Matee entwickelten Maschinen verarbeitet: Das Plastik wird gemeinsam mit Sand auf rund 400 Grad erhitzt und daraus ein Polymer-Beton gepresst. In der kleinen Fabrikshalle entstehen so tagtäglich rund 1.500 Pflastersteine, die auf Parkplätzen und Schulhöfen für stabile Böden sorgen.

Matees Unternehmen verhindert somit – derzeit noch im kleinen Rahmen – dass Kunststoffabfälle auf Mülldeponien oder in der Natur landen. Gleichzeitig stellt sie Produkte her, die, wie sie sagt, langlebiger und widerstandsfähiger seien als herkömmlicher Beton und dabei auch deutlich günstiger. In Zukunft will sie verstärkt preiswerte Ziegelsteine für Häuser produzieren. „In Kenia fehlen zwei Millionen bezahlbare Wohnungen – und jedes Jahr steigt dieses Defizit um 200.000 Wohneinheiten“, erklärt Matee die riesige Wohnungsnot in ihrer Heimat.

Gjenge Makers
Gjenge Makers beschäftigt mehr als hundert Personen.

Bislang konnte die 31-jährige Jungunternehmerin mehr als hundert Tonnen Plastikabfälle recyceln und 110 Arbeitsplätze schaffen. Mithilfe von Start-up-Financiers wie Impacc aus Deutschland plant sie derzeit die Erweiterung der Produktionskapazitäten, die Verbreitung ihrer Idee durch Onlinetrainings und den Verkauf selbstproduzierter Maschinen.

Koa Impact, Arekapak, Bureo und Gjenge Makers zeigen eindrucksvoll das Potenzial, das in Pflanzenresten und Plastikabfällen steckt. Sie haben innovative Geschäftsideen entwickelt, die skalierbar und umweltfreundlich sind. Obwohl die Unternehmen noch klein sind, fungieren sie bereits jetzt als Wegbereiter für eine nachhaltigere Zukunft.

Fotos: Koa Impact, Arekapak, Patagonia, NetPlus/Westermeyer, Brian Otieno/Gjenge Makers