Von Ihnen stammt RTS,S, der Impfstoff für die Malariakampagne in Malawi. Wie und über welchen Zeitraum wurde dieser entwickelt?
Schuerman: 1986 hat das Impfteam in Belgien seine Arbeit aufgenommen. Zum Durchbruch führte eine 1997 veröffentlichte Studie, bei der sechs von sieben Freiwilligen durch den Impfstoff gegen Malaria geschützt wurden. Daraufhin folgten klinische Studien in Afrika und 2015 schließlich die Lizenzierung des Impfstoffes
Was muss passieren, bis aus einem Forschungsdurchbruch ein zugelassener Impfstoff wird?
Schuerman: 1997 haben wir ja nur an sieben Freiwilligen getestet. Daraufhin sind wir nach Afrika in die Malariaregionen gegangen und haben erst Erwachsene und dann Kinder geimpft. Dabei muss man sehr vorsichtig vorgehen, und es dauert Jahre, bis man schließlich auch Neugeborene miteinbeziehen kann. Der Impfstoff wurde noch einmal leicht verändert, und mit der finalen Version mussten weitere Studien gemacht werden. Vor zehn Jahren hatten wir genug Daten, um an elf Orten in sieben afrikanischen Ländern eine sogenannte Phase- Drei-Studie durchzuführen. Dabei kam heraus, dass vier von zehn Malariafällen durch die Impfung verhindert werden können.
30 Jahre Forschung, 40 Prozent Erfolgsaussichten, rund eine Mrd. Euro Investment: Was macht den Kampf gegen Malaria so kompliziert?
Schuerman: Malaria ist kein Virus oder Bakterium, sondern ein Parasit. Und Malaria-Parasiten verändern sich mehrmals: Der von der Mücke injizierte Parasit bleibt nur etwa 30 Minuten im Kreislauf. Danach versteckt er sich intrazellulär in der Leber. Wenn er aus der Leber kommt und anfängt, die roten Blutkörperchen zu infizieren, ist er bereits ein ganz anderer Parasit als der vorangegangene. Und es gibt sogar noch eine dritte Form, die Mücken reinfiziert. Deshalb ist es so kompliziert, einen Impfstoff gegen Malaria zu entwickeln. Wenn man mit Immunologen oder Vakzinologen spricht, beanstanden diese, dass der Impfstoff nur zu 40 Prozent wirkt. Sie sind Impfstoffe wie jene gegen Masern gewohnt, die fast hundertprozentig wirksam sind. Wenn Sie aber mit Malaria-Experten sprechen, dann zeigen sich diese begeistert. Weil sie keine Werkzeuge kennen, die wirksamer sind als diese 40 Prozent. Eine solche Impfung ist also ein sehr wichtiger Schritt nach vorne. Das sehen auch die Menschen in den betroffenen Ländern so. Malaria ist dort so bekannt, dass Mütter für diesen Impfstoff Schlange stehen. Und diese Impfung dient zugleich als Chance, auch die Abdeckung weiterer Impfstoffe zu verbessern. Darüber hinaus arbeiten wir daran, die Effizienz des Malariaimpfstoffes weiter zu verbessern.
Tuberkulose fordert noch mehr Todesfälle als Malaria, weltweit mehr als eine Million jährlich. Nun hat GSK auch diesen Kampf aufgenommen.
Schuerman: Bis heute waren Tuberkuloseimpfungen nicht sonderlich erfolgreich, das könnte sich bald ändern. Wir befinden uns in Phase-Zwei der Entwicklung eines Tuberkuloseimpfstoffes: Wir haben einen Versuch mit 3.000 Probanden in Südafrika, Sambia und Kenia durchgeführt. Und dabei gezeigt, dass der Impfstoff in der Lage ist, die Zahl der Krankheitsfälle um die Hälfte zu reduzieren. Das ist wirklich ein Durchbruch, das hat noch kein Impfstoff zuvor geschafft.
Die Pharmaindustrie genießt nicht überall den besten Ruf. Wie vereinbart GSK Profitinteressen eines Unternehmens und gesellschaftlichen Auftrag?
Schuerman: Natürlich müssen wir einen Weg finden, um die Impfstoffe für das Unternehmen finanziell tragbar zu machen, aber grundsätzlich kalkuliere ich die Rendite bei unseren Global Health Projekten lieber in Form von Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit als in Form von finanziellen Renditen. Und diese Auswirkungen sind groß: Mit unseren Impfstoffen verhindern wir alle drei bis vier Minuten den Tod eines Kindes.
Vielen Dank für das Gespräch!