Vor neun Jahren haben Sie ein Programm zur Weiterentwicklung von Social Impact Start-ups unter dem Dach des Welternährungsprogramms aufgebaut. Was war der zugrunde liegende Gedanke?
Bernhard Kowatsch: Als ich die Gelegenheit bekam, den Innovation Accelerator zu gründen, war das Ziel klar: Wir wollten Start-ups und kluge Köpfe finden, die innovative Ideen haben und diese mit den Herausforderungen im globalen Süden verbinden können. Es geht um Lösungen für drängende Probleme wie Hunger, Klimakrise oder Nothilfe. Dabei ließen wir uns von der Frage leiten, wie Silicon Valley funktioniert und wie wir dessen Erfolgsmodell für globale Social Impact Herausforderungen replizieren könnten. So entstand im Jahr 2015 der Innovation Accelerator. Heute führen wir 20 Programme parallel durch, darunter auch den österreichischen Kofi Annan Award for Innovation in Africa.
Angesichts der Tatsache, dass Sie für die zweite Runde des Kofi Annan Awards heuer mehr als 800 Bewerbungen erhalten haben, aber nur neun Plätze vergeben können – wie filtern Sie die vielen Teilnehmer?
Kowatsch: Unser offener Innovationsansatz lädt jeden ein, sich bei uns zu bewerben. Wir wollen die Zugangshürden bewusst niedrig halten. Wir suchen nach Teams, die das größte Potenzial haben, positiven Impact zu generieren. Die Innovationskraft der Idee, das Skalierungspotenzial und ein tragfähiges Geschäftsmodell stehen dabei im Vordergrund, egal ob es sich um ein For-Profit- oder ein Non-Profit-Start-up handelt. Selbst wenn ein Start-up aktuell vielleicht nur hundert Menschen erreicht, stellen wir uns die Frage, ob es potenziell eine Million oder sogar zehn Millionen Menschen erreichen könnte? Zudem spielt die Teamstärke eine entscheidende Rolle, denn starke Teams können auch durchschnittliche Ideen zum Erfolg führen, während schwache Teams selbst die besten Konzepte nicht umsetzen können. Für uns zählt also nicht nur die Idee auf dem Papier, sondern auch die Menschen dahinter und ihre Fähigkeit, diese zu realisieren.
In Anbetracht der Vielzahl an Accelerator- und Inkubationsprogrammen in Afrika, wie beurteilen Sie Start-ups, die bereits an anderen Programmen teilgenommen haben?
Kowatsch: Die Teilnahme an einem Start-up-Programm oder Accelerator sehe ich grundsätzlich als Qualitätsstempel, also positiv. Das wird auch von Investoren meist so bewertet. Sollte ein Start-up allerdings bereits ein sehr ähnliches Programm durchlaufen haben wie unseres, stellen wir uns schon die Frage, welchen zusätzlichen Mehrwert wir bieten können. Es ist wichtig, dass Start-ups ein nachhaltiges Geschäftskonzept haben und nicht darauf bauen, nur an Acceleratorprogrammen teilzunehmen.
Welches Risiko sehen Sie darin, Start-ups möglicherweise zu schnell zu groß zu machen beziehungsweise zu überfördern?
Kowatsch: Die Gefahr einer Überförderung bewerte ich als gering. Vielmehr ist das Potenzial für Investitionen und die dringende Notwendigkeit für Lösungen, insbesondere im Kampf gegen den Klimawandel und die weltweite Hungerkrise, enorm. Wir brauchen die Lösungen jetzt riesig und nicht in fünf Jahren klein. Prinzipiell ist es so, dass Venture Capital und Start-up Unterstützung vor allem in Healthtech oder Biotech fließen und relativ wenig in den Food-Bereich investiert wird – und noch weniger, wenn wir Richtung Afrika und Entwicklungsländer schauen.
Woran machen Sie den Erfolg des Innovation Accelerators fest?
Kowatsch: Wir schauen uns zwei Dinge an. Wie viele Menschen erreichen unsere Start-ups? Und wie viel an Fördermitteln sammeln sie ein? Unsere Start-ups haben bereits über 60 Millionen Menschen erreicht und zusätzlich zu unseren eigenen Investitionen 295 Mio. Dollar an Investitionen angezogen. Das zeigt, dass sie auch nach der Accelerator-Phase weiterwachsen.