Interview

Nicht bloß Quotendiskussionen

Ausgabe 77 – September | Oktober 2018

Manfred Wondrak ist Unternehmensberater und Diversity-Experte und betont, dass Unternehmen das Thema nicht rein aus moralischen Verpflichtungen angehen sollten, sondern um durch gezielte Diversität strategische Wettbewerbsvorteile zu erreichen.

Manfred Wondrak
Das Thema Diversität ist in aller Munde – und wird sowohl unter soziomoralischen als auch ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert. Wie hilft Diversität einem Unternehmen?

Wondrak: Diversität hilft uns, festgefahrenes Gruppendenken aufzubrechen und so eine Perspektiven- und Meinungsvielfalt in unsere Entscheidungen einfließen zu lassen, um wettbewerbsfähiger und resilienter zu werden gegenüber all den Komplexitäten und Veränderungen in der Umwelt. Für alle diejenigen, die Diversität immer als „Gutmenschentum“ bezeichnet haben, gewinnt diese kognitive Diversität durch die ökonomische Relevanz an Überzeugung.

Kognitive Diversität?

Wondrak: In Amerika sagt man dazu „Diversity of Thoughts“, also Diversität der Gedanken. Wie löse ich Probleme durch das Einfließenlassen unterschiedlicher Perspektiven?

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wondrak: Der IWF hat sich 2009 die Frage gestellt: Wieso haben wir die Finanzkrise nicht vorausgesehen? Die darauffolgende Studie zeigt, dass es diese Analyse nicht gab, weil die Entscheidungsgremien beim IWF zu homogen besetzt waren. Sie hatten die bestausgebildeten Männer aus Eliteinstituten aus der westlichen Welt, die jedoch alle ähnlich dachten. Das waren fast nur Ökonomen und keine Finanzexperten. Daher hatten sie zwar sehr gute wirtschaftliche Analysen, aber der Konnex zu Finanzen wurde nicht berücksichtigt. Zudem gab es einige Mitarbeiter, die zwar die richtige Analyse für sich gefunden hatten, sich aber nicht trauten, diese zu kommunizieren, weil sie Angst um ihre Karriere hatten. Der IWF kam nach der Studie zum Ergebnis: Wir müssen in Zukunft unsere Gremien vielfältiger gestalten, wir brauchen unterschiedliche Sichtweisen, um Komplexität besser abbilden zu können und zu besseren Entscheidungen zu kommen.

Gilt das auch für die Diskussion um Frauen im Top-Management?

Wondrak: Viele Kritiker sagen: Es geht nicht um Mann oder Frau, ich brauche die besten Leute. Doch im Zusammenhang mit der kognitiven Diversität gelangt die Frau ja nicht nur in den Vorstand, weil es demografisch eine Ausgeglichenheit bringt, sondern weil den Entscheidungsgremien dadurch unterschiedliche Sichtweisen und Perspektiven hinzugefügt werden. Wenn die Frau genauso denkt wie die restlichen Kollegen im Vorstand, wird sich nicht allzu viel ändern. Hilfreich ist das Ganze nur dann, wenn die Frau auch tatsächlich andere Perspektiven mit hineinbringt. Werner Hoffmann von der Wirtschaftsuniversiät Wien hat anlässlich einer Studie zu Diversität gesagt: Eigentlich bräuchten die österreichischen Aufsichtsräte nicht nur eine Frau, sondern eine Frau, die aus Asien kommt und eine technische Ausbildung hat. Denn das fehlt hierzulande in den meisten Vorstandsetagen.

Ist dieser Diversity-Gedanke auch bei österreichischen Unternehmen angekommen?

Wondrak: Die Mehrheit der österreichischen Unternehmen greift das Thema Diversität auf, weil es gesellschaftlich modern ist, weil es gewisse Verpflichtungen und Druck von außen gibt, in Form von Gesetzen, aber auch von Stakeholdern, die es immer mehr einfordern. Diversität wird da vor allem noch als eine „Gutmenschensache“ gesehen. Wenn ich mit Unternehmen arbeite, ist die erste Reaktion häufig: Oh Gott, wir haben wieder eine Quotendiskussion. Diversität ist im Moment vielerorts ein Reizwort.

Was braucht es also?

Wondrak: Diversity hat nicht nur mit Maßnahmen zu tun, sondern es bedeutet wirklich einen Mindset-Wechsel. Wenn ein Unternehmen mit dieser Reise beginnt, muss zuerst der Business-Kontext hergestellt werden. Was sind die Vorteile für das Unternehmen, für die Führungskräfte, für die Mitarbeiter, für die Stakeholder, für jeden einzelnen? Wenn ein Unternehmen Diversität danach immer noch nur als Muss sieht und nicht als strategischen Wettbewerbsfaktor, dann wird es schwierig in der Umsetzung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Daniel Auer

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