Diese Hitze! Nicht nur Angestellte in unklimatisierten Büros und Familien im Verkehrsstau Richtung Süden kamen in den vergangenen Wochen ins Schwitzen, sondern vor allem auch die Landwirte, wenn es für sie auch korrekter heißen müsste: Diese Dürre! Der fehlende Niederschlag hat in Österreich zu regionalen Ernteausfällen geführt, der Schaden für die heimische Landwirtschaft beläuft sich auf rund 210 Millionen Euro, mehr als je zuvor aufgrund von Dürren, wie die Österreichische Hagelversicherung meldete. Auch in der deutschen Landwirtschaft haben die vergangenen Wochen Spuren hinterlassen, Bauern klagen dort über ein mehr als zwanzigprozentiges Ernteminus. Und Griechenland trifft es noch deutlich verheerender: Waldbrände, deren rasante Ausbreitung von der Dürre und starken Winden begünstigt wurde, kosteten fast hundert Menschen das Leben und zerstörten Siedlungen und Wälder über dutzende Quadratkilometer.
Ein Wort, das im Zusammenhang mit all den wetterbedingten Katastrophen immer wieder auftaucht, lautet: Resilienz. Vom lateinischen Verb resilire (abprallen, zurückfedern) stammend, wird unter Resilienz gemeinhin Widerstandsfähigkeit verstanden. Resilienz gegenüber Ernteausfällen ist dabei vor allem in Entwicklungsländern ein großes Thema, Dürren sind dort ein regelmäßig wiederkehrendes Problem. Die R4 Rural Resilience Initiative des Welternährungsprogramms (WFP) begegnet dem mit einer eigenen Resilienzstrategie. Diese baut auf mehreren Säulen auf: Risikominimierung durch die Errichtung von Gräben und Versickerungsanlagen, Risikotransfer durch Versicherungsangebote für zehntausende Kleinbauern und Risikorücklagen etwa durch die Gründung von Fonds und Spargemeinschaften.
Interview mit Manfred Wondrak
Nicht bloß Quotendiskussionen
Beim Forum Alpbach wurde angesichts der klimatischen Herausforderungen etwa über Finanzierungsmöglichkeiten klimafreundlicher Technologien und den Aufbau grüner Infrastruktur gesprochen. Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger und Verbund-Vorstand Michael Amerer gehörten hier zu den Diskutanten.
Resiliente Unternehmen
Doch nicht nur bei wetterbedingten Turbulenzen ist Resilienz in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Schlagwort geworden. Auch im Management wird über resiliente Unternehmen diskutiert. Die Resilience Action Initiative RAI – ein Zusammenschluss global agierender Unternehmen wie Unilever, Shell und Siemens – definiert Resilienz im Unternehmenskontext als die Fähigkeit, Störfaktoren zu absorbieren, sich zu verändern, zu reorganisieren und aus diesen Prozessen zu lernen. Resiliente Unternehmen können selbst in einem fragilen Kontext Risiken abschätzen, vorbeugen und Krisen unbeschadet überstehen.
Laut der RAI sollte ein Unternehmen drei Resilienzbereiche parallel im Blick haben. Die strukturelle Resilienz bezieht sich auf das unternehmensinterne System, die integrative Resilienz betont die Verflechtung des Unternehmens mit seinem Umfeld und die transformative Resilienz unterstreicht, dass zukünftige Risikoabmilderung nur durch eine stetige Weiterentwicklung des Unternehmens zu gewährleisten ist – dass das Unternehmen etwa nach einem Schock nicht bloß möglichst schnell zu seinem Ausgangspunkt zurückkehrt, sondern dass es sich weiterentwickelt und neue Initiativen startet, um zukünftig schneller auf neue Herausforderungen reagieren zu können. Das wird bisweilen auch als „Resilienzdividende“ bezeichnet.
Bei den Wirtschaftsgesprächen in Alpbach wurden in diesem Zusammenhang unter anderem die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt und die Aufgabe für Unternehmen, den durch die digitale Transformation hervorgerufenen Veränderungen adäquat und resilient zu begegnen, thematisiert.
Infobox: Resilienzbedarf
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat mehr als 12.000 Führungskräfte aus aller Welt nach den größten globalen Business-Risiken 2018 gefragt.
Die größten Risiken für Unternehmen
1. Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
2. Staatsverschuldung
3. schlechte Regierungsführung
4. volatile Energiepreise
5. soziale Unruhen
6. Banken- oder Finanzkrise
7. Ausfall kritischer Infrastruktur
8. Cyberangriffe
9. zwischenstaatliche Konflikte
10. Terroranschläge
Resiliente Städte
Die globalisierten Wirtschaftsbeziehungen führen dazu, dass das Thema Resilienz immer stärker in globalen Zusammenhängen und Partnerschaften gedacht wird – und gedacht werden muss. Schließlich können etwa durch Naturkatastrophen hervorgerufene Produktionsausfälle auf der einen Seite der Erde zu Lieferengpässen auf der anderen führen.
Vor allem im Bereich der Infrastruktur schließen sich nun immer mehr Städte und Regionen zusammen, um gemeinsam resilienter zu werden. Unter dem Dach der Rockefeller-Stiftung haben sich 100 Städte aus aller Welt – von Bangkok über Addis Abeba bis Buenos Aires – vernetzt. In den teilnehmenden Städten kümmert sich mittlerweile jeweils ein sogenannter Chief Resilience Officer CRO mithilfe von Politik, Wirtschaft und NGO um die Koordinierung der Resilienzbemühungen und -kooperationen.
Doch trotz der vielerorts befürworteten Bemühungen um resiliente Städte, Regionen und Unternehmen ist der Resilienzbegriff selbst nicht unumstritten. Kritiker bemängeln, dass in der Resilienzperspektive Krisen als Normalzustand präsentiert werden und die Notwendigkeit einer nachhaltigen Politik durch die rein reaktive Konzentration auf Widerstandskraft in den Hintergrund gerät. Zudem besteht die Gefahr, dass der flächendeckende Fokus auf Resilienz zu einem inflationären und damit wenig differenzierten Gebrauch des Krisenbegriffs führt.
Unabhängig gemeinsam
Auch das zweite Alpbacher Schlagwort Diversität ist facettenreich. Grundsätzlich ist Diversität ein Konzept, das sich auf die gegebene menschliche Vielfalt bezieht und Gesellschaften sowie Unternehmen zur aktiven Herstellung von Chancengleichheit für benachteiligte Gruppen anhält. Als eigenes Konzept hat Diversität seine Wurzeln in der Bürgerrechtsbewegung in den USA und wurde in den ersten Jahrzehnten vor allem unter soziomoralischen Gesichtspunkten als soziale Verantwortung, Anti-Diskriminierung und Förderung von Minderheiten thematisiert. Seit einigen Jahren entdeckt aber auch die Wirtschaft das Thema und betont die Chance, die gegebene Vielfalt von Mitarbeitern gewinnbringend zu nutzen.
Im Diversity-Management, also dem Management von Vielfalt im Personalwesen, werden sechs Kerndimensionen der Diversität ausgemacht, die in Österreich gesetzlich vor Diskriminierung geschützt sind: Alter, Geschlecht, Religion, ethnische Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung und physische Fähigkeiten. Diversity-Coach Manfred Wondrak erklärt im Interview, dass darüber hinaus auch eine Diversität an Gedanken und Perspektiven vor allem im Unternehmenskontext eine immer größere Rolle spielt. Diese Vielfalt an Sichtweisen soll für Unternehmen zu einer größeren Auswahl an Optionen führen – mit der Konsequenz, dass an die Stelle eines antiquierten Entweder-oder-Denkens immer häufiger ein Sowohl-als-auch tritt. Der US-amerikanische Verleger Malcom Forbes bezeichnete Diversity in diesem Zusammenhang einmal als „die Kunst, unabhängig gemeinsam zu denken“.
Diese Kunst führt zu Profiten: Eine McKinsey-Studie, die Anfang des Jahres veröffentlicht wurde, ist auf Basis einer Untersuchung von 1.000 Unternehmen in zwölf Ländern zu dem Schluss gekommen, dass Unternehmen, die einen hohen Grad an Diversität aufweisen, überdurchschnittlich profitabel sind. Laut McKinsey wird Vielfalt am effektivsten eingesetzt, wenn nach objektiven Kriterien, etwa durch den Einsatz von People Analytics, befördert werde.
Befördern will das Forum Alpbach Diskussionen dieser Art, um die beiden Schlüsselbegriffe Diversität und Resilienz im Kontext einer von Wandel und Umbrüchen geprägten Welt besser einordnen zu können. Dass Diversität und Resilienz dabei nicht als bloß nebeneinander stehende Konzepte begriffen werden, machte Forums-Präsident Franz Fischler schon vor Beginn des Forums klar: „Diversität ist eine der zentralen Möglichkeiten, wie man die Resilienz stärken kann, das ist eigentlich unser Anliegen.“