3D-Konstruktionsdrucker
Mit 3D-Konstruktionsdruckern wird aktuell weltweit experimentiert.

Heinz Trebbins Reisepass ist mit bunten Stempeln dicht bedruckt. Seit mehr als drei Jahrzehnten reist der Allgäuer um den Globus, von Tansania über Pakistan und Kambodscha bis El Salvador. Da wie dort ist er in besonderer Mission unterwegs: Der Orthopädietechnikmeister verhilft Menschen mit Amputationen in ärmeren Ländern zu passenden Prothesen. 

Orthopädietechnikmeister Heinz Trebbin hilft weltweit Menschen mit Amputationen.

Der Bedarf dafür sei groß, sagt Trebbin: „Weltweit kommt auf tausend Menschen etwa ein Amputierter, wobei ärmere Länder eine höhere Rate aufweisen. In neun von zehn Fällen sind Fußprothesen gefragt, denn auch in Entwicklungsregionen leiden immer mehr Menschen an Diabetes, einer Hauptursache für Fußamputationen. Hinzu kommen Unfälle und Verletzungen durch Kriege und Landminen.“ Trebbin hilft, indem er lokale Orthopädietechniker schult und prüft und für die Patienten funktionale, erschwingliche Lösungen entwickelt. Seit gut zehn Jahren setzt er dabei nicht nur auf traditionelle Methoden, sondern auch auf 3D-Drucktechnologie.

 

3D-Druck: Schicht für Schicht

3D-Druck existiert bereits seit den 1980er Jahren und ist auch als Additive Fertigung bekannt. Dabei setzen Maschinen feine Materialschichten so präzise aufeinander, dass einzigartige dreidimensionale Gegenstände entstehen. 3D-Druck ist mit vielen Materialien wie Kunststoffen, Carbon, Metallen, Keramik, Beton oder Harzen möglich, die Liste neuer Werkstoffe wird laufend umfangreicher. Heute werden mit 3D-Druckern Prototypen und Endbauteile für Flugzeuge und Autokarosserien erstellt, E-Bikes, Brillengestelle und Filmkostüme produziert, sogar vegane Steaks gedruckt. Entsprechend breitgefächert ist die Kundschaft von Unternehmen, die 3D-Druckservices anbieten, wie Akinwole Akinpelu, CEO von Stampar3D in Nigeria, im Interview erzählt. 

Interview mit Akinwole Akinpelu, CEO von Stampar3D

Akinwole Akinpelu

Pionierarbeit in Nigeria

Sie bieten 3D-Druckdienstleistungen in Nigeria an. Welche Kunden oder Branchen wenden sich an Ihr Unternehmen Stampar3D und was drucken sie? Akinwole Akinpelu: Wir haben ein...

Erschwingliche Drucker gibt es – im dreistelligen Euro-Bereich – längst auch für daheim, sodass der Eigenproduktion von Entenfiguren, Weihnachtssternen und Schraubverschlüssen nichts im Wege steht, sofern man eine Vorlage, nach der der Drucker arbeitet, parat hat. Die kann, muss man aber nicht selbst entwickeln, denn allein auf der Plattform Thingiverse finden sich zwei Millionen Gratisvorlagen. 

Heinz Trebbin
Heinz Trebbin

Zurück zu Heinz Trebbin, der im 3D-Druck speziell Chancen für die Versorgung seiner Patienten in Entwicklungsregionen sieht. „Gerade in ländlichen Gebieten fehlt es oft an guten Orthopädietechnikern. Doch heute ist es möglich, dass auch ein weniger gut ausgebildeter Techniker den Beinstumpf eines Patienten mit seinem Handy fotografiert oder scannt und ein Profi irgendwo auf der Welt mit diesen Informationen ein individuelles 3D-Modell für den Prothesenschaft erstellt“, so Trebbin. Das 3D-Modell lässt sich wiederum lokal mit einem günstigen Drucker und Kunststoffen wie PLA oder Polypropylen ausdrucken, womit sich dann eine einfache, stabile Prothese mit Adapter, Rohr und Fuß fertigen lässt. „Ist der Patient leichtgewichtig, lässt sich sogar die ganze Prothese ausdrucken“, so Trebbin, der selbst auch aus der Ferne hilft.

3D Druck Prothesen
Individuelle Prothesen-Teile aus dem 3D-Drucker.

Nicht nur Beinprothesen, sondern auch Hörgeräte, Schuheinlagen, Korrekturkorsette, Augenprothesen, Zahnimplantate oder Computermäuse – also alles, bei dem individuelle Anpassung punktet – kommen heute aus 3D-Druckern. „Die Qualität und Langlebigkeit der Produkte schwankt je nach Drucker und Material. Geräte um mehrere hunderttausend Euro können auch Kohlefaser oder Titanpartikel für besonders stabile Ergebnisse verarbeiten, diese wird man in Entwicklungsländern aber selten finden. Da 3D-Drucktechnologie sehr innovativ ist, erwarte ich viel Positives für die Zukunft“, so Trebbin.

3D-Drucker: Werkzeug im Krisenfall

Vor allem in Notsituationen können 3D-Drucker nützlich sein. In den Anfängen der Coronapandemie wurden beispielsweise Gesichtsschilder oder Ventile für Beamtungsgeräte gedruckt, bis dann traditionelle Hersteller die Massenfertigung übernahmen. Für die kalifornische NGO Field Ready ist 3D-Druck seit mehr als zehn Jahren ein wichtiges Tool bei Auslandseinsätzen: Das aus Katastrophenhelfern und Ingenieuren bestehende Team reist zum Einsatz in die Krisengebiete dieser Welt, etwa nach Nepal nach dem verheerenden Erdbeben, auf hurrikangeplagte karibische Inseln oder ins kriegsgebeutelte Syrien. 

Field Ready
Lokal gefertigt: In Krisengebieten setzt die NGO Field Ready auch auf Ersatzteile aus dem 3D-Drucker.

Vor Ort versuchen die Mitarbeiter herauszufinden, welche Gegenstände oder Ersatzteile dringend benötigt werden, um in erster Linie die Wasser- oder Energieversorgung wiederherzustellen oder medizinisches Personal zu unterstützen. Lassen sich wichtige Teile aufgrund von Lieferengpässen nicht zukaufen, stellt man sie eben selbst her. „Field Ready wurde gegründet, um nützliche Dinge an schwierigen Orten zu produzieren. Wir haben einen 150 Seiten-Katalog mit Lösungen wie Klemmen, Halterungen, Zangen, Pfeifen oder Handschienen“, erklärt Gründer Eric James, dessen Organisation auch schon als „MacGyver für Kriegsgebiete“ bezeichnet wurde.

Field ready
Ersatzteile aus dem 3D-Drucker von Field Ready

„Wir setzen unterschiedliche Maschinen, Techniken und Technologien ein, darunter den 3D-Druck. Dieser ist immer dann hilfreich, wenn ein Objekt einzigartig ist oder nur in geringer Anzahl gebraucht wird, wie Rohrverschraubungen, um Wasserleitungen zu reparieren oder Ersatzteile für medizinische Geräte“, so James. Einige der Druckvorlagen sind über Thingiverse abrufbar, ansonsten bedient sich die Organisation einer eigenen App zur Herstellung neuer Vorlagen. 

Field Ready Mitarbeiter bilden auch Menschen in den Krisengebieten aus. Im Bild: Haiti

Darüber hinaus bilden die Field Ready-Mitarbeiter Menschen in Katastrophengebieten aus und überlassen ihnen die Ausrüstung, so dass diese selbständig weiter arbeiten können. So wie Trebbin glaubt auch James, dass in der Technologie noch viel Potenzial steckt: „Die Vorteile des 3D-Drucks bestehen darin, dass sich Verfügbarkeit, Nutzen und Funktionalität laufend verbessern, während die Kosten sinken. Wir haben dies seit dem Start von Field Ready vor zehn Jahren unmittelbar gesehen.“

Bauen unter Druck

Es war nur eine Frage der Zeit, bis der 3D-Druck auch in der Baubranche auftauchen würde: In Amsterdam und Tianjin kann man heute über 3D-gedruckte Fußgängerbrücken flanieren, auf den Philippinen in einem Print-Hotelzimmer nächtigen, in der Strabag-Niederlassung in Hausleiten in einem 3D-Druck-Büro arbeiten oder in Beckum in Deutschland auf 160 Quadratmetern und zwei Stockwerken den Traum vom 3D-Druck-Eigenheim erleben. 

Zu den Unternehmen, die hier Pionierarbeit leisten, zählt COBOD aus Dänemark, dessen Name für Construction Of Buildings On Demand steht. COBODs Mission lautet, die globale Baubranche durch 3D-Drucksysteme verändern zu wollen. Noch stehe man am Beginn, sagt Marketingchef Philip Knudsen, doch würden 3D-Drucker auf Baustellen in ein paar Jahren zur Normalität gehören. Sein Unternehmen produziert die riesigen Konstruktionsdrucker, die im Schnitt rund eine halbe Million Dollar kosten, und schickt sie in Containern in alle Welt. Gut ausgebildete Leute können den kranähnlichen Aufbau, auf dem sich eine aufgehängte Düse zum Gießen von Beton bewegt, innerhalb eines Tages betriebsbereit machen. Die Geräte drucken sowohl Fundamente als auch Wände. 

Interview mit Philip Knudsen, COBOD

Philip Knudsen

3DCP: Mit Druck die Baubranche verändern

Die 3D-Drucker von COBOD haben schon Schulgebäude, Wohnhäuser und Bürozubauten gedruckt. Für Marketingchef Philip Knudsen befindet sich 3D Concrete Printing noch lange nicht am Ziel.

3D Concrete Printing (3DCP) sei nicht nur interessant für Baufirmen im Hauptmarkt USA, sagt Knudsen, sondern auch für Kunden in Entwicklungsregionen von Guatemala über Indien bis Borneo. Auf dem afrikanischen Kontinent, genauer gesagt in Malawi, Madagaskar, Kenia und Angola, wurden mit COBOD-Printern bereits sechs Bauprojekte realisiert. So hat der angolanische Kunde Power2Build im Jahr 2021 das erste 3D-gedruckte Wohnhaus Afrikas gebaut: Für 53 Quadratmeter Wohnfläche war der Drucker 48 Stunden im Einsatz.

3D-Haus in Angola
Das größte 3D-gedruckte Gebäude Afrikas wurde 2022 in Angola errichtet.

Heuer folgte das zweite Haus mit 140 Quadratmetern, das in 30 Stunden gedruckt worden sein soll. Zeitgleich lassen sich laut COBOD auch die Wasser- und Elektroinstallationen durchführen. „In der Zukunft werden wir diese Technologie immer besser beherrschen. Damit kommen wir unserer Vision näher, angolanischen Familien besseren Wohnraum zu erschwinglichen Preisen zu liefern“, glaubt Kunde Ricardo Almeida, CEO von Power2Build. Günstige Preise sollen möglich werden, indem die Drucker mit lokalen Materalien, angereichert durch ein Zusatzmittel, arbeiten.

Große Pläne für den 3D-Druck im Bauwesen

Noch steckt der 3D-Druck im Bausektor in den Anfängen, doch mehr und auch größere Projekte – wie Wohnhausanlagen auf den Philippinen oder in Kenia – sind im Entstehen. Laut Knudsen steht die Revolution in der Branche bevor, vor allem wenn 3D-Drucker künftig mit automatisierten Baurobotern zusammenarbeiten, die weitere Aufgaben übernehmen. Übrigens sind auch österreichische Unternehmen dabei, Bauprozesse neu zu denken – so hat die Umdasch Gruppe kürzlich einen mobilen 3D-Betondrucker präsentiert, während Wienerberger mit 3D-Modellen für die Produktentwicklung und Visualisierung arbeitet und kürzlich ein Ziegelhaus von einem Bauroboter errichten ließ. Und niemand geringerer als die NASA lässt derzeit ein 3D-Druck- und Bausystem konzipieren – für den Einsatz am Mond. 

Fans des automatisierten Baus sehen große Chancen darin, nicht nur das Problem fehlender Fachkräfte zu mildern, sondern auch ressourceneffizient zu arbeiten, da der Drucker die Materialienmengen genau kennt und so Abfälle einsparen kann. Das senke Kosten und helfe dem Klima, so Knudsen, schließlich sei Zement ein riesiger C02-Emittent: „Eine Win-Win-Situation.“

Ob das neue Fertigungsverfahren wirklich besser und sogar erschwinglicher sein kann als Fertigteilbau oder traditionelle Bauweisen, wird die Zukunft weisen. Als Lösung für individuelle medizinische Bedürfnisse oder für den akuten Bedarf an Kleinteilen scheint der 3D-Druck seine Raison d’être hingegen bereits bewiesen zu haben. 

Fotos: Power2Build, Field Ready, Heinz Trebbin, Akinpelu, Nidus3D