Enda
Mit Laufschuhen der Marke Enda wird nicht nur in Kenia trainiert.

Ein Blick in die eigene Küche, ins Badezimmer oder in den Kleiderkasten zeigt schnell: Markenprodukte aus Afrika sind darin vermutlich kaum zu finden. Indirekt ist unser Nachbarkontinent sehr wohl präsent: Viele Produkte, vom Schokoladeneis über die Bettwäsche bis zum Smartphone, enthalten Rohstoffe, die in Afrika gewonnen wurden – doch anderswo verarbeitet und veredelt. „In typischen europäischen Haushalten sind vermutlich nur zwei oder drei Produkte mit vorwiegender Wertschöpfung in Afrika zu finden“, schätzt der deutsche Unternehmer Jan-Marc Lischka.

Für den ausgebildeten Produktionstechniker und Chief Operating Officer mit langjähriger Erfahrung in Fabriken weltweit ist schon lange klar: Das große wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Europa und Afrika kann nur verringert werden, wenn in Afrika deutlich mehr Wertschöpfung und Produktion als bisher stattfinden. 

Lischka beschäftigt sich nicht nur theoretisch mit der wirtschaftlichen Entwicklung Afrikas, er will sie auch aktiv vorantreiben: Im Jahr 2020, inmitten der Pandemie, gründete er zusammen mit der Kamerunerin Alexandra Ngandeu und drei weiteren Partnern den Onlineshop „Manuyoo“. Sie setzten sich zum Ziel, europäischen Konsumenten die unbekannte Markenwelt Afrikas näherzubringen. „In Europa herrscht die Meinung vor, dass es kaum coole afrikanische Produkte gibt. Diese Auffassung gehört revidiert“, so Lischka. Und genau hier setzt Manuyoo an.

Interview mit Jan-Marc Lischka, Manuyoo-Gründer

Jan-Marc-Lischka

Ins Handeln kommen

Mit dem Onlineshop Manuyoo unterstützt Jan-Marc Lischka kleinere afrikanische Hersteller beim für sie oft schwierigen Eintritt in den europäischen Markt. Damit will er in Europa auch ein neues Bild unseres Nachbarkontinents prägen.

Manuyoo: Bühne für Afrika

Manuyoo ist eine Wortneuschöpfung, die sich aus „Manufactured for you“ ableitet und Assoziationen mit Afrika hervorrufen soll. Auf der Website findet sich eine kuratierte Auswahl an Produkten – von Rucksäcken aus Uganda über Tambour-Palmenbrand aus Benin bis hin zu Halsketten aus Südafrika. Aktuell umfasst das Sortiment Erzeugnisse aus zehn afrikanischen Ländern. Das Manuyoo-Team möchte langfristig Produkte aus jedem afrikanischen Land anbieten. 

Um in den Shop aufgenommen zu werden, muss ein Produkt bestimmte Kriterien erfüllen: Ein maßgeblicher Teil der Wertschöpfung sollte in Afrika stattfinden, das beinhaltet sowohl Produktentwicklung als auch zentrale Fertigungsschritte. Zudem werden faire Arbeitsbedingungen und eine hohe Produktqualität vorausgesetzt.

Schnelle Schuhe aus Afrika

Enda Athletic, im Jahr 2016 von Navalayo Osembo und Weldon Kennedy gegründet, gilt als Paradebeispiel für ein solches Unternehmen. Die beiden Gründer entschieden sich, den Erfolg Kenias als Heimat der weltbesten Marathonläufer in einen ökonomischen Nutzen umzuwandeln – und zwar durch die Produktion von Laufschuhen. In Zusammenarbeit mit kenianischen Langstreckenläufern entwickelten sie besonders leichte Laufschuhe. Zudem haben Osembo und Kennedy viel über einen starken, unverwechselbaren Markenauftritt nachgedacht. So bedeutet der Name „Enda“ so viel wie „Los!“ in der Landessprache Kiswahili und verweist auf die motivierenden Rufe bei Sportveranstaltungen. Das Logo, das an eine Speerspitze erinnert, ehrt die kenianische Tradition der Jagdwaffen. Die Ösen für die Schnürsenkel leuchten in den Nationalfarben Rot und Grün. Auf jedem Schuh prangt zudem die Aufschrift „Proudly made in Kenya“.

 

Interview mit Navalayo Osembo, Mitgründern der Laufschuhmarke Enda

Navalayo Osembo

Erfolgslauf

Navalayo Osembo, Mitgründerin der Laufschuh-marke Enda, über „Made in Kenya“ und aktuelle Herausforderungen.

Kenia steckt zum großen Teil auch im Produktionsprozess: Enda lässt die Laufschuhe in einer Fabrik in der Küstenstadt Kilifi herstellen, wodurch rund 70 Menschen eine Beschäftigung finden. Zudem werden die Stoffsäcke, in denen die Schuhe ausgeliefert werden, lokal produziert. Insgesamt sorgen die Schuhe für rund 180 Jobs. „Arbeitsplätze verbessern die Lebensbedingungen Einzelner“, sagt Osembo, „und mithilfe einer Produktionsindustrie entwickelt sich ein Land.“ Noch müssen einige Materialien für die Laufschuhe – speziell die Kunststoffsohlen – aus Asien importiert werden. Doch Enda sucht laufend nach Möglichkeiten, um die Abhängigkeit von asiatischen Lieferanten zu reduzieren. Die Sneakermodelle der Marke bestehen bereits überwiegend aus afrikanischen Materialien wie Baumwolle, Leder und Garn.

Enda Fabrik
Enda Laufschuhe werden in der Küstenstadt Kilifi gefertigt.

Manuyoo: Nah am Kunden

Vor der Auslieferung der Schuhe – 80 Prozent gehen in die USA und 15 Prozent nach Europa – lässt Osembo strenge Qualitätskontrollen durchführen. Denn Enda tritt nicht als Billigmarke auf, sondern als Qualitätsprodukt mit einem Preis von 139 Euro pro Paar Laufschuhe – die übrigens in internationalen Tests regelmäßig Lob einheimsen. 

Manuyoo war der erste Anbieter, der Enda-Schuhe im deutschsprachigen Raum vertrieb, erzählt Lischka. Für viele afrikanische Hersteller ist es anfangs schwer, ihre Produkte selbst auf den Markt zu bringen: Ein direkter Versand nach Europa ist unwirtschaftlich, zudem erwarten Kunden eine rasche Lieferung, einfache Bezahlung und ein volles Rückgaberecht. Daher versenden die Hersteller ihre Ware gebündelt per Flug oder per Schiff an Manuyoos Lager im Süden von Berlin. „Das dauert zwischen zwei und acht Wochen, nicht zuletzt weil die Produkte verzollt werden müssen“, so Lischka. Die Kunden erhalten ihre Bestellungen wie gewohnt in ein bis fünf Tagen.

Das Design der Enda Schuhe verweist mit Farben und Symbolen auf den Produktionsstandort Kenia.

Enda selbst ist mittlerweile so erfolgreich, dass es eine Vielzahl von Vertriebskanälen in Europa aufgebaut und eine eigene Logistikorganisation etabliert hat, erzählt Lischka: „Genau das ist es, was wir anstreben: Langfristig sollen die Partner auf eigenen Beinen stehen.“

Kaeme aus Ghana: Sheabutter & Schwarze Seife

Ein anderes von Manuyoo präsentiertes Unternehmen stammt aus Ghana. Dort gründete Freda Obeng-Ampofo, eine Politik- und Wirtschaftswissenschafterin, im Jahr 2015 die Kosmetikmarke Kaeme, was in ihrer Muttersprache „Erinnere dich an mich“ bedeutet. Sie bezeichnet sich gern als Chief Mix Officer, da sie von Anfang an selbst an der Produktion beteiligt war. Kaeme bietet Duftkerzen, Cremes aus Sheabutter und Kokosöl sowie die in Westafrika traditionelle schwarze Seife mit Aktivkohle.

Obeng-Ampofo sieht sich auf einer Mission: „Große Kosmetikmarken erzielen hohe Gewinne mit aus Afrika importierter Sheabutter. Ghana selbst profitiert nur wenig davon. Unsere Produkte sind nun aber zu 100 Prozent ‚Made in Ghana‘“, erzählt sie. Die Rohstoffe bezieht Kaeme von zwei Kooperativen im Norden des Landes, die Produkte werden in einer Manufaktur in der Hauptstadt Accra gefertigt – noch. Denn Kaeme ist auf Wachstumskurs: Die erste Fabrik wird gerade errichtet.

Kaeme aus Ghana
Gründerin Freda Obeng-Ampofo (Mitte) hat bei der Gründung ihrer Kosmetikmarke Kaeme von Anfang an international gedacht.

Obeng-Ampofo legt Wert darauf, hochwertige Erzeugnisse herzustellen, die internationalen Vorlieben und Standards entsprechen. Hier half ihr Manuyoo: „In Ghana werden Kosmetikprodukte oft stark parfümiert, was bei europäischen Konsumenten weniger gut ankommt“, so Lischka. Mit Hilfe des Kundenfeedbacks entwickelte Kaeme eine Produktlinie für Europa. Zudem unterstützte der Onlineshop bei den Zertifizierungsprozessen für den EU-Markt. „Einen Partner zu haben, der uns durch dieses unbekannte Terrain navigiert, war sehr wichtig für uns“, so Obeng-Ampofo. 

Sheabutter Kaeme
Karma bezieht Sheabutter von kleinen Kooperativen und verarbeitet sie selbst in einer Manufaktur in Accra.

In den Mainstream

Und wie steht es um den jungen Onlineshop selbst? Noch ist der Punkt nicht erreicht, an dem das zehnköpfige Manuyoo-Team profitabel arbeitet. „Wir sind ein Unternehmen, das soziale Wirkung erzielen möchte und legen daher weniger Wert auf Gewinnmaximierung. Aber wir streben natürlich wirtschaftliche Stabilität an“, so Lischka, der das Start-up mit so genanntem Bootstrapping und damit – abgesehen von kleinen Darlehen von Freunden und Familien – ohne externe Finanzierung betreibt. „Da wir impactorientiert arbeiten, sind klassische Investoren für uns nicht der richtige Partner“, sagt er. Partner, die Know-how einbringen, sind allerdings durchaus gesucht: „Wir arbeiten gerade an einem drei-monatigen Qualifikationsprogramm für afrikanische Unternehmen, um ihnen sowohl Wissen über den Markt zu vermitteln als auch alle Voraussetzungen für einen Markteintritt zu verschaffen. Da benötigen wir noch Unterstützung“, so Lischka. 

In der langfristigen Perspektive hofft er, dass es Manuyoo nicht mehr brauchen wird: „Afrikanische Marken sollten in großen Geschäften in Europa leicht erhältlich sein, so dass irgendwann in jedem Haushalt hundert ,Made in Africa‘-Produkte zu finden sind.“ 

Fotos: Manuyoo, Enda, Kaeme