Ein lauter Knall, dann noch einer, Schreie: Nur kurz zuckt die österreichisch-deutsch-schweizerische Reisegruppe zusammen, die beim Abendempfang im Garten der deutschen Botschaft in Dakar gerade mit Vertretern lokaler Start-ups über die Chancen im lokalen Innovationssektor diskutiert. Kein Grund zur Sorge: Der Senegal ist ein friedliches und politisch stabiles Land. Die Böller und lauten Rufe sind Ausdruck der Freude über das soeben zu Ende gegangene Fußballspiel, das dem Senegal wenige Wochen nach dem Triumph bei der Afrikameisterschaft nun auch noch die Teilnahme an der anstehenden Weltmeisterschaft in Katar gesichert hat. 

Auch wirtschaftlich gesehen zeigt der Senegal Dynamik und gilt als Tor in die frankophonen Länder der Region. In diesem Markt wollen sich die Teilnehmer der Reisegruppe – Unternehmer und Konsulenten aus der DACH-Region – nun gute Einstiegsmöglichkeiten sichern. „Im Senegal gehen in vielen Bereichen Entwicklungen vonstatten, von denen wir im deutschsprachigen Raum wenig bis gar nichts mitbekommen. Wir sind hier, um Unternehmen aus dem DACH-Raum in die Innovationsszene eintauchen zu lassen und ihnen neue Partner zu vermitteln. Mit der Reise wollen wir diejenigen verbinden, die noch nicht verbunden sind“, sagt Christoph Mayer, Geschäftsführer des auf das frankophone Afrika spezialisierten österreichischen Beratungsunternehmens Prosper Africa. Gemeinsam mit seinem Kollegen Michael Kollik hat er die so genannte Innovation Mission Dakar 2022 initiiert.

Senegalesische Journalisten interviewen Michael Kollik und Christoph Mayer (re.) von Prosper Africa.
Reges Interesse Senegalesische Journalisten interviewen Michael Kollik und Christoph Mayer (re.) von Prosper Africa.

Erste Eindrücke im Senegal

Dass der Senegal ein Land im Aufbruch ist, wird bereits bei der Anreise sichtbar: Ankunft am etwas außerhalb der Hauptstadt Dakar gelegenen neuen Flughafen, der mit bis zu fünf Millionen Fluggästen jährlich zum regionalen Drehkreuz werden soll. Fahrt über die neue Autobahn in Richtung Stadtzentrum, vorbei an Diamniadio, einer Vorstadt, die zur Großstadt werden soll. Hier steht das nagelneue Nationalstadion, in dem auch das erfolgreiche Fußballmatch stattfand, wenige Kilometer entfernt erhebt sich eine große Mehrzweckhalle, die auch für Messen genutzt wird. Eine neu errichtete Sonderwirtschaftszone soll internationale Unternehmen anziehen und Diamniadio zu einem Innovationshotspot werden. Auch Teile der Regierungsgeschäfte werden hierher verlegt, inklusive eines neuen Amtsitzes für den Staatspräsidenten Macky Sall, der das Stadtentwicklungsprojekt im Rahmen eines von internationalen Geldgebern finanzierten Entwicklungsplans (Plan Sénégal Emergent) vorantreibt. Flughafen, Autobahn, Stadion, Halle: Weit mehr als eine Milliarde Euro wurden allein in diese Projekte investiert, dazu mehr als zwei Milliarden in eine Zugverbindung vom Flughafen über Diamniadio nach Dakar. 

Der Senegal: Ein Land im Aufbruch

Karte Senegals
Der Senegal erstreckt sich von der Sahara bis in den Dschungel. Dakar war bereits die Hauptstadt des französischen Kolonialreiches am Kontinent.

Höchste Zeit also, sich den Senegal genauer anzuschauen. Das sieht auch die österreichische Wirtschaftsdelegierte Eva Frei so, die den Senegal vom marokkanischen Casablanca aus mitbetreut. „Der Senegal hat großen Hunger zu wachsen und die Lebenssituation seiner Bewohner zu verbessern. Die Menschen, die ich hier kennenlernen durfte, sind qualifiziert, engagiert, und sie wollen wirklich etwas bewegen“, sagt Frei. 

In den vergangenen Jahren machte das Land bis auf einen kleinen, coronabedingten Einbruch im Jahr 2020 mit Wachstumsraten zwischen fünf und sieben Prozent von sich reden. Der Internationale Währungsfonds erwartet für 2023 gar knapp zehn Prozent. Neben den großen Infrastruktur- und Landwirtschaftsprojekten – es wurden fünf landwirtschaftliche Sonderzonen (Agropole) errichtet – gilt das internationale Interesse vor allem den Öl- und Gasreserven, die erst kürzlich erschlossen wurden. Ab 2023 soll Flüssiggas (LNG) von Dakar aus exportiert werden.

Für österreichische Unternehmen bieten sich Geschäftschancen in zahlreichen Bereichen: „Sowohl in der maschinellen Ausstattung als auch im Zuliefersektor und bei Konsumgütern“, sagt Frei. „Beispielsweise benötigt die Landwirtschaft Pumpen, Rohre und Ventile für Bewässerungsanlagen sowie Ausrüstung für die Vieh- und Geflügelzucht. Im Bausektor werden neben Armaturen und Baustoffen oft hochwertige Baumaschinen und Werkzeuge gesucht. Und auch im Bergbau sind technische Ausrüstungen, Maschinen und Chemikalien nötig.“

Die Rahmenbedingungen für heimische Exporteure sind vergleichsweise günstig. Die Oesterreichische Kontrollbank OeKB stuft den Senegal in die Länderkategorie 5 von 7 ein, politische Risiken für das Exportgeschäft seien „vorhanden, aber vergleichsweise gering“. Gering ist auch das Währungsrisiko. Denn im Senegal wird, wie in den meisten Ländern des ehemaligen französischen Kolonialreichs in Afrika, immer noch mit dem CFA-Franc bezahlt, der an den Euro gebunden ist. Pläne, sich von diesem heftig kritisierten Relikt aus der Kolonialzeit zu lösen, wurden mehrfach verschoben, aktueller Starttermin für die regionale Nachfolgewährung Eco, die aber ebenfalls an den Euro gebunden sein soll, ist 2027. Zudem steht der Senegal auf der aktuellen Liste der österreichischen Soft-Loan-Zielländer – dadurch haben öffentliche Stellen im Senegal die Möglichkeit, bei der OeKB günstige Kredite zu beantragen, um Projekte, die zur nachhaltigen Entwicklung vor Ort beitragen, zu realisieren.

In ein senegalesisches Unternehmen investiert hat kürzlich bereits die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB: Oolu Solar, vor sieben Jahren vom Amerikaner Dan Rosa in Dakar gegründet, verkauft Solarheimsysteme im ländlichen Westafrika, vor allem im Senegal. „Im Jahr 2015 bekamen mein Mitgründer und ich die Anfrage von 40 Dorf-Chiefs, Energie in ihre Dörfer zu bringen. Wir wollten das erst als NGO machen, merkten dann aber schnell, dass nur ein privatwirtschaftlicher Zugang in der Lage ist, die nötige Finanzierung aufzustellen“, berichtet Rosa den Teilnehmern der Innovation Mission Dakar. Mittlerweile habe sein Unternehmen 100.000 Solarheimsysteme eingerichtet und im ländlichen Senegal mehr Menschen den Zugang zu Strom ermöglicht als das senegalesische Staatsunternehmen. Die OeEB unterstützt Oolu nun bei der weiteren Expansion – mithilfe von 1,5 Mio. Euro aus dem 2019 ins Leben gerufenen Finanzierungsinstrument namens African-Austrian SME Investment Facility realisiert Oolu in einem Joint Venture mit der österreichischen Unternehmensgruppe RP Global in Westafrika bis zu sechs Photovoltaik-Projekte mit einer Gesamtkapazität von 2,5 Megawatt. 

Interview mit Michael Kollik, Direktor von Prosper Africa

Michael Kollik, Prosper Africa

Innovationsschmiede

Michael Kollik, Direktor von Prosper Africa, wirbt für ein Engagement im Senegal – und erläutert die Unterschiede zum Lokalrivalen Côte d‘Ivoire.

Österreich im Senegal

Unter den europäischen Unternehmen, die sich im Senegal niedergelassen haben, dominieren nach wie vor jene aus der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. Österreichische Niederlassungen sind rar. Dennoch zeigen die Exporte aus Österreich in den vergangenen Jahren einen positiven Trend und erreichten im Vorjahr ein Volumen von 50 Mio. Euro. Mittlerweile ist der Senegal der viertgrößte Importeur österreichischer Produkte in Afrika. 

„Der österreichische Exportkaiser in die Region ist die Firma Getzner“, erläutert dazu Frei. Getzner sei mit seinen Damaststoffen Marktführer in Westafrika und gelte als Synonym für hohe Qualität. „Der Senegal ist für uns seit den späten 1970er Jahren ein zentraler Absatzmarkt“, verweist Getzner-CEO Roland Comploj auf die Anfänge. Für ihn ist der Senegal das kulturell offenste Land in Westafrika; das spiegele sich auch im Kleidungstil wider. „Die junge Generation ist sehr experimentierfreudig und begeisterungsfähig, was Farben, Designs und innovative Mode anbelangt. Dakar ist die Top-Adresse für das Besticken unseres Damastes“, so der Geschäftsführer des ältesten aktiven Industrieunternehmens Vorarlbergs.

Auch im Modebereich gilt Dakar als westafrikanischer Vorreiter – und die Damaststoffe des Vorarlberger Unternehmens Getzner genießen hohes Ansehen.
Stilvoll Auch im Modebereich gilt Dakar als westafrikanischer Vorreiter – und die Damaststoffe des Vorarlberger Unternehmens Getzner genießen hohes Ansehen.

Energie und Gesundheit

Auch im Projektgeschäft mischen österreichische Firmen mit. So wird der steirische Technologiekonzern Andritz innerhalb der nächsten Monate mit der Lieferung der elektromechanischen Ausrüstung für das aktuell in Bau befindliche – und von der OeKB mitfinanzierte – Sambangalou-Wasserkraftwerk am Gambia-Fluss beginnen, das auch die Nachbarstaaten Guinea, Guinea-Bissau und Gambia mit Strom versorgen soll (Auftragsvolumen: rund 100 Mio. Euro). „Für die Umsetzung werden wir eine lokale Niederlassung etablieren, die auch als regionale Drehscheibe fungieren soll“, berichtet Kommunikationschef Michael Buchbauer. Der Trend zum Ausbau erneuerbarer Energien sowie das Potenzial in der Region ergeben Buchbauer zufolge eine solide Basis für weitere Wasserkraftwerke und entsprechende Chancen auch für Andritz. 

Auch der Wiener Gesundheitsdienstleister Vamed ist im Senegal aktiv und hat vor einigen Jahren neben dem Universitätskrankenhaus in Dakar drei Regionalspitäler mit radiologischer Ausrüstung sowie IT-Lösungen ausgestattet. 

Vertragsunterzeichnung Andritz rüstet das neue Sambangalou-Wasserkraftwerk mit elektromechanischer Ausrüstung aus.
Vertragsunterzeichnung Andritz rüstet das neue Sambangalou-Wasserkraftwerk mit elektromechanischer Ausrüstung aus.

Senegals neues Stärkefeld

Die neuesten Entwicklungen im Gesundheitsbereich spielten auch bei der Innovation Mission Dakar eine Rolle. Einige Delegationsteilnehmer besuchten das Institut Pasteur in Dakar, das sich in Kooperation mit BioNTech für die Herstellung von Covid-Impfstoffen in Stellung bringt. Eine große Produktionsstätte soll in Diamniadio errichtet werden – mit einer Jahreskapazität von 300 Millionen Impfstoffdosen. Darüber hinaus werden im Institut Pasteur Proben aus mehr als einem Dutzend afrikanischer Länder auf der Suche nach neuen Coronavarianten sequenziert. Europäische Spitzenpolitiker wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier waren erst kürzlich zu Besuch, um Unterstützung zuzusichern. 

Renommierter Virologe Amadou Sall, Generaldirektor des Institut Pasteur Dakar (re.), mit Tara Méité vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft und corporAID-Autor Frederik Schäfer

Der Generaldirektor der Einrichtung, Amadou Alpha Sall, ist einer der renommiertesten Virologen des Kontinents. „Es ist ganz einfach: Die Lücke im afrikanischen Impfstoffwesen sollte von Impfstoffen made in Africa gefüllt werden“, sagt Sall. Er hat in Frankreich, Großbritannien und den USA geforscht und gelehrt – und ist froh, wieder in seiner senegalesischen Heimat zu sein: „Als ich in Europa ausgebildet wurde, ging es nur um Fokus, Fokus, Fokus. Es fehlte der Blick für das große Ganze. Hier arbeitet man von Anfang an nah an den wirklichen Bedürfnissen der Bevölkerung“, verweist Sall auf unterschiedliche Sichtweisen.

Mehr Kooperation wagen

Einen wirklichen Nutzen hat auch die erste länderübergreifende DACH-Wirtschaftsmission, die je in Afrika stattgefunden hat, gebracht, erste Geschäfte bahnen sich bereits an. „Österreich, die Schweiz und Deutschland sind zweifellos stärker, wenn wir gemeinsam auftreten. Drei Länder, die sich gut verstehen und die gemeinsame Interessen im Senegal, ja in ganz Afrika haben“, sagt Christoph Mayer von Prosper Africa. Die nächste Innovation Mission befindet sich bereits in Planung.

Fotos: Stefan Kleinowitz (2), Prosper Africa, Andritz, corporAID