Laut Efosa Ojomo könnte eine wirkliche Innovationsrevolution Afrika in zwei Jahrzehnten von der Armut zum Wohlstand bringen. Ist es so einfach?
Helfmann-Hundack: Mich verwundert der Innovationshype zunehmend. Davon, dass alle Apps schreiben, entsteht noch keine Wertschöpfung. Davon ist noch kein Schuh genäht, der nachher per App verkauft werden kann. Und dann die hundertste App zur Gesundheits-, Schwangerschafts-, Ernährungsberatung. Ich glaube, wir brauchen einfach eine solide Industrialisierung, qualifizierte Handwerker, die gute Häuser und Straßen bauen, geschulte Elektriker, die verlässliche Stromleitungen legen. Wünschenswert sind bessere Ergebnisse in der Landwirtschaft, höhere Ernteerträge. Und wenn es weiterhin 50 Prozent Nachernteverluste gibt, dann muss ich auch dafür das Rad nicht neu erfinden. Ich muss entweder dafür sorgen, dass meine Infrastruktur verbessert wird oder dass ich mehr Lagerungs- und Kühlkapazitäten habe. Am besten beides. Ich finde, manche innovative Ideen sind faszinierend, aber dennoch brauchen wir wirtschaftliche Entwicklung, die vor allem Arbeitsplätze und Einkommen schafft und sichert.
Welche Industrien sind die erfolgversprechendsten für die afrikanische Entwicklung?
Helfmann-Hundack: Wenn ich Geld hätte, würde ich immer in die Landwirtschaft investieren und dann direkt in die Weiterverarbeitung. Tomaten und direkt Tomatenpüree. Das Gleiche gilt für Zwiebeln, Kartoffeln und so weiter. Äthiopien exportiert lebende Kamele in die arabische Welt. Die würden gerne stattdessen vakuumverpackte Kamelsteaks exportieren. Das funktioniert aber nicht, weil keiner in ein Schlachthaus investiert. Wenn ich die Wahl hätte: Schlachthaus in Äthiopien. Und gleich hintendran eine Vakuumieranlage.
Statt Schlachthäusern baut Äthiopien Industrieparks und schafft damit tausende Arbeitsplätze in der Leder- und Textilindustrie. Doch werden in 20 Jahren Näherinnen oder Maschinen die Arbeit übernehmen?
Helfmann-Hundack: Das klingt jetzt ein bisschen zynisch, aber solange es Billiglohnländer gibt, ist der Druck zur Automatisierung nicht da. Roboter sind ja eine Rieseninvestition, die sich nur langsam amortisiert. Es ist ein bisschen wie in der Automobilindustrie: Man könnte schon längst ein Zwei-Liter-Auto haben, aber das behalten sie noch in der Schublade, bis irgendwann der Druck der Ölpreise und der Verbraucher zu hoch ist. Abgesehen davon braucht Afrika vor allem Arbeitsplätze für die stetig wachsende Bevölkerung, eine Überautomatisierung kann nicht im Interesse der Regierungen sein.
Deutschland verkündete den Marshallplan mit Afrika und den Compact with Africa. In Wien fand gerade ein hochrangiges EU-Afrika-Forum statt. Ändert sich das hiesige Afrika-Mindset also rasant?
Helfmann-Hundack: Ja, es gibt eine neue Dynamik. Aber über die Planungen hinaus muss nun die Umsetzung folgen. Ausbildung und Beschäftigung ist eine der neuen Sonderinitiativen in Deutschland. Davon verspricht sich der Afrika-Verein sehr viel, da Unternehmen auch frühzeitig eingebunden werden sollen. Gleiches gilt für den Compact with Africa: Zusätzliche Finanzierungsmittel werden die Wirtschaft voranbringen und damit auch die Länder und ihre Bevölkerung. Kanzlerin Merkel hat auf dem Investment Summit Ende Oktober in Berlin eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt, und die bisherigen Umsetzungsvorschläge sehen absolut vielversprechend aus.
An welchen Stellschrauben sollte noch gedreht werden?
Helfmann-Hundack: Es sollte in die Projektentwicklung investiert werden, in die Frühphasen, die aufgrund der rechtlichen oder politischen Verhältnisse vor Ort nicht immer sicher sind. Wenn am Ende das Projekt ohne Verschulden des Unternehmers nicht realisiert wird, dann sollten diese Anlaufkosten im Sinne einer Risikoteilung teilweise ersetzt werden.
Vielen Dank für das Gespräch!