Africa GreenTec: Solarstrom für afrikanische Dörfer

Das deutsch-senegalesische Unternehmen Africa GreenTec errichtet Minisolarkraftwerke in afrikanischen Dörfern. Mit dem Zugang zu Strom eröffnen sich den Bewohnern neue Perspektiven, wirtschaftlich aktiv zu werden.

Africa GreenTec
Africa GreenTec bietet „containerisiertes Elektrifizieren“.

Es war die „Begegnung mit einem Monster“, die das Leben von Torsten Schreiber und seiner aus Mali stammenden Frau Aida deutlich verändern sollte. Die Schreibers waren im Jahr 2014 auf Familienbesuch in Westafrika, als sie in Malis Hauptstadt Bamako ein Dieselkraftwerk besichtigten. „Es handelte sich um einen haushohen Generator aus den 1960er Jahren, der täglich 170.000 Liter Diesel schluckte – und das mit einem Wirkungsgrad von zehn Prozent, also enorm verlustreich“, erinnert sich Torsten Schreiber. Der heute 51-jährige war damals als Mitgründer einer Crowdinvestingplattform vor allem mit Energieeffizienzprojekten in Deutschland beschäftigt. Das Bild des Kraftwerks ließ ihn nicht los: „Ich wollte etwas für den Klimaschutz tun. Und erkannte, dass das Abdrehen solcher fossilen Anlagen ein deutlich größerer Hebel ist als der Austausch von Glühbirnen in deutschen Unternehmen.“ 

Africa GreenTec
Das Gründerpaar Aida und Torsten Schreiber

Afrika: Jeder zweite ohne Strom

Im Jänner 2016 gründeten die Schreibers Africa GreenTec (AGT) in Hainburg bei Frankfurt, getrieben von der Mission, grüne Energie nach Subsahara-Afrika zu bringen. Sie beschlossen, Menschen in entlegenen Dörfern über Mini-Grids – also Kleinnetze – zu versorgen. Mini-Grids sind autonome Stromversorgungssysteme, die Energie zwischen einigen Kilowatt und ein paar Megawatt über ein eigenes Netz an eine begrenzte Anzahl von Nutzern verteilen. Typische Stromquellen sind Sonne, Wind, Biomasse, Wasserkraft oder Dieselöl. Hybride Lösungen kombinieren verschiedene dieser Stromquellen, um die Zuverlässigkeit zu erhöhen. 

Solarbetriebene Mini-Grids haben – laut Zahlen der Weltbank – insbesondere in Subsahara-Afrika in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt, mit einem Anstieg von rund 500 installierten Anlagen im Jahr 2010 auf mehr als 3.000 heute. Trotzdem haben immer noch rund 570 Millionen Menschen in Subsahara-Afrika – fast die Hälfte der Bevölkerung – keinen Zugang zu Elektrizität. 

Africa GreenTec: Solarkraftwerke in der Box

Für Mini-Grids werden häufig Photovoltaikmodule mit Dieselgeneratoren kombiniert. Da die Schreibers auf ein fossiles Back-up verzichten wollten, setzen sie ausschließlich auf Photovoltaikpaneele und Lithium-Ionen-Batterien, die in einem Container integriert werden. Ihre mobilen „Solartainer“ haben die Abmessungen eines 40-Fuß-Schiffscontainers und können per LKW auch in entlegene Dörfer transportiert werden. Vor Ort sind sie innerhalb von 48 Stunden betriebsbereit und können in äquatornahen Ländern wie Mali mehr als 2.200 Stunden pro Jahr die Kraft der Sonne nutzen.

Africa GreenTec will den Dorfbewohnern aber mehr bieten als nur Strom. Denn für kleine Strommengen braucht es keine Mini-Grids, dafür reichen Solar-Homekits. „Diese bestehen aus einem Solarmodul, Batterien sowie LED-Lampen und bieten genug Strom, um Handys aufzuladen oder kleine Häuser zu beleuchten“, erklärt Dean Marcelja, seit 2022 Technischer Direktor bei AGT. Marcelja ist kein Fan der kleinen Lösung: „Solarheimsysteme bieten zu wenig, um Menschen aus der Armut zu bringen.“ Bei AGT stehe aber die Entwicklung im Vordergrund: Der Strom soll produktive Prozesse fördern und Menschen neue Perspektiven bieten.

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Die Solartainer lassen sich per LKW in entlegene Gegenden transportieren.

Interview mit Dean Marcelja, Technischer Direktor von Africa GreenTec (AGT)

Dean Marcelja

Wer Strom hat, will bleiben

Für Dean Marcelja, Technischer Direktor von Africa GreenTec (AGT), ist das ländliche Afrika für Stromanbieter ein Markt, der so groß ist, dass man sich vor Konkurrenz nicht fürchten muss.

Ein Solartainer erreicht eine Spitzenleistung von 50 Kilowatt und kann 70 bis 90 Kilowattstunden speichern. Der Sonnenstrom wird über ein Netzwerk mit Smart-Meter-Technologie im Dorf verteilt, gesteuert, überwacht und abgerechnet. Neben privaten Nutzern werden kleinere Gewerbebetriebe wie Schlosser, Schmiede, Schreiner oder Schneider über ein dreiphasiges Niederspannungsnetz versorgt. Diese können somit auch Geräte mit einem Strombedarf von mehreren Kilowatt betreiben. „Rund tausend Betriebe arbeiten heute bereits mit unserem Strom,“ so Torsten Schreiber. 

Viele Kunden leben zudem von der Landwirtschaft, beispielsweise von Mangoplantagen oder Reisanbau. Bauern können ihr frisch geerntetes Obst und Gemüse in energieeffizienten Gemeinschaftskühlhäusern, sogenannten Cooltainern, vor dem Verderb schützen oder ihren Reis maschinell schälen. Unter dem Titel „Impact Site“ bietet das Unternehmen eine Reihe weiterer Services an, von der Trinkwasseraufbereitung bis zum Internetzugang. Zudem setzt AGT auf Kooperationen, wie aktuell mit dem deutschen Start-up Solarbakery, das, wie der Name schon verrät, solarstrombetriebene Bäckereien in Afrika verbreiten möchte. Für zwei Bäckereicontainer sammelt die Wiener Crowdinvestingplattform Crowd4Climate aktuell Gelder (mehr dazu siehe corporAID-Artikel Kleinanleger für Klimaschutz). 

Cooltainer
Africa GreenTec bietet unter anderem auch Kühlservices an – Kleinbauern können so ihre Ernten länger lagern.

Das Geld fehlt

Bisher hat AGT 26 Dörfer in Mali, im Senegal, im Niger, und in Madagaskar elektrifiziert, fünf weitere befinden sich in der Umsetzung. Im Schnitt haben diese 2.000 bis 5.000 Einwohner. Nicht immer sind es Container, die AGT aufstellt – ist der örtliche Strombedarf höher, werden, wie aktuell in Madagaskar, Anlagen auf Freiflächen errichtet. Die Schreibers sind ehrgeizig: Sie wollen bis zum Jahr 2030 mehr als 500 Dörfer in bis zu 15 afrikanischen Ländern elektrifizieren – wodurch drei Millionen Menschen und 50.000 Kleinunternehmen profitieren sollen. Erst kürzlich hat AGT mit der nigrischen Regierung Absichtserklärungen für 50 Impact Sites unterzeichnet. Bedarf gibt es genug. Laut Weltbank liegt dieser in Afrika bei mehr als 220.000 Mini-Grids, berichtet Schreiber. Die Herausforderung sei, wie so oft, einzig die Finanzierung.

Wie finanziert sich also eine Dorfelektrifizierung, die mindestens 250.000 Euro kostet? AGT gründet in jedem Land Tochtergesellschaften, die Standorte entwickeln und Anlagen finanzieren. Diese agieren mit Lizenz des Staates in den Dörfern als kommunale Versorger und rechnen ihre Leistungen mittels Smart Meter und Prepaidkarten ab. Für eine Kilowattstunde Sonnenstrom werden im Schnitt 30 Eurocent verrechnet, laut Schreiber sei dies um rund 70 Prozent günstiger als Strom aus einem Dieselgenerator. Verkauft wird aber auch der Platz in Kühlcontainern oder die Trinkwasseraufbereitung.

„Wir verstehen uns als Social Business“, betont Marcelja. „Unsere Kunden können sich den Strom leisten, weil wir unseren Fokus nicht ausschließlich auf Profitmaximierung legen.“ Die Gesellschaften finanzieren Projekte mit Fremdkapital, vor allem mit festverzinslichen Darlehen, und Fördermitteln. Da Schreiber aus der Crowdinvestingszene kommt, können (Klein-)Investoren bereits ab 250 Euro in Projekte investieren und erhalten dafür jährlich Zinsen. Außerdem haben sich bis heute rund 4.000 Menschen über Genussrechte direkt am Unternehmen beteiligt.

Die Einnahmen aus dem Stromverkauf und den anderen Dienstleistungen werden in den ersten Jahren vor allem dazu verwendet, um Darlehen zurückzuzahlen und laufende, operative Kosten zu decken. Derzeit ist das Unternehmen noch im Aufbau und zu klein, um Gewinne zu erzielen. „Wir haben eine skalierbare, rasch umsetzbare Lösung entwickelt und wollen einen großen, dezentralen Energieversorger aufbauen“, so Schreiber. „Mit jedem neuen Standort wird die finanzielle Basis stabiler.“ Zudem spricht AGT heute verstärkt landwirtschaftliche Betriebe und andere Unternehmen an, weil sich Solarstromprojekte mit jeweils nur einem Kunden rascher umsetzen lassen als Dorfelektrifizierungen.

Africa GreenTec
Das in Dakar ansässige Unternehmen baut seine Container mittlerweile in Afrika und bildet auch die Techniker selbst aus.

Africa GreenTec: Kein Stillstand

In Dakar, der pulsierenden Hauptstadt des Senegals, hat AGT seit dem Vorjahr seinen afrikanischen Hauptsitz. Mehr als 160 Mitarbeiter arbeiten mittlerweile für das Unternehmen, der Großteil in afrikanischen Ländern, nur noch rund 20 in Deutschland.

Eines scheint es bei AGT nicht zu geben: Stillstand. Laufend verlautbart das Unternehmen via Social Media neue Aktivitäten. In Kooperation mit Audi präsentierte AGT etwa im Mai einen neuen Solartainer, der gebrauchte Akkus von Elektroautos integriert. Diese besitzen noch eine Restkapazität von über 70 Prozent – zu wenig für den Einsatz in Fahrzeugen, aber immer noch genug für Solartainer. 

Für die Zukunft hat AGT den Blick auf das nächste große Projekt gerichtet: Den Einstieg in den Markt der Nano-Grids, den kleinsten Stromnetzen. Diese eröffnen die Möglichkeit, einzelne Haushalte autark mit Energie zu versorgen. Schreiber erklärt, dass sich NanoGrid-Boxen von herkömmlichen Solarheimsystemen abheben, da sie sowohl Gleich- als auch Wechselstrom bereitstellen können und Nachbarn ermöglichen, Strom miteinander zu teilen. Das Netzwerk kann so schrittweise wachsen und lässt sich laut Schreiber auf bis zu 200 Boxen pro Standort skalieren. Damit können dann auch kleinere Dörfer, die bisher nicht für Mini-Grids ökonomisch bewirtschaftbar sind, von AGT versorgt werden.

Ebenfalls in Vorbereitung ist die Stromversorgung fünf größerer Flüchtlingslager in Afrika, die AGT im Auftrag des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen umsetzt. Ob kleines Dorf oder großes Flüchtlingslager – der Bedarf nach einer leistbaren, zuverlässigen Stromversorgung ist riesig. So riesig, dass man bei AGT die Konkurrenz nicht fürchtet, sondern sich über mehr Mitspieler sogar freut. 

Fotos: Africa GreenTec