Wer Strom hat, will bleiben

Für Dean Marcelja, Technischer Direktor von Africa GreenTec (AGT), ist das ländliche Afrika für Stromanbieter ein Markt, der so groß ist, dass man sich vor Konkurrenz nicht fürchten muss.

Dean Marcelja
Dean Marcelja, Technischer Direktor bei AGT
Was unterscheidet die Stromnetze von Africa GreenTec von anderen?

Dean Marcelja: Unsere Stromnetze, so genannte Mini-Grids, werden ausschließlich durch Solarenergie und Batterien betrieben, ohne die Notwendigkeit von Dieselgeneratoren als Back-up. Damit waren wir in Westafrika die ersten. Wir versorgen mehr als zwanzig Standorte in vier verschiedenen Ländern zu hundert Prozent mit Solarstrom. Unser Anspruch ist aber, den Menschen nicht nur Energie, sondern auch Perspektiven zu bringen. Daher soll der Strom nicht nur für grundlegende Bedürfnisse wie Licht zum Lernen oder das Aufladen eines Handys genutzt werden, sondern für produktive Zwecke. Unsere Anlagen können über dreiphasige Stromnetze  Handwerksmaschinen, Kühlsysteme und Wasseraufbereitungsanlagen versorgen. Durch die Bereitstellung solcher Basisinfrastruktur machen wir das Dorfleben attraktiver. Wenn Menschen zu Hause Chancen vorfinden, schwindet übrigens auch der große Traum vom vermeintlich besseren Leben in Europa.

Wo sind Sie derzeit tätig?

Marcelja: Wir haben 2014 in Mali begonnen, wo auch die meisten unserer Anlagen stehen. Weitere Dörfer haben wir im Senegal, in Madagaskar und im Niger elektrifiziert. Aktuell planen wir zudem Projekte in Äthiopien, Uganda sowie Kenia und prüfen Chancen in Namibia und Sambia. Der Bedarf an Stromversorgungslösungen ist in Afrika einfach riesig – nicht nur in Dörfern, sondern auch bei Unternehmen aus dem Agrar- oder Bausektor, die momentan teuer und aufwendig mit Dieselstrom arbeiten. 

Wie kommt ein Dorf im Senegal oder im Niger an ein Mini-Grid? 

Marcelja: Wir spazieren natürlich nicht einfach in ein Dorf und installieren ein Netz. Wir kooperieren mit lokalen Behörden, die Listen mit geeigneten Dörfern bereitstellen und bewerten dann, ob diese Dörfer unseren Nachhaltigkeitskriterien entsprechen – zum Beispiel ist ein kompakt gebautes Dorf besser geeignet, da weit auseinanderliegende Gebäude die technische Umsetzung für das Netz komplexer machen. Wir elektrifizieren Dörfer mit unseren containerisierten Solaranlagen, die wir Solartainer nennen. Üblicherweise starten wir mit einem Solartainer mit einer Spitzenleistung von rund 50 Kilowatt und 150 Stromanschlüssen. Mit der Zeit lernen die Bewohner, die vorher keinen Zugang zu Strom hatten, neue Möglichkeiten kennen. Damit steigt der Strombedarf. Daher ist es im Laufe der Zeit oft notwendig, die Anlagen zu erweitern, um mehr Leistung und zusätzliche Anschlüsse bereitzustellen.

Mali
Kompakt gebaute Dörfer eignen sich für die Elektrifizierung mit kleinen Solarkraftwerken (siehe Solartainer rechts unten) besser als zerstreute Siedlungen.
Wer kümmert sich um die Anlagen?

Marcelja: Im Gegensatz zu anderen Anbietern, die ihre Anlagen verkaufen, aufbauen und dann verschwinden, bleiben wir im Dorf und betreiben unsere Anlagen selbst. Wir stellen in jedem Dorf zwei bis drei Mitarbeiter ein, die von uns in der Wartung der Anlage geschult werden und im Dorf leben. Bei komplexeren Problemen gibt es Interventionsteams in den Regionalhauptstädten, die bei bedarf ausrücken. Dieses Modell spricht sich herum und führt zu vielen neuen Anfragen.

Das nachhaltige Entwicklungsziel Nummer 7 lautet: „Bezahlbare, verlässliche und moderne Energieversorgung für alle Menschen bis 2030“. Ist das erreichbar, etwa durch die solaren Ministromnetze?

Marcelja: Leider ist dieses politische Ziel völlig unrealistisch. Hunderte Millionen Menschen in Afrika und auch in Südostasien haben heute keinen Zugang zu Strom. Bei einem so großen Bedarf betrachten wir andere Anbieter nicht als Konkurrenz, sondern als Kollegen. Die Umsetzung von Mini-Grids ist schwierig. AGT kann zwar ein Dorf innerhalb von drei Monaten elektrifizieren, in der Praxis dauert es jedoch oft mehr als ein Jahr, aufgrund von fehlendem Investitionskapital. Wir finanzieren unsere Projekte unter anderem durch Eigenkapital, Crowdinvesting und öffentliche Mittel. Leider sind die Prozesse rund um Genehmigungen und Finanzierung so langsam, dass praktisch weit weniger passiert, als theoretisch möglich wäre.

Vielen Dank für das Gespräch!

Bilder: AGT

 

Zum Hauptartikel: „Solarstrom für afrikanische Dörfer“