Der Bus ist derzeit nach Lagos unterwegs“, sagte Johann Rieger Anfang Jänner, zückte das Handy und zeigte Filmaufnahmen von einem brandneuen Stadtbus mit Blätterdesign, an dem Techniker hantieren – wohl zum letzten Check vor der Verladung des Fahrzeugs aufs Schiff.
Rieger ist ein Unternehmer aus der Steiermark. In den frühen 1990er Jahren zog er in Ungarn einen Textilbetrieb auf, daneben war er in Ländern wie Pakistan und Indien im Technologietransfer tätig. Schließlich erwarb er die Herstellerlizenz für einen Gasmotor der ungarischen Firma Raba und gründete 2013 die ETEFA (European Technologies for Africa), ein Start-up, das europäische Technik in Entwicklungsländer bringt. Der Fokus liegt auf frugaler Innovation, also auf Technik, die solide funktioniert und zugleich langlebig, leicht zu reparieren und erschwinglich ist.
Zielmarkt Nigeria
Riegers Hauptprojekt ist aktuell der Raba-Gasmotor – ein „Arbeitstier“, wie er sagt –, den er in Österreich aufrüsten ließ. Das gasreiche Nigeria schien als erster Zielmarkt gut geeignet: Zum einen, weil das Erdgas, das bei der Erdölförderung austritt, in Nigeria bis heute weitestgehend abgefackelt wird – eine Praxis, die in Europa undenkbar wäre. Zum anderen, weil das westafrikanische Land zugleich so viel Diesel und Benzin importiert, wie es Erdgas verbrennt. „Unsere Überlegung war daher die: Warum nicht das Erdölbegleitgas nutzen, um damit Busse und LKW zu betreiben, und so den ökologischen Fußabdruck Nigerias zu verbessern?“, erklärt Rieger.
Das Vorhaben deckt sich mit der Politik der nigerianischen Regierung: Gasabfackeln ist in Nigeria seit 1984 verboten, 2016 trat das Land der „Zero Routine Flaring by 2030“–Initiative der Weltbank bei. Dennoch liegen bis heute vor allem Absichtserklärungen vor, was Rieger wenig wundert: „Das Gas wird so lange abgefackelt, bis es dafür einen Markt gibt.“ Und daran arbeitet er.
Potente Partner
In Powergas Nigeria, dem lokalen Marktführer bei Erdgas, fand Rieger einen starken Partner für die Aufbereitung von Erdölbegleitgas. Bei einer vielbeachteten gemeinsamen Pressekonferenz Anfang 2019 bestätigte Sumeet Singh, General Manager des Gaskonzerns, das riesige Potenzial: Mit dem aus der Erdölförderung gewonnenen Erdgas könnten jährlich 200.000 Stadtbusse oder ebenso viele LKW betrieben und deren Energiekosten um ein Drittel gesenkt werden.
Riegers Aufgabe war es, einen praktikablen Weg für einen Systemwechsel im Transportsektor aufzuzeigen. Den dafür nötigen finanziellen Rückhalt erhielt er ab Herbst 2017 durch eine Wirtschaftspartnerschaft mit der Austrian Development Agency ADA. Gunter Schall, Leiter des ADA-Referats Wirtschaft und Entwicklung, begründet die Förderung vor allem mit dem erwartbaren großen ökologischen und volkswirtschaftlichen Nutzen – bessere Luft und Kostenersparnis – durch den Wechsel von importiertem Diesel und Benzin auf heimisches Erdgas.
Nachfrage schaffen
Mit der ADA im Hintergrund öffneten sich für Rieger, wie er sagt, die Türen. Mit Regierungsstellen und Verkehrsbetrieben in den Großstädten Lagos und Abuja erörterte er ausführlich den Umstieg auf gasbetriebene Fahrzeuge im öffentlichen Personentransport. Als realistische Einstiegsmöglichkeit wurde die Reservierung einzelner Routen für gasbetriebene Busse diskutiert.
Riegers ursprünglicher Plan, vorhandene Bus- und LKW-Flotten von Diesel- auf Gasbetrieb umzurüsten, erwies sich als unrentabel. Dafür gewann er Industriepartner für die Entwicklung eines auf die Markterfordernisse abgestimmten Prototypen eines gasbetriebenen Stadtbusses. „Unser Eco Green Bus kombiniert ausgereifte europäische Technologie und Innovation“, erklärt Rieger. Herz des Fahrzeugs ist dabei der Gasmotor, der zwar nicht die aktuelle EU-Abgasnorm Euro 6 erfüllt, mit Euro 5 in Afrika aber bestens abschneidet. Dazu verfügt es über eine ausgeklügelte Telematik mit Features wie Fahrererkennung, Alkoholtest oder Feedback zu Wagenzustand und Fahrverhalten – durch besonnene Fahrweise sollen die Fahrer Bonuspunkte gewinnen können. Auch ein neues Luftreinigungssystem ist eingebaut.
Im April soll der Demo-Bus den Partnern in Nigeria präsentiert werden und danach für Probefahrten bereitstehen. Aufgrund der günstigen Anschaffungs- und niedrigeren Treibstoffkosten hält Rieger das Angebot auch finanziell für attraktiv. Er hofft, über den vor Ort eingerichteten Vertrieb bald 300 Busse im Jahr zu verkaufen. Eine eigene Firma für Services und Fahrtechnik wird parallel ein Werkstättennetz aufbauen, Mechaniker ausbilden und landesweit Fahrsicherheitstrainings anbieten. Und damit nicht genug. Rieger will sich auch für eine Senkung der Busticketpreise einsetzen und mittelfristig Buskomponenten vor Ort erzeugen. „Die Wende soll schließlich handfeste soziale Fortschritte ermöglichen“, so seine Vision.
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DIE PARTNER
Europäische Technologie für Afrika
Die ETEFA Gmbh – European technologies for Africa wurde 2013 von Johann Rieger in Wien gegründet, um frugale Technologie nach Afrika zu liefern. Erstes Produkt ist der Eco Green Bus, ein erdgasbetriebener Stadtbus, der in Nigeria in mehreren Größen noch dieses Jahr auf den Markt kommt. PowerGas Nigeria ist mit vier eigenen Anlagen der größte Erzeuger und Vertreiber von verdichtetem (CNG) und verflüssigtem (LNG) Erdgas in Nigeria. Das mehrfach ausgezeichnete Unternehmen will künftig in Kooperation mit ETEFA Erdölbegleitgas, auch als Fackelgas bezeichnet, zu Kraftstoff verarbeiten.