Die Nachricht vom Einsturz des Fabriksgebäudes Rana Plaza in Bangladesch mit mehr als 1.100 Toten und 2.500 Verletzten, die vor fünf Jahren um die Welt ging, ist bis heute nicht verhallt. Das Ereignis brachte eklatante Missstände bei Zulieferern internationaler Unternehmen ans Licht, war für viele Unternehmen dann aber auch der ausschlaggebende Weckruf, um in die Prüfung und Absicherung der globalen Lieferkette gegen menschenrechtswidrige Praktiken zu investieren. Zu den neueren Entwicklungen zählt, dass Arbeitnehmervertretungen im Rahmen ihrer Mitverantwortung für das Wohl des Unternehmens dabei eine Rolle übernehmen – als Korrektiv gegenüber dem Management in den relevanten Unternehmensbereichen Einkauf, Human Ressources oder Produktentwicklung, aber auch entlang der Lieferkette.
Regularien
Den Referenzrahmen für entsprechende Aktivitäten stellen vor allem drei anerkannte internationale Standards dar, zu welchen sich viele international tätige Unternehmen auch bereits bekennen. Das älteste und unter starker Beteiligung der Gewerkschaften zuletzt im Jahr 2011 massiv überarbeitete Rahmenwerk sind dabei die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen. Ihr Unique Selling Point sind die so genannten Nationalen Kontaktpunkte, die im Konfliktfall zwischen Unternehmen und externen, aber auch internen Stakeholdern vermitteln. Auch der UN Global Compact enthält mit seinem zentralen Fokus auf Arbeitnehmerrechte Raum für Initiativen. Diese können möglicherweise auch den Fortschrittsbericht anreichern, den Mitgliedsunternehmen zu Grundprinzipien nachhaltigen Wirtschaftens jährlich vorlegen müssen.
Interview mit Felix Hadwiger, WMP-Consult
Wenn Betriebsräte loslegen
Der jüngste Leitfaden zum Schutz von Arbeitnehmern entlang der Lieferkette sind die 2011 durch den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte – sie fanden mit einem eigenen Kapitel auch bereits Eingang in die OECD-Leitsätze. Der vom UN-Sonderbeauftragten John Ruggie unter dem Titel „Schutz, Achtung und Abhilfe“ formulierte Rahmen enthält einen Mix von 31 handfesten Handlungsanleitungen für Staaten und Unternehmen – und bietet Raum für die Beteiligung der Arbeitnehmervertretung. Dass Arbeitnehmerrechte dabei direkt als Menschenrechte adressiert wurden, verlieh dem Thema Dringlichkeit – ein Grund, weshalb internationale Gewerkschaften die UN-Leitprinzipien im Fluge aufgriffen. Seitens der Politik wurde nicht durchwegs ebenso rasch reagiert. So liegt der Prozess zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien in einen nationalen Aktionsplan – wie auch zu jenem zu gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen (CSR) – in Österreich derzeit auf Eis.
Vielfältige Realität
Unternehmen agieren hierbei offensichtlich wieder schneller. So sind die UN-Leitprinzipien etwa beim österreichischen Kautschukkonzern Semperit im Nachhaltigkeitsbericht bereits ausdrücklich erwähnt, und es sind auch etliche Instrumente vorhanden, um Missständen vorzubeugen – etwa ein Verhaltenskodex, eine Whistleblower-Hotline, eine eigene Lieferantenpolitik und -selbstevaluierung. Die Rolle der Arbeitnehmervertretung ist aber im Wesentlichen darauf beschränkt, die Firmenleitung durch Hinweise auf Unregelmäßigkeiten zu unterstützen.
Der Ziegelkonzern Wienerberger wiederum sieht sich in seiner Nachhaltigkeitsperformance den Prinzipien des UN Global Compact verpflichtet, dem das Unternehmen 2003 als eines der ersten beitrat. Wienerberger hat einen Eurobetriebsrat installiert, mit dem die Geschäftsführung bereits 2001 auf Basis von Empfehlungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO eine Sozialcharta über zentrale Arbeitnehmerrechte erarbeitete. Über ihre Einhaltung wacht ein Ausschuss, in dem der Betriebsrat vertreten ist. Damit auf allfällige Problemstellungen auch Taten folgen, ist Konzernbetriebsratsvorsitzender Gerhard Seban, wie er sagt, viel unterwegs – in ganz Europa. Er will demnächst auch den Standort in Indien besuchen.
Best Practice
Welches Spektrum an Funktionen und Aufgaben Arbeitnehmervertretungen übernehmen können, um das Management in weitreichenden menschenrechtlichen Belangen zu unterstützen, geht aus einer aktuellen Forschungsarbeit der deutschen Hans-Böckler-Stiftung hervor. Unter dem Titel „Menschenrechte im Unternehmen durchsetzen“ wird die Praxis europäischer Weltmarktführer analysiert und ausgewertet, vom deutschen Sportartikelhersteller Adidas über den belgischen Chemieriesen Solvay bis zum norwegischen Aluminiumhersteller Norsk-Hydro.
Aus Sicht von Ko-Autor Felix Hadwiger (siehe Interview) sollte sich die Arbeitnehmervertretung im eigenen Interesse für das Thema einsetzen. Denn: „Wenn darauf geachtet wird, dass Unternehmensstandards auch in anderen Ländern eingehalten werden, kann dies die Arbeitsplatzsicherheit der eigenen Belegschaft erhöhen, da die einzelnen Werksstandorte mitunter in Konkurrenz zueinander stehen. Es kann im Sinne des Risikomanagements aber auch die Reputation des Unternehmens schützen.“ Beim zweiten Argument finden Arbeitnehmer und Arbeitgeber endgültig zueinander.