Die afrikanische Restaurantkette Nando`s ist auf Piri-Piri-Huhn spezialisiert.
Erfolgszutat Chili
Die Restaurantkette Nando’s ist auf Piri-Piri-Huhn spezialisiert.

Südafrika, 1987: Zwei Freunde treffen sich zum Mittagessen in einem einfachen Lokal im Süden von Johannesburg. Sie bestellen Huhn. Und sind vom Geschmack restlos begeistert. So in etwa lautet der Beginn einer globalen Erfolgsgeschichte. Denn aus Fernando Duarte, einem gebürtigen Mosambikaner und dem Südafrikaner Robbie Brozin werden kurzerhand Businesspartner. Sie kaufen das kleine Lokal, geben ihm den Namen Nando‘s und perfektionieren das Hauptgericht, ein in portugiesisch-mosambikanischer Piri Piri-Chilisauce mariniertes Grillhuhn. Und von Anfang an denken die beiden groß.

Die rund 1.200 Filialen der Restaurantkette Nando‘s sind mit zeitgenössischer Kunst aus Südafrika dekoriert.
Afrika an den Wänden Die rund 1.200 Filialen der Restaurantkette Nando‘s sind mit zeitgenössischer Kunst aus Südafrika dekoriert. Die unternehmenseigene Kunstsammlung umfasst mehr als 17.000 Werke.

Mit Erfolg: Aus Nando‘s wurde ein Franchise- und Systemgastronomie-Konzern mit Outlets von Kapstadt bis Dubai, von Manchester bis Washington, von Dhaka bis Sydney. Nando‘s hat heute rund 1.200 Restaurants in 23 Ländern. Allein in Großbritannien, einem der wichtigsten Märkte der Gruppe, sind es 350 Filialen. Zusätzlich verkauft das Unternehmen in Supermärkten Gewürze und Saucen, deren Hauptzutat, die Piri Piri-Chilis, eigens für das Unternehmen von mehr als tausend afrikanischen Kleinbauern angebaut wird.

Markenlos

Nando‘s Erfolg ist mehr als außergewöhnlich. Denn afrikanische Unternehmen und ihre Marken fallen auf dem internationalen Parkett üblicherweise nicht auf. Vermutlich können nur wenige europäische Konsumenten spontan ein Label vom Nachbarkontinent nennen, egal ob großer Telekomanbieter oder kleiner Schmuckhersteller. „Industriestaaten dominieren die Welt der Marken und des Marketing seit Beginn des globalen Handels. Sie verstanden es, Erzählungen um amerikanische Freiheit, deutsche Ingenieurskunst, japanische Technik, französischen Stil und italienischen Luxus zu schaffen, während Entwicklungsländer nur Rohstoffe exportierten und keine Marken“, sagt Nick Dutton, Marketingexperte in Südafrika. 

Im aktuellen Ranking des Finanzportals Brand Finance zu den 500 wertvollsten und stärksten globalen Marken ist kein einziges afrikanisches Unternehmen vertreten. „Es lässt sich nicht leugnen, dass der afrikanische Markt im Vergleich zu seinen globalen Pendants nach wie vor unreif und fragmentiert ist. Die fehlende Verbindung zwischen den einzelnen afrikanischen Ländern führt dazu, dass Marken nicht wachsen können und daher außerhalb ihrer Heimatmärkte nicht florieren“, erklärt Jeremy Sampson, Geschäftsführer von Brand Finance Africa (siehe Interview). 

Interview mit Jeremy Sampson, Brand Finance Africa

Kaum markant

Warum gibt es nur so wenige afrikanische Marken, die außerhalb des Kontinents wahrgenommen werden? Sampson: Die bekanntesten Marken sind wohl Nelson Mandela oder die Rugby-Nationalmannschaft...

Afrikanische Unternehmen: Viel Konkurrenz am Kontinent

Dass sich afrikanische Labels selbst in ihren Heimatmärkten schwer tun, zeigen die jährlichen Konsumentenbefragungen von „Brand Africa 100“ in 27 afrikanischen Ländern. Demnach sind die von Afrikanern „am meisten bewunderten“ Marken überwiegend ausländischer Herkunft, in den aktuellen Top Five finden sich Nike, Adidas, Samsung, Coca-Cola und Tecno Mobile (aus China). Oftmals würden ausländische Unternehmen sogar als afrikanisch wahrgenommen, sagt „Brand Africa“-Herausgeber Thebe Ikalafeng. Denn internationale Konzerne investieren viel Zeit und Geld in ihre Marken, etwa durch Sponsoring von Fußballclubs, oder in die lokale Anpassung der Produkte. Einheimische Marken hinken hier nach, bedauert Ikalafeng.

Zu den stärksten lokalen Marken zählen jene „von Banken, Versicherungen oder Telekommunikationsunternehmen, die ein Land oder eine Region dominieren“, weiß Sampson, sowie „authentische lokale Marken, mit denen Verbraucher in Beziehung stehen“. Spitzenreiter – und das sogar regional und nicht nur in der Heimat Nigeria – ist Dangote. Der 1978 gegründete Mischkonzern verfolgt die Mission, Grundbedürfnisse zu decken und hat über Jahrzehnte ein diversifiziertes Angebot aufgebaut: Dangote findet man in Branchen wie Öl und Gas, Immobilien, Finanzen, Zement – und auch im Lebensmittelhandel mit Basics wie Zucker, Salz, Gewürzen und Nudeln. Zudem ist Gründer und CEO Aliko Dangote das allseits bekannte Gesicht des Unternehmens. „Exzellenz der Marke und Leadership des Gründers stehen in engem Zusammenhang“, sagt Ikalafeng zur Strahlkraft der Marke. Auch im ostafrikanischen Uganda ist ein Konglomerat in vielen Haushalten präsent: Die Mukwano Gruppe stellt von Vaseline und Reinigungsmitteln über Speiseöl, Seife und Trinkwasser bis hin zu Kunststoffen vieles her, was Konsumenten im Alltag benötigen. Überdurchschnittlich populär sind daneben laut Brand Africa vor allem Biermarken wie Star in Nigeria oder Tusker in Kenia sowie Telekommunikationsunternehmen wie Globacom (Nigeria) oder Econet (Simbabwe). 

Auch Out Of Africa gibt es afrikanische Unternehmen 

Auf welche afrikanischen Marken könnte man also außerhalb des Kontinents stoßen? Zum Beispiel auf Rooibos-Eistee von BOS, Fruchtsäfte von Pioneer Foods oder Amarula-Likör von Distell sowie die eingangs erwähnte Fastfoodkette Nando‘s. Sie alle stammen aus Südafrika, dem in puncto Marketing wohl fortschrittlichsten afrikanischen Land. „Sie alle haben professionelle Marketingexperten an Bord und betrachten den Markenaufbau als Investition und nicht als Kostenfaktor“, erklärt Sampson.

Im Modebereich lässt sich ebenfalls „Made in Africa“ entdecken, und hier erstreckt sich der Radius über Südafrika hinaus. Das Label Enzi stammt beispielsweise aus Äthiopien und spricht mit hochwertigen Ledersneakers vor allem eine Fangemeinde in den USA an. „Es gibt nicht viele afrikanische Marken, die international anerkannt sind. Das wollen wir ändern“, erklärt Mitgründer Azariah Mengistu Enzis Mission. „Wir zeigen das Potenzial Afrikas an handwerklichem Können auf. Die Leute sind oft überrascht, wenn sie erfahren, wo die Schuhe hergestellt werden.“

Schicke Sneaker aus Äthiopien
Frustration führt mitunter zu Inspiration: Die beiden aus Kenia stammenden Freunde Azariah Mengistu und Jawad Braye lebten einige Jahre in den USA und in Europa und waren, so Mengistu, „schockiert über die allgemeine Wahrnehmung, die die Menschen von Afrika hatten“. Daraus entstand der Antrieb, eine starke Marke aufbauen zu wollen, die das Potenzial des Kontinents aufzeigt. 2011 gründeten Mengistu und Braye die äthiopische Schuhmarke Enzi, die Sneaker aus hochwertigem Leder in Handarbeit herstellt.
Erhältlich sind die Schuhe über einen eigenen Store in Addis Abeba, via Direktversand sowie über Handelspartner in Hong Kong, Shanghai, London, München, Paris und Chicago. Ein Paar kostet zwischen 115 und 170 Euro. Wichtigster Markt für Enzi-Sneakers sind laut Mengistu die USA, dort fänden sich die meisten Fans von unabhängigen „black-owned brands“. Aktuell planen die Enzi-Gründer die Errichtung eines Schulungszentrums für Design und Produktion in Äthopien.
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Auch das Label SoleRebels ist aus Äthiopien und hat sich mit Baumwollsneakers und Sohlen aus recycelten Autoreifen einen Namen gemacht. Die Marke betreibt eigene Shops in Deutschland, Singapur, den USA und Taiwan. Die nigerianische Schuhmarke Shekudo wiederum kombiniert traditionelle Webstoffe und holzgeschnitzte Absätze mit flippigen Farben und schaffte es damit auf Pariser und New Yorker Laufstege.

Marketingexperte Nick Dutton glaubt, dass künftig mehr Unternehmen aus Entwicklungsregionen mit starken Marken und Geschichten auffallen werden. Er selbst gründete mit Geschäftspartner Sal Masekela 2017 das Surflabel Mami Wata, „das die Konventionen der Surf-Lifestyle-Kategorie in Frage stellt, die eine Geschichte von blonden Haaren, blauen Augen und Kalifornien verkauft.“ Ihre Marke Mami Wata soll, so hofft Dutton, „die erste und größte afrikanische Lifestylemarke“ werden. Sie setzen im Design von Kleidung und Surfbrettern auf afrikanische Bildsprache und ausschließlich auf lokale Produktion.

Wellenreiter aus Südafrika
Mami Wata (Pidgin-Englisch für „Mutter des Wassers“) heißt ein afrikanischer Wassergeist – seine Bedeutung macht ihn zum perfekten Namensgeber für eine junge Surfmarke aus Kapstadt. Das 2017 gegründete Unternehmen entwirft und stellt Shorts, T-Shirts, Mützen und Surfboards in Südafrika her und verkauft diese von der Schweiz bis in die USA.
„Unser Mantra ist es, möglichst immer afrikanische Materialien zu verwenden, und jedenfalls alles direkt und lokal herzustellen“, erklärt CEO Nick Dutton, der Mami Wata gemeinsam mit Sal Masekela betreibt. Ihr Unternehmen möchte einerseits direkte Arbeitsplätze schaffen und andererseits dazu beitragen, dass Surfer aus der ganzen Welt nach Südafrika kommen und den lokalen Tourismus ankurbeln. Schöner Erfolg für das Label: Mami Wata wurde heuer von der italienischen Luxusmarke Moncler eingeladen, Teile des Sortiments über Moncler-Stores weltweit zu verkaufen. Und 2021 will die junge Marke verstärkt den Hauptabsatzmarkt USA direkt vor Ort bearbeiten.
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Design in Africa

Nicht jedes afrikanische Unternehmen kann „Made in Africa“ bieten. So möchte beispielsweise das ghanaische Label Afrisocks mit farbenfrohen Socken die „Lebendigkeit Westafrikas“ repräsentieren und dabei mit hoher Qualität punkten. Doch weil es laut Gründer Huzaif Alhassan in ganz Westafrika keinen einzigen Sockenproduzenten gibt, lässt er notgedrungen in der Türkei herstellen. Das soll sich ändern: Bestärkt durch den internationalen Erfolg der Socken will Alhassan bald die erste Sockenfabrik in Ghana eröffnen.

No Gidigidi aus Ghana
Farbenfroh und gemustert: Die Socken des 2018 gegründeten Labels Afrisocks sind von traditionellen Kente-Mustern inspiriert und werden in 60 Länder verkauft. Die Kunden sind laut CEO Huzaif Alhassan einerseits modefreudige „Hipster“ in Großbritannien, Italien oder Deutschland und andererseits die afrikanische Diaspora in den USA. Dass Alhassan ausgerechnet Socken vertreibt, hat mit dem kostspieligen Postversandsystem seiner Heimat Ghana zu tun: Er suchte ein Produkt, das westafrikanisches Design und Erbe repräsentiert – und darüber hinaus so leicht ist, dass die Versandkosten überschaubar bleiben.
Noch werden Afrisocks – sie kosten rund 10 Euro pro Paar – in der Türkei hergestellt, doch die Errichtung der ersten Sockenfabrik Westafrikas ist für 2021 geplant. Das junge Label lässt bereits Laptoptaschen und Gesichtsmasken in lokaler Handarbeit fertigen. Übrigens sind die Namen der Socken westafrikanischen Slangwörtern entlehnt: Sie heißen etwa Tro-tro („Minibus“), Oga („Boss“) oder auch No Gidigidi („Nimm´s leicht“).
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Ebenfalls im Ausland entstehen die „Unity Dolls“ von Auldon Toys. Die Puppen sind das Flaggschiffprodukt des Spielzeuglabels aus Nigeria und werden in China hergestellt, dem Haupterzeugerland der globalen Spielzeugindustrie. Aber, so wird bei Auldon Toys betont, werden alle Accessoires und Kleidungsstücke der Puppen von Frauen und Jugendlichen in nigerianischen Werkstätten gefertigt. Darauf legt CEO Paul Orajiaka großen Wert, denn die Unity Dolls stehen für nigerianische Identität: „Die meisten Spielzeuge in Nigeria haben keine soziale und kulturelle Relevanz für Kinder. Die Anerkennung von Afrikas einzigartiger Vielfalt in den Köpfen junger Afrikaner ist ein wichtiges Verkaufsargument für unsere Produkte.“

Barbie-Alternative aus Nigeria
Sie heißen Ronke, Amaka und Aisha, streben laut Produktbeschreibung Karrieren als Ärztinnen oder Anwältinnen an und tragen traditionelle Gewänder der nigerianischen Stämme Yoruba, Ibo und Hausa: Mit den 2015 vorgestellten „Unity“-Puppen hat der in Lagos ansässige Spielzeughändler und -hersteller Auldon Toys eine Marktlücke erschlossen. Die westafrikanische Alternative zur blonden, hellhäutigen Barbie kommt bei nigerianischen Eltern gut an und hat Auldon Toys viel mediale Aufmerksamkeit sowie eine Fangemeinde unter Afrikatouristen und Auslandsafrikanern eingebracht.
Die Unity Dolls sind in mehreren afrikanischen Ländern, in Großbritannien sowie im Duty-Free-Handel afrikanischer Flughäfen um rund 20 Euro pro Puppe erhältlich. Hinter Auldon steckt eine Vom-Tellerwäscher-zum-Millionär-Erfolgsstory: CEO Paul Orajiaka gründete sein Spielzeugimperium mit gerade einmal 18 Jahren und Ersparnissen von hundert Dollar, heute ist der 42-jährige Harvard-Absolvent wohlhabend und auf dem Sprung zu einem politischen Amt in Nigeria.
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Wie afrikanische Unternehmen ihren Radius erweitern

Dank Internet können afrikanische Unternehmen heute Kunden in aller Welt ansprechen. Neben dem Direktversand helfen Fashion Portale wie Kisua und Industrie Africa oder auch das als „afrikanisches Amazon“ betitelte Jumia bei der Ausweitung des Aktionsradius. „Afrikanische Unternehmen sollten die Kraft des E-Commerce nutzen und global statt lokal denken, denn die Marktchancen sind außerhalb des Kontinents viel größer“, empfiehlt Afrisocks-Chef Alhassan. Sein Unternehmen versendet die bunten Socken aus Ghana in alle Welt – und zwar für Kunden kostenlos, um eine erste Hemmschwelle zu beseitigen. „Für viele ist dies das erste Produkt, das sie jemals aus Ghana bestellen“, erzählt er und lacht, „oft fotografieren die Kunden die Verpackung und posten sie in sozialen Medien“. Alhassan hofft, dass bei den Kunden so Interesse an anderen ghanaischen Produkten entsteht. Und auch Sneakerhersteller Enzi denkt nicht nur an die eigenen Umsätze. Das Unternehmen wurde schließlich eigens dafür gegründet, die Reputation von „Made in Ethiopia“ ganz allgemein zu heben.

Für viele Marken ist es augenscheinlich wichtig, keine austauschbaren Produkte zu verkaufen, sondern ein starkes Statement zu vermitteln: Egal ob südafrikanische Kunst, die an den Wänden der mehr als tausend Nando‘s Filialen hängt, das Abbild eines afrikanischen Wassergeists auf Mami Wata-Surfbrettern oder frohe Kente-Muster auf Afrisocks: Afrika ist unübersehbar. „Wir sollten alle“, fordert Alhassan, „mit unseren Marken stolz auf unsere Herkunft hinweisen.“

Fotos: Nando’s, Jeremy Sampson, Afrisocks (4), Auldon Toys, Enzi (3), Mami Wata (2)