Kommentar

Reiseboom als Entwicklungschance

Klaus Huhold, corporAID

Ausgabe 107 – Sommer 2025

Klaus Hohold, Chef vom Dienst

Sie waren lange Zeit fast ausschließlich die Kellnerinnen, Safariguides und Souvenirverkäuferinnen: Afrikanerinnen und Afrikaner spielten im afrikanischen Tourismus selbst oft nur die Rolle des Dienstleisters für großteils westliche Gäste, die – oft teure – Strandurlaube und Safaris genossen. Das ändert sich gerade. Eine wachsende Mittelschicht sorgt dafür, dass viele afrikanische Staaten nun zusehends auch Gäste vom eigenen Kontinent empfangen (siehe Artikel Seite 14 bis 17). Vor allem die junge urbane Bevölkerung hat laut Touristikern immer öfter Lust auf Erholung und Entdeckungen – und gilt in vielen Ländern als Zielgruppe der Zukunft.

Das reiht sich ein in einen globalen Trend: Auch in Asien und Lateinamerika steigt mit dem Einkommen die Reiselust. Laut World Tourism Report ist der globale Tourismus 2024 gegenüber dem Vorjahr um mehr als zehn Prozent gestiegen. Die Aussicht auf neue Touristenströme hat nicht nur positive Seiten: Es wird befürchtet, dass diese an immer mehr Orten für überfüllte Städte und Umweltzerstörung sorgen und Rituale und Bräuche zu einem folkloristischen Showelement degradieren. Doch wird sich die wachsende Mittelschicht in Afrika, Asien und Lateinamerika nicht nehmen lassen, was Europäer und Nordamerikaner seit Jahrzehnten genießen: das Entspannen im Urlaub und die Entdeckung neuer Kultur- und Naturlandschaften.

Afrika ist vom Over-tourism dabei noch weit entfernt: Der gesamte Kontinent verzeichnete etwa ein Achtel der Reisetätigkeit in Europa. Und Afrika besitzt so viele Naturlandschaften, Küstengebiete und kulturelle Vielfalt, dass der Tourismus großes Potenzial besitzt. Tourismus kann auch ein echter Entwicklungsmotor sein, vor allem dann, wenn die lokale Bevölkerung eingebunden und mitgenommen wird. Er kann Infrastrukturprojekte anstoßen, er kann Einnahmen für Natur- und Artenschutz generieren, er kann kulturellen Austausch ermöglichen. Als arbeitsintensiver Sektor kann der Tourismus viele neue Jobs schaffen – und das auch in entlegenen Regionen, wo es sonst wenige Erwerbsmöglichkeiten gibt. Letztlich kann er dafür sorgen, dass nicht nur immer mehr Gäste, sondern auch immer mehr Menschen vor Ort profitieren.

Foto: Stefan Karisch