Das Gespräch führte Bernhard Weber.
Seit fünf Jahren befinden wir uns im Krisenmodus. Wie hat Ihr Unternehmen die Herausforderungen bewältigt – und wie sind Sie für die Zukunft aufgestellt?

Köb: Die Corona-Krise war für uns besonders hart, da der Tourismus – unser Hauptmarkt – von einem Tag auf den anderen zum Erliegen kam. Das war anders als bei früheren Krisen. Wir mussten weltweit Personal abbauen, was schmerzhaft war. Gleichzeitig haben wir uns auf unser Kerngeschäft – seilgezogene Systeme – konzentriert und die Zeit genutzt, um Innovationen voranzutreiben. So haben wir mit der TRI-Line ein neues Seilbahnsystem entwickelt, das die Lücke zwischen großen Dreiseilbahnen und kleineren Einseilumlaufbahnen schließt. Wir haben in dieser Phase viel investiert und gehen gestärkt in die Zukunft.

Sie sind international tätig, haben aber Ihren Hauptsitz hier in Vorarlberg. Wie beurteilen Sie die Rahmenbedingungen am Standort Österreich?

Köb: Die Herausforderungen nehmen zu. Einerseits steigen die Lohnkosten, das wirkt sich spürbar auf die Lohnstückkosten aus. Andererseits erschwert Bürokratie neue Betriebsansiedlungen: Viele Stellen reden mit, Verfahren ziehen sich. Auch EU-Vorgaben, etwa zum Carbon Border Adjustment Mechanism oder Lieferkettengesetz, sind mit Aufwand verbunden. Zwar bringt die EU-Omnibus-Verordnung spürbare Erleichterungen in der Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Sorgfaltspflichten, aber da ist noch Luft nach oben. Nachhaltigkeit ist uns wichtig – sie muss aber umsetzbar bleiben. Trotz allem investieren wir weiter: Am Standort Wolfurt werden wir einen dreistelligen Millionenbetrag investieren und die Produktion ausbauen.

Heißt das auch mehr Mitarbeiter?

Köb: Ja, es entstehen neue Arbeitsplätze. Einerseits durch die Bündelung kleinerer, in und um Wolfurt verstreuter Standorte, andererseits durch die Erweiterung.

Welche weiteren Themen würden Sie auf die politische Agenda setzen?

Köb: Für eine langfristige Planung ist eine stabile Politik essenziell. Ein Thema, das die Unternehmen weiterhin beschäftigen wird, ist der Fachkräftemangel: Wie gewinnen wir qualifizierte Arbeitskräfte? Wie bilden wir sie aus? Wie holen wir sie ins Land? Welche Möglichkeiten gibt es beispielsweise für Fachkräfte, die auch nach der Pensionierung freiwillig weiterarbeiten möchten? Dafür braucht es Lösungen und entsprechende Rahmenbedingungen. Leistung muss sich wieder lohnen – für Unternehmen wie für Mitarbeitende.

Wie geht es Doppelmayr wirtschaftlich?

Köb: Wir entwickeln uns aufgrund unserer Internationalität gegen den wirtschaftlichen Trend in Europa. Wir sind weltweit aktiv, mit Märkten, die die konjunkturelle Schwäche in Europa kompensieren. Besonders Nordamerika hat sich in den vergangenen drei Jahren zu einem unserer stärksten Märkte entwickelt. Auch in Asien und Lateinamerika sehen wir großes Potenzial, insbesondere in den Bereichen Ganzjahrestourismus und urbane Anlagen. Gleichzeitig erholt sich der Wintertourismus in Europa – er zeigt sich nämlich erstaunlich resilient.

Wo sehen Sie die künftigen Wachstumsmärkte?

Köb: Ein Wachstumstreiber ist der urbane Bereich. Seilbahnsysteme werden zunehmend als Teil öffentlicher Verkehrsnetze erkannt. In Lateinamerika funktioniert das bereits sehr erfolgreich. Wir werden dieses Jahr aber auch eine Seilbahn im Großraum von Paris eröffnen, die vollständig in das städtische Nahverkehrsnetz integriert ist. Wir hoffen, dass dieses Projekt ein echter Gamechanger in Europa wird. Wir wollen ein Umdenken anstoßen und das Potenzial urbaner Seilbahnsysteme stärker ins Bewusstsein rücken – nicht nur in Europa, sondern auch in anderen internationalen Märkten.

In Asien und Lateinamerika sehen wir großes Potenzial.

Welchen Anteil hat der urbane Bereich im Vergleich zu klassischen Skigebieten?

Köb: Rund 60 Prozent unseres Umsatzes stammt aus dem Wintersportbereich, je etwa 20 Prozent entfallen auf Ganzjahrestourismus und urbane Mobilität. Je nach Großprojekt kann sich das kurzfristig verschieben, aber der Trend im urbanen Sektor ist eindeutig wachsend. Der Großteil unserer urbanen Projekte liegt dabei in Mittel- und Südamerika.

Welche Rolle spielt Afrika?

Köb: Bislang eine sehr geringe. Es gibt Potenzial, aber aktuell setzen viele afrikanische Städte noch auf kostengünstigere Verkehrslösungen wie Busse. Wir haben Projekte in Kenia und Nigeria verfolgt, die jedoch nicht realisiert wurden. Aktiv sind wir derzeit hauptsächlich in Nordafrika – etwa in Marokko und Algerien.

Was sind die größten Herausforderungen bei der Umsetzung solcher Projekte?

Köb: Die extrem langen Entwicklungszeiten – das Projekt in Paris hat bis zur Umsetzung zehn Jahre gedauert. In urbanen Regionen fehlt oft das Know-how über Seilbahnsysteme, daher ist intensive Überzeugungsarbeit nötig. In Skigebieten kennt man Seilbahnen, in Städten sind sie erklärungsbedürftig. Hinzu kommen kulturelle Unterschiede, etwa in Lateinamerika, wo andere Herangehensweisen gefragt sind als im alpinen Raum.

Wo liegen die Vorteile der Seilbahn im Vergleich zu U-Bahn, Straßenbahn oder Bus?

Köb: Die Seilbahn ist in den seltensten Fällen ein Ersatz für ein Verkehrsnetz – auch wenn wir in Bolivien bewiesen haben, dass es möglich ist. Ihr größter Mehrwert liegt in der Ergänzung bestehender Systeme, wie etwa in Mexiko. Seilbahnen eignen sich hervorragend, um Außenbezirke schnell und direkt an U-Bahn- oder Busnetze anzubinden – unabhängig von der Straßeninfrastruktur. Ihr großer Vorteil: Sie bewegen sich in einer eigenen Dimension – über dem Verkehr. Staus werden vermieden, die Kabinen sind kontinuierlich in Bewegung, was auch sicherheitstechnisch relevant ist. In Ländern wie Kolumbien oder Mexiko schätzen die Menschen die Seilbahn als sicheres und schnelles Verkehrsmittel: Man überfliegt lieber gefährliche Zonen, anstatt sie zu durchqueren. Auch der Bauaufwand ist im Vergleich zu einer U-Bahn gering: Wenige Stützen, kompakte Stationen, oft direkt in Gebäude integrierbar – das bringt enorme Flexibilität in der Stadtplanung.

Kann die Beförderungskapazität mithalten?

Köb: Natürlich kann eine U-Bahn deutlich mehr Menschen befördern. Aber mit modernen Systemen wie unserer TRI-Line lassen sich bis zu 8.000 Personen pro Stunde und Richtung transportieren. In der Praxis liegt der Standardbereich eher bei 4.000 bis 4.500 – das reicht für viele Anwendungen völlig aus.

Ist dies der Trend der Mobilität?

Büttner: Der Trend geht klar in Richtung Multimodalität – Seilbahnen sind zunehmend Teil städtischer Verkehrsüberlegungen. In fast jeder größeren europäischen Stadt gibt es inzwischen Studien oder Konzepte dazu. Parallel werden E-Busse, Straßenbahnen oder autonome Fahrzeuge diskutiert. Aber all diese Systeme benötigen Straßenraum, die Seilbahn hingegen nutzt den Luftraum und benötigt minimale Infrastruktur – das reduziert Kosten und Platzbedarf erheblich.

Doppelmayr gilt als Innovationstreiber. Wie gelingt es, diese Vorreiterrolle zu halten?

Köb: In einem Markt mit wenigen Anbietern ist Innovation ein wesentlicher Differenzierungsfaktor. Wir müssen dem Kunden echten Mehrwert bieten – durch neue Ideen, bessere Funktionalität oder höhere Sicherheit. Die Grundtechnologie ist vergleichbar, entscheidend sind die Details – etwa autonomes Fahren, automatische Steuerungen oder Sicherheitssysteme.

Die Seilbahn bewegt sich in einer eigenen Dimension – über dem Verkehr.

Wie halten Sie den Pioniergeist im Unternehmen lebendig?

Köb: Zum einen durch ein engagiertes, kreatives Team, das ständig an neuen Lösungen arbeitet. Zum anderen durch den engen Austausch mit den Kunden. Viele Ideen entstehen aus der Praxis und lassen sich dann auch auf andere Bereiche übertragen.

Wie ist Ihnen der Markteintritt in Lateinamerika gelungen – und woran scheitert es in anderen Regionen?

Köb: Ein entscheidender Türöffner war Bolivien. Das Projekt in La Paz hat weltweit Aufmerksamkeit erzeugt – viele Delegationen sind angereist, um sich das System anzusehen. Als man sah, dass es funktioniert, folgten andere Städte wie Mexiko-Stadt. Mexiko verfolgt eine Zwei-Lieferanten-Strategie – man will Wettbewerb unter den Anbietern fördern, was uns zusätzliche Chancen eröffnet hat. Wir setzen dabei konsequent auf lokale Präsenz. In jeder Region, in der wir aktiv werden wollen, gründen wir eigene Gesellschaften. In Mexiko betreuen mittlerweile rund 150 Mitarbeitende den gesamten lateinamerikanischen Raum.

Lokale Betreuung bedeutet nicht nur Nähe zum Kunden, sondern ist vor allem im urbanen Raum entscheidend – dort sind die Betriebszeiten dicht getaktet und die Wartungsfenster extrem knapp. Den Einstieg machen wir mit europäischen Fachkräften, die das Wissen dann an lokale Mitarbeitende weitergeben. Heute sind rund 90 Prozent unserer Teams in Lateinamerika lokal aufgestellt.

Was sind die häufigsten Gründe, warum urbane Projekte scheitern?

Köb: Es gibt hier zwei Hauptfaktoren: fehlende Grundstücke und mangelnde Finanzierung. Wenn sich keine geeignete Trasse finden lässt – etwa wegen komplexer Besitzverhältnisse – wird ein Projekt schnell unmöglich. Und natürlich braucht es eine solide Finanzierung. Die Investition liegt nämlich zu Beginn bei der Kommune, die Refinanzierung erfolgt später dann über Ticketing. Wenn dieses Grundfundament nicht steht, ist das Projekt nicht realisierbar.

In urbanen Regionen fehlt oft das Know-how über Seilbahnsysteme, daher ist intensive Überzeugungsarbeit notwendig.

Arbeiten Sie mit Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit zusammen?

Köb: Ja, wir kooperieren mit UN-Habitat und stehen in Kontakt mit Entwicklungsbanken, etwa der Weltbank, die nachhaltige Mobilitätsprojekte finanzieren. Auch wenn daraus bisher noch kein direktes Geschäft entstanden ist, sind diese Beziehungen wertvoll – sie ermöglichen neue Dialoge und den Zugang zu städtischen Entwicklungsnetzwerken.

Spielen die Sustainable Development Goals (SDGs) eine Rolle für Ihr Unternehmen?

Köb: Absolut. Unsere Produkte leisten einen konkreten Beitrag zu nachhaltiger Mobilität – insbesondere im urbanen Raum.

Wie lassen sich Wachstum und Nachhaltigkeit bei Doppelmayr vereinen?

Köb: Für uns gehen beide Ziele Hand in Hand. Unsere Seilbahnsysteme schaffen sichere, zeitsparende und umweltfreundliche Mobilität – und damit auch gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt.

Welche Rolle spielen Werte in Ihrem Unternehmen?

Köb: Unser Wertesystem ist fest in unserer Unternehmenskultur verankert – im Umgang mit Mitarbeitenden, Kunden, Lieferanten und Partnern. Respekt, Integrität, Augenhöhe und Gesetzestreue sind für uns selbstverständlich – das ist im Verhaltenskodex festgeschrieben und Teil unseres „Doppelmayr Spirit“. Ohne diese Werte wären wir nicht dort, wo wir heute stehen.

Und was treibt Sie persönlich Tag für Tag an?

Köb: Die Freude an der Arbeit. Ich bin gebürtiger Wolfurter – das macht es für mich besonders, für einen globalen Marktführer direkt in meiner Heimatgemeinde Verantwortung zu tragen. Dazu kommt das Engagement unserer Mitarbeiter. Wenn ich sehe, wie sie für unsere Produkte brennen, wie sie bereit sind, auch noch die Extrameile zu gehen – dann ist das auch für mich persönlich Motivation, über das Normale hinaus Leistung zu bringen.


Zur Person

Michael Köp ist CFO und Mitglied des Executive Board der Doppelmayr Gruppe sowie Geschäftsführer der Doppelmayr Seilbahnen GmbH. Seine Karriere startete er bei Deloitte, war danach für die Zumtobel Group tätig und kam schließlich 2011 zur Doppelmayr Gruppe. Er leitete das Konzernrechnungswesen, war dann ab 2017 bei der Doppelmayr Seilbahnen GmbH Bereichsleiter für Verwaltung und Finanzen, bevor er 2021 Mitglied der Geschäftsführung wurde. Seit April 2023 gehört er dem Executive Board des Doppelmayr Group Management an.

Doppelmayer-Hauptsitz in Wolfurt

Zum Unternehmen

Das Seilbahnunternehmen mit Sitz in Wolfurt (Vorarlberg) ist weltweit führend in der Entwicklung und dem Bau seilgezogener Transportsysteme. Gegründet 1893 als Maschinenfabrik, ist Doppelmayr heute in rund 50 Ländern mit 100 Tochtergesellschaften aktiv. Rund 3.500 Mitarbeitende sind weltweit für das Unternehmen tätig, davon etwa 1.700 in Österreich. Doppelmayr hat bisher 15.700 Seilbahnsysteme in knapp 100 Ländern realisiert – für Wintersport, Tourismus und zunehmend auch für den urbanen öffentlichen Verkehr. Die Gruppe erwirtschaftete zuletzt einen Umsatz von etwas mehr als einer Milliarde Euro.

Fotos: Bernhard Weber, Doppelmayr