Sie sind seit fast vierzig Jahren als Holzeinkäufer tätig. Wie hat sich die Holzbeschaffung in dieser Zeit verändert?
Grill: Die größte Veränderung ist, dass Zertifikate inzwischen eine höhere Bedeutung haben als Forstgesetze. Das ist nachvollziehbar, weil in vielen Ländern mit schwacher staatlicher Durchgriffsmacht Forstgesetze nicht umgesetzt werden.
Oder von höchster politischer Ebene torpediert werden, wie aktuell in Brasilien, wo der Präsident den Amazonas abholzen lassen will. Dort planen Sie ein Faserzellstoffwerk. Wie kann in einem solchen Umfeld Nachhaltigkeit gelingen?
Grill: Bei einer Entscheidung für das Projekt soll das Holz aus einem 43.000 Hektar großen, FSC-zertifizierten Nutzwald stammen, der übrigens ein paar tausend Kilometer vom Amazonas entfernt ist. Während bei uns in Österreich Zertifizierungen von Forstwirten ja oft kritisch gesehen werden, können wir in Brasilien den hohen Stellenwert dieser Zertifizierungen klar erkennen. Wir würden das ganze Projekt ohne diese nicht angehen.
Unsere Wälder wachsen und gewinnen an Diversität. Der Anteil an Buchen, die Lenzing ja vor allem verarbeitet, nimmt stetig zu. Wie bewerten Sie die heimische Holzentwicklung?
Grill: Holz ist ein Perpetuum mobile. Mit dem Vorrat steigt zugleich die Biodiversität, die Fläche des Waldes und die CO2-Bindung. Und das glücklicherweise in vielen Teilen Europas, wie eine aktuelle Studie der Universität für Bodenkultur zeigt, die wir in Auftrag gegeben haben. Für unsere Cellulosefasern ist übrigens das obere Drittel der Bäume ideal – wenn das untere, schönere Holz nun auch verstärkt im Holzbau landet, freut mich das als Forstexperten.
Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Lenzing AG