Kofi Annan Award for Innovation in Africa

Finalisten und Gewinner

Ausgabe 95 – Sommer 2022

Ob Hörtests via App, Online-Psychotherapien oder cloudbasierte Krankenhäuser: Afrikanische Start-ups entwickeln digitale Innovationen, die den Gesundheitssektor des Kontinents moderner, effektiver und zugänglicher machen sollen. Drei Sieger und sechs weitere Finalisten im Überblick.

Gewinner: Die SOS-Plattform Flare

Flare
Flare ist eine Plattform für Notfalldienste.

Ob Herzinfarkt, Geburt oder Wespenstich: Wer in Österreich einen medizinischen Notfall erleidet, dem wird über die Rettungs-Hotline 144 rasch geholfen. In Kenia müssen Angehörige oder die Patienten selbst verschiedene Krankenwagenanbieter durchrufen oder mit eigener Kraft das nächste Krankenhaus aufsuchen. Wertvolle Zeit geht dabei verloren. Das kenianische Unternehmen FLARE (gegründet 2016) ist Helfer in der Not: Es hat eine Plattform für Notfalldienste aufgesetzt, die tausend Erstversorger, 800 Krankenwagen und 33 Flugambulanzen vernetzt, innerhalb weniger Minuten Rettungseinsätze koordiniert und damit eine raschere Patientenversorgung sicherstellt. Rund 1,2 Millionen Menschen nutzen den kostenpflichtigen Rund-um-die-Uhr-Service. Das auch als „Uber für Krankenwagen“ bezeichnete Healthtech plant den Ausbau des Service im ländlichen Kenia und später auch in Uganda, Tansania, Ghana und Nigeria.

Gewinner: Der diskrete Berater myPaddi by MOBicure 

Die App myPaddi by MOBicure bietet Nutzern diskrete Beratung in Sachen sexueller und reproduktiver Gesundheit.

Das nigerianische Start-up MOBICURE (gegründet 2015) bietet jungen Menschen Beratung in Sachen sexueller und reproduktiver Gesundheit. Mit der App myPaddi by MOBicure erhalten Nutzer einen diskreten Zugang zu Informationen und Produkten, wobei der Schwerpunkt auf der Prävention und dem Umgang mit sexuellem Missbrauch, Teenager-Schwangerschaften und sexuell übertragbaren Krankheiten liegt. Darüber hinaus ermöglicht die App den anonymen Austausch mit Beratern und Ärzten – sowie auch untereinander. Die Plattform hat bereits 130.000 Nutzer in 16 afrikanischen Ländern erreicht, zwei Drittel davon sind junge Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren. In den nächsten zwei Jahren will das Start-up, das derzeit in Internetapotheken, Künstliche Intelligenz und eine neue App investiert, 500.000 Nutzer erreichen. 

Gewinner: Impfkontrolleur VaxiGlobal

VaxiGlobal
VaxiGlobal hat ein Verifizierungssystem für Impfungen entwickelt.

Mehr als die Hälfte aller Impfstoffe erreicht nicht die gewünschten Zielgruppen, so Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation. Ein Grund: Viele Menschen besitzen überhaupt keine Identitätsnachweise beziehungsweise verlieren ihre Impfdokumente. VAXIGLOBAL aus Simbabwe (gegründet 2019) hilft Personen, die sich nicht ausweisen können, Zugang zu den richtigen Impfungen zu bekommen. Dazu werden Menschen mit einer Gesichtserkennungssoftware registriert, die biometrischen Daten in einer Cloud abgespeichert und mit digital zertifizierten Impfungen verlinkt. In Simbabwe, der Demokratischen Republik Kongo und in Botswana wurden Pilotprogramme bei der Verabreichung von Covid-Impfstoffen mit mehr als 1,1 Millionen Teilnehmern durchgeführt. Aktuell arbeitet das Start-up in Simbabwe und Sambia an der Weiterentwicklung des Verifizierungssystems für Gelbfieberimpfungen.

Die sechs weiteren Finalisten des Kofi Annan Awards

GeroCare
Fernbetreuung
Das Healthtech GEROCARE (gegründet 2017) macht die medizinische Betreuung für ältere kranke Angehörige leichter organisierbar. So können im Ausland lebende Afrikaner ihre in Nigeria lebenden Angehörigen in der GeroCare-App registrieren. Diese werden mit einem lokal ansässigen Arzt vernetzt und regelmäßig besucht. Darüber hinaus können Untersuchungen und Medikamente unkompliziert über die App bezahlt werden. Mehr als 750 Ärzte, 800 Apotheken und 100 Labore in 52 nigerianischen Städten sind Teil von GeroCares cloudbasiertem Krankenhaus. Das Start-up betreut circa 115.000 Menschen und schätzt das Marktpotenzial in Nigeria auf bis zu 2,7 Millionen Patienten. Expansionspläne reichen bis Kenia, Ghana und Südafrika.
Shezlong
Onlinetherapie
Das ägyptische Unternehmen SHEZLONG bietet seit 2014 Online-Psychotherapie für Patienten in Afrika und dem Nahen Osten. Shezlong kooperiert mit 350 Therapeuten aus 25 Ländern, wobei Medizinerinnen bevorzugt werden: Ein Schwerpunkt sind nämlich Gesprächstherapien für Frauen, die Gewalt und Missbrauch erlebt haben. Beim Matchmaking von Patient und Therapeut setzt das Unternehmen auf Künstliche Intelligenz. Shezlong engagiert sich auch in Aufklärungskampagnen gegen kulturelle Stigma rund um mentale Gesundheit. Die Plattform erreicht derzeit rund 70.000 Menschen in 85 Ländern. Es sollen noch viel mehr werden: Das Unternehmen bereitet die Expansion nach Südafrika, Nigeria und Kenia vor.
Rocket Health
Therapiebegleiter
Wer in Uganda den Code *280# ins Handy tippt, wird mit ROCKET HEALTH verbunden. Das Telemedizin-Start-up unterstützt seit 2012 chronisch Kranke, ihre Therapien bei Diabetes, Bluthochdruck oder psychischen Erkrankungen einzuhalten. Das im Großraum von Kampala tätige Unternehmen bietet Patienten Sprach- und Videoanrufe mit Ärzten und die Lieferung von Medikamenten. Auch physische Arzttermine sind leicht möglich – in Uganda, wo auf einen Arzt rund 25.000 Patienten kommen, nicht selbstverständlich. Bislang haben fast vier Millionen Patienten die Hotline genutzt. Rocket Health hat ein Netzwerk von 35 Kliniken, 650 Apotheken und fünf Versicherungen aufgebaut und schmiedet derzeit große Expansionspläne auch außerhalb Ugandas.
Lifestores Healthcare
Einkaufsmanager
In Afrika gibt es mehr als eine Million Apotheken und Drogerien, die oft auch erste Adresse für medizinische Fragen sind. Doch viele der meist kleinen Anbieter leiden selbst – nämlich unter mangelnder Verfügbarkeit von Arzneien, überhöhten Einkaufspreisen und allzuoft auch unter gefälschter Ware. LIFESTORES HEALTHCARE aus Mauritius (2017 gegründet) löst diese Probleme, indem es die Beschaffung der Apotheken über eine digitale Plattform bündelt. Aktuell kümmert sich das Start-up um den Einkauf von 500 Apotheken in Nigeria, der dadurch um bis zu zehn Prozent günstiger wird. Das Netzwerk bietet den Apotheken zudem Zugang zu Krediten und E-Commerce-Diensten. Lifestores Healthcare will nun in Kenia aktiv werden.
Deaftronics
Hörtest per App
In afrikanischen Ländern bleiben Hörschäden oft unerkannt und unbehandelt, denn auf einen Audiologen, der Hörtests durchführen kann, kommen bis zu sechs Millionen Menschen. DEAFTRONICS aus Botswana (gegründet 2019) begegnet diesem Problem mit der App mDREET, mit der sich Hörscreenings via Smartphone durchführen lassen. Das vergrößert das Testangebot und senkt die Testkosten von 50 auf nur einen Dollar. Werden Hörschäden festgestellt, bietet Deaftronics günstige Hörgeräte, deren Batterien mit Sonnenlicht aufladbar sind – ein wichtiges Feature, weil sich viele Familien den Batterieaustausch nicht leisten können. Deaftronics führte Pilotprogramme in Botswana, Tansania, Simbabwe und Uganda durch.
Talamus
Patientenhilfe
Die Gesundheitsplattform TALAMUS (gegründet 2016) möchte die Transparenz und Effizienz im Gesundheitssektor erhöhen. Das Start-up ermöglicht es zum einen Patienten, über ihr Handy Termine mit Ärzten zu vereinbaren, Untersuchungsergebnisse abzurufen, Medikamente anzufordern und Arztrechnungen zu bezahlen. Zum anderen können mithilfe von Talamus auch Gesundheitsdienstleister ihre Abläufe vollständig digitalisieren und damit die Versorgung der Patienten optimieren. In Ghana, Nigeria und Südafrika sind mehr als 200 Kliniken, 520 Apotheken, 80 Labore und einige Versicherungen bereits online vernetzt. Derzeit erweitert Talamus, das 120.000 Nutzer zählt, die Handy-App um eine Sprachassistenz und expandiert nach Simbabwe.
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Fotos: beigestellt