Der Lieferketten-Spagat

Große Unternehmen haben oft tausende Zulieferer in aller Welt. Die Herausforderung, in dicht gewebten Liefernetzwerken Menschenrechtsverletzungen zu identifizieren, ist enorm.

Barbara Coudenhove-Kalergi
Barbara Coudenhove-Kalergi

Kein Unternehmen will Menschenrechte verletzen. Und doch beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass ein österreichischer Importeur ab der zweiten Lieferkettenstufe einer risikobehafteten Produkt-/Länderkombination ausgesetzt ist, nahezu 100 Prozent – so die Ergebnisse einer Analyse des Supply Chain Intelligence Institute Austria. Der Begriff „Lieferkette“ ist hier schon missverständlich, handelt es sich doch in Wirklichkeit um Liefernetzwerke, und die sind dicht gewebt. Große Unternehmen können bis zu 10.000 Zulieferer haben. 

Die europäische Richtlinie zur Lieferkettenverantwortung (CSDDD), die aktuell zwischen Parlament und Rat verhandelt wird und 2024 in Kraft treten soll, will, dass Unternehmen diese Risiken drastisch verringern, ohne sich aus bestimmten Ländern zurückzuziehen. Funktionieren soll das, indem sie ihre gesamte Wertschöpfungskette überprüfen. Das stellt Unternehmen praktisch vor die enorme Herausforderung, Risiken, die über direkte Geschäftsbeziehungen hinausgehen, überhaupt einmal zu identifizieren. Man darf gespannt sein, wie 27 nationale Gesetze zur CSDDD den Spagat zwischen hehrem Anspruch und praktischer Umsetzbarkeit auf kohärente Weise hinbekommen werden.

Barbara Coudenhove-Kalergi ist Expertin für ESG in der Lieferkette bei PwC Österreich.

Foto: PwC