Crowd4Climate: Kleinanleger für Klimaschutz

Die Online-Plattform Crowd4Climate aus Wien ermöglicht (Klein-)Anlegern Direktinvestitionen in globale Klimaschutzprojekte. Das Jahr 2022 war ein Meilenstein für C4C – erstmals wurden Darlehen von über einer Million Euro mobilisiert.

Saving Grains
Hohe Ernteverluste schaden dem Klima. Das Start-up Saving Grains hilft Getreidebauern und -händlern – und betreibt so auch Klimaschutz.

Stefan Kainz ist wohl das, was man einen digitalen Nomaden nennt. Statt an einem einzigen Arbeitsplatz zu sitzen, findet man ihn mal in seinem Büro in der Wiener Börsegasse, mal im Home Office, mal ist er in Ostafrika unterwegs und besucht Sozialunternehmen – und einmal in der Woche ist er in der farbenfroh von Friedensreich Hundertwasser gestalteten Müllverbrennungsanlage Spittelau zu finden. Seit dem Herbst 2022 ist dieser ungewöhnliche Ort die Heimat des Climate Lab, einem Innovationszentrum, in dem Unternehmen, Start-ups, Wissenschaftler und NGO an nachhaltigen Lösungen für den Klimaschutz arbeiten.

Inmitten dieses inspirierenden Umfelds nutzt Kainz die Chance, neue Kontakte zu knüpfen und den Austausch zu pflegen. Seine Begeisterung für den Klimaschutz ist so groß, dass er Anfang 2023, nach einem Vierteljahrhundert in der Finanz- und Start-up-Branche, die Leitung von Crowd4Climate übernahm. Dabei handelt es sich um die „größte Plattform in Österreich und Deutschland für Direktinvestitionen in internationale Klimaschutzprojekte“, erklärt er.

Crowd4Climate: Investment per Schwarm

Crowd4Climate, kurz C4C genannt, wurde im Jahr 2015 von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik ÖGUT und der Energy Changes Projektentwicklung GmbH ins Leben gerufen. Das Hauptziel von C4C ist es, Klein- und Privatanleger dazu zu bewegen, abseits klassischer Aktien, Fonds und Kapitalmärkte in den Klimaschutz zu investieren. Die Finanzierung erfolgt durch Crowdinvesting, bei dem eine Vielzahl von Anlegern gemeinsam das benötigte Finanzierungsvolumen für ein Unternehmen bereitstellen. Die Finanzierung „im Schwarm“ bietet Menschen, die direkt in konkrete Projekte investieren möchten, eine leicht zugängliche, unkomplizierte Option. In Österreich gibt es derzeit rund 20 solcher – mehr oder weniger aktive – Plattformen, die Investitionsmöglichkeiten etwa in Immobilien, Lebensmittelinnovationen oder Apps anbieten.

In den vergangenen acht Jahren hat C4C insgesamt etwa 3,5 Millionen Euro für 18 Projekte in Afrika, Asien, Lateinamerika, Deutschland und Österreich gesammelt. Gemäß Kainz haben alle Projekte eins gemeinsam: Sie unterstützen kleine und mittlere Unternehmen sowie Start-ups bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien beziehungsweise bei klimaschützenden Praktiken. Oft beinhaltet dies den Austausch verschmutzender Dieselgeneratoren durch saubere Solarenergie. Ein Beispiel hierfür ist das philippinische Familienunternehmen Folife, ein Hersteller von PPE-Trinkflaschen und -Wasserbehältern, das durch Crowdinvesting eine Teilfinanzierung für eine 454 kWp große Solaranlage auf seinem Dach erhielt. Ähnliche Projekte wurden für den metallverarbeitenden Betrieb Xcellent in Thailand und den Hersteller von Tragetaschen und Transportsäcken Kim Duc in Vietnam umgesetzt.

Interview mit Stefan Kainz und Verena Riedler

Stefan Kainz, Verena Riedler

Klimaimpact mit Rendite

Stefan Kainz, CEO von Crowd4Climate und Verena Riedler, Impactinvestorin, wollen nachhaltige Investments „demokratisieren“ und so für viele Menschen möglich machen.

Crowd4Climate: Holistische Lösungen

C4C-Projekte drehen sich nicht immer um Solaranlagen. Ein Start-up, das heuer – erfolgreich – über die Crowdfundingplattform Geldmittel eingesammelt hat, ist das 2019 in Berlin gegründete Saving Grains. CEO Wolfgang Mittmann hat früher beim Welternährungsprogramm als Experte für Ernteverluste gearbeitet und eine Lösung konzipiert, die der Wertschöpfungskette im Getreidehandel zugutekommt: In Afrika sind hohe Ernteverluste aufgrund von Verderb oder Insektenbefall weit verbreitet und werden auf 25 bis 30 Prozent geschätzt. Diese Verluste tragen zum Klimawandel bei, wie Impactexpertin Verena Riedler, die das Projekt im Auftrag von C4C analysiert hat, erklärt: „Durch den Verrottungsprozess werden Methanemissionen freigesetzt, zusätzlich erfordern die hohen Ernteverluste den Anbau auf weiteren landwirtschaftlichen Flächen.“

Saving Grains schult Kleinhändler dabei, Getreide fachgerecht zu säubern, zu trocknen und in hermetischen Beuteln sicher vor Schädlings- und Schimmelbefall zu lagern. Dadurch lässt sich übrigens auch der Weiterverkauf des Getreides verschieben – weg von der Erntehochsaison, wenn viel Angebot am Markt herrscht, hin zu einem späteren Zeitpunkt, wenn die Preise deutlich steigen. Jede Transaktion der Getreidebeutel wird mithilfe von Sensoren und einer Handy-App in einer Cloud-Datenbank erfasst. Die Vorteile dieser Lösung sind eine Reduzierung der Verluste nach der Ernte, verbesserte Rückverfolgbarkeit der Getreidebestände und höhere Einkommen für Bauern und Händler. In puncto Klimaschutz setzt C4C die CO2-Belastung pro Tonne verlorenen Getreides mit 1,2 Tonnen an und rechnet damit, dass durch das Projekt in den kommenden fünf Jahren mindestens 115.000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden werden können.

Saving Grains bietet hermetische Säcke, um wertvolles Getreide zu schützen.

Crowd4Climate: Ab 250 Euro dabei

Saving Grains sammelt noch bis Ende Juli Crowddarlehen in Summe von 250.000 Euro ein – das ist bei C4C-Projekten das gängige Volumen. Im Jahr 2022 setzte C4C einen Meilenstein, indem erstmals mehr als eine Million Euro innerhalb eines Jahres für vier Projekte mobilisiert wurde. Kainz betont, dass das Bewusstsein in Österreich und Deutschland für die Relevanz von Energieprojekten steigt. Bislang haben sich rund tausend, hauptsächlich männliche Investoren an C4C-Projekten beteiligt. Für die Zukunft plant der neue CEO, verstärkt Investorinnen anzusprechen. Die Eintrittsschwelle ist bewusst niedrig gehalten, ab einem Betrag von 250 Euro ist man dabei.

C4C agiert nicht als Aussteller, sondern als Vermittler für direkte Darlehen von Privatpersonen an die jeweiligen Projektträger. Die rechtliche Grundlage dafür bildet das Alternativfinanzierungsgesetz in Österreich und das Kleinanlegerschutzgesetz in Deutschland. Vermittelt werden sogenannte qualifizierte Nachrangdarlehen, die zum Ende der Laufzeit (typischerweise drei bis sieben Jahre) das investierte Kapital zuzüglich eines Zinssatzes von fünf bis sieben Prozent pro Jahr zurückzahlen. Garantie gibt es dafür keine: Im Falle eines Projektscheiterns sind die Crowd-investoren die letzten Gläubiger und riskieren einen Totalverlust. Bisher ist das einmal passiert: Das österreichische Start-up Solantis scheiterte in Uganda am Verkauf von Solarsystemen für Haushalte und Kleinunternehmen.

Kainz rät Anlegern, das Risiko durch die Streuung auf unterschiedliche Projekte zu mindern und die festgelegte Laufzeit der Investments zu beachten, da sie nicht jederzeit Zugriff auf ihr angelegtes Geld haben. Und er unterstreicht einen Vorteil: Die Investments seien gänzlich unabhängig von den Schwankungen, die typischerweise bei Börseninvestments auftreten.

Solarbakery
Energieautarke Bäckereien für Afrika

Frisches Brot mit Solarenergie Die neue Crowd4Climate-Kampagne zielt darauf ab, 500.000 Euro für zwei Bäckereicontainer im Senegal einzusammeln. Die Bäckereien wurden von dem Stuttgarter Start-up Solarbakery in Zusammen-arbeit mit Africa GreenTec als „Plug & Play“-Lösung entwickelt. Die betriebsbereit gelieferten Container nutzen ausschließlich Solarenergie von bis zu 52,5 Kilowatt, die von PV-Modulen am Dach erzeugt wird. Dadurch können sie in Gebieten mit unzu-reichender Stromversorgung frische Baguettes, Brote, Kuchen und Pizza produzieren. Die Kapazität wird mit bis zu 3.000 Broten im 24-Stunden-Schichtbetrieb angegeben. Die Container sind durch ausklappbare Extraräume erweiterbar und verfügen über einen Batterieraum, der nachts die Strom-versorgung sicherstellt. Eine integrierte Mühle ermöglicht das Mahlen von lokal erhältlichen Zutaten wie Mais, Hirse und Maniok. Solarbakery hat bereits Erfahrungen mit einem Pilotprojekt in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa gesammelt und plant nun 30 Standorte im Senegal. 

Crowd4Climate: Impact First

C4C will vor allem Investoren ansprechen, die Wert auf Impact – also die nachhaltige Wirkung eines Projekts – und nicht nur auf Gewinn legen und deren Investitionen zur Erreichung der globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung beitragen. Auf der Plattform seien demnach nur KMU und Start-ups zu finden, die einen deutlichen positiven Einfluss auf das Klima haben. Zudem müssen sie das Prinzip der Zusätzlichkeit erfüllen – das bedeutet, dass die Gelder nicht in bestehende Projekte fließen, sondern nur in zusätzliche Unterfangen. Darüber hinaus müssen sie wirtschaftlich tragfähig und bewährt sein. „Wir investieren nicht in Forschungsvorhaben oder Projekte, die noch nicht marktfähig sind, da die Unternehmen ja das Kapital innerhalb von fünf Jahren zurückzahlen müssen“, erklärt Kainz. Die Unternehmen sind hauptsächlich in Deutschland und Österreich ansässig, einige auch in Entwicklungsregionen, „sofern der Rechtsrahmen in den Ländern stimmt“, so Kainz. 

Seit März 2023 ist C4C als Sozialunternehmen registriert, das dezidiert auf Profiterzielung ausgerichtet ist, um mit den Gewinnen weiteres Wachstum möglich zu machen. Die neu formulierte Mission von C4C besteht darin, nachhaltige und regenerative Geldanlagen zu demokratisieren und den Diskurs über gute Geldanlagen zu beeinflussen. Kainz, der durch ein Management-Buy In selbst an C4C beteiligt ist, unterstreicht: „Es gibt genügend Geld und ausreichend Klimaschutzprojekte – was heute fehlt, ist nur das Wissen, wie man mit Geld positive Wirkung erzielen kann.“

Bilder: Saving Grains, Africa GreenTec