Interview

Bangkok umsiedeln ist keine Option

Ausgabe 97 – Winter 2022/23

Bangkok hat ein hohes Überflutungsrisiko und wenige Grünflächen. Mit Dachfarmen, Kanalgärten und wasserspeichernden Parks will die thailändische Landschaftsarchitektin Kotchakorn Voraakhom die Stadt wasserresilienter machen.

Kotchakorn Voraakhom
Kotchakorn Voraakhom, Landprocess
Sie setzen sich dafür ein, Ihre Heimatstadt Bangkok wasserresilienter zu machen. Warum ist das notwendig?

Voraakhom: Bangkok ist eine Stadt des Wassers, genauer gesagt von drei Arten des Wassers: Es gibt heftige Regenfälle, saisonales Wasser aus den nördlichen Flüssen, und den Anstieg des Meeresspiegels. Noch vor 50 Jahren war Bangkok amphibienhaft, wir Bangkoker wurden scherzhaft Krokodile genannt, weil wir mit Wasser und Trockenheit gleich gut umgehen konnten. Damals gab es noch ausreichend Kanäle und landwirtschaftliche Flächen, die den Wasserstand regulierten. Heute geht das kaum mehr, denn die Stadt ist zugepflastert und niedrig gelegen. Jetzt haben wir schon Überschwemmungen nach einer Viertelstunde Regen. Bangkok könnte in wenigen Jahrzehnten versinken, es senkt sich schon jetzt laufend ab. 

Lässt sich die Megacity noch retten? 

Voraakhom: Die Lösung ist jedenfalls nicht, dass irgendwann 20 Millionen Menschen die Koffer packen und umsiedeln. Es gibt kein zweites Bangkok, daher kämpfe ich dafür, dass die Stadt hart daran arbeitet, sich an das Wasser anzupassen. Naturbasierte Methoden sind dabei sehr hilfreich. Allerdings ist es herausfordernd, die Natur in die Stadt zurückzubringen, weil sie so dicht besiedelt ist und wir einfach keinen Platz für riesige Freiflächen haben. 

Wir können auch keine Maßnahmen aus anderen Ländern übernehmen, sondern müssen im lokalen Kontext planen. Bangkok braucht vor allem „kondensierte Lösungen“, in denen Regenwassertanks, grüne Dächer, Feuchtgebiete, Rückhalteteiche und auch Erholungsraum für Menschen auf kleiner Fläche kombiniert werden. Hier geht es also auch stark darum, gemeinsam mit Architekten Projekte zu kreieren, die beispielsweise Gebäude mit Dachfarmen kombinieren. Wichtig ist, dass die Stadt möglichst durchlässig wird, also das Zuviel an Wasser abspeichern und auch sehr schnell loswerden kann.

Chulalongkorn University CU Centenary Park
2017 wurde der von Ihnen geplante wasserspeichernde CU Centenary Park eröffnet, über den weltweit berichtet wurde. Ist es einfacher geworden, neue Projekte umzusetzen?

Voraakhom: Es war der erste neue Park für Bangkok nach 30 Jahren und alles andere als einfach, ihn zu realisieren – allein schon weil hohe Grundstückspreise vieles verhindern. Der Park ist auch nur ein ganz kleiner Teil der Lösung, aber zumindest ein erster Schritt, um Menschen die Augen für die Möglichkeiten zu öffnen. Landschaftsarchitektur ist ja grundsätzlich nichts Neues, sie wird seit 200 Jahren gemacht, denken Sie etwa an den Central Park in New York. Durch den Klimawandel wächst aber weltweit das Bewusstsein für den Wert der Natur in der Stadt. Ich war heuer auf der UN-Klimakonferenz COP27, wo erstmals naturbasierte Lösungen für den Klimaschutz auf Papier festgehalten wurden. Auch das ist wichtig, wenn auch nicht der notwendige große Schritt nach vorn.

Dafür braucht es natürlich ausreichend Finanzierung?

Voraakhom: Auf der COP27 ging es stark um die Mobilisierung von Geldern aus Industrieländern für Entwicklungsländer. Ich bin der Meinung, dass wir die Einstellung haben müssen, uns erst einmal selbst zu helfen, effektive Lösungen zu entwickeln und diese in Strategien zu integrieren. Genauso wie man Pläne für Straßenbau und Instandhaltung macht, braucht es diese für naturbasierte Methoden. Geld ist natürlich wichtig. Sollte man tatsächlich Anpassungsfinanzierung bekommen, muss man dennoch die Vorarbeit geleistet haben, um die Gelder sinnvoll einzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch! 
Foto: Landprocess