„Alles halb so wild“, sagt der Salzburger Paul Schreilechner, Gründer und CEO des Cashewproduzenten BIOTAN, zu Beginn des zweiten telefonischen Interviewtermins – und er kann auch schon wieder lachen. Der erste Termin war einem Brand in seiner Cashewfabrik in Tansania zum Opfer gefallen. Ein Ventilator der Kühlkammer hatte, wohl aufgrund einer Vielzahl aufeinanderfolgender Stromausfälle, Feuer gefangen. Der Schaden hält sich in Grenzen – da hatte Schreilechner in den vergangenen Jahren schon deutlich kompliziertere Herausforderungen zu meistern. Seit 2017 hat der studierte Botaniker in Tansanias Wirtschaftsmetropole Daressalam einen Verarbeitungsbetrieb für Bio-Cashews von Grund auf aufgebaut, daneben monatelange Verhandlungen geführt, um den Verstaatlichungsfantasien des tansanischen Ex-Präsidenten John Magufuli zu trotzen, und klimabedingte Ernteausfälle kompensiert. Heute bezieht er die Cashew-Ernte von mehr als 1.000 biozertifizierten tansanischen Kleinbauern, beschäftigt 300 Mitarbeiter, davon 80 Prozent Frauen, in seiner Fabrik und erwirtschaftet mit dem Export der Nusskerne nach Österreich und in weitere europäische Länder rund zwei Mio. Euro jährlich.

Beliebter Arbeitgeber: BIOTAN beschäftigt in seiner Cashewverarbeitungsfabrik in Daressalam 300 Mitarbeitende, vornehmlich Frauen.

AAIF finanziert Wachstum

Feuer und Flamme ist Schreilechner momentan für die Skalierung seines Geschäfts. In den kommenden Jahren will er die Jahresproduktion von Bio-Cashews von derzeit 1.600 Tonnen auf 5.000 Tonnen erhöhen. Die Errichtung einer neuen Fabrik, die er dafür braucht, steht unmittelbar bevor. Finanziert wird das Bauvorhaben zur Hälfte über die African-Austrian SME Investment Facility AAIF, welche die Oesterreichische Entwicklungsbank OeEB im Auftrag des Finanzministeriums BMF verwaltet. 

Lukas Hecke, der bei der OeEB für das relativ junge Finanzierungsinstrument zuständig ist, begründet den zugesagten Kredit in Höhe von 800.000 Euro so: „BIOTAN hat innerhalb weniger Jahre in Tansania eine beeindruckende Größe erreicht, den Proof of Concept erbracht und den entwicklungspolitischen Nutzen des Vorhabens nachgewiesen. Somit können wir bei der weiteren Skalierung unterstützen.“ Auf den Proof of Concept – also den Nachweis, dass das Konzept umsetzbar und wirtschaftlich tragfähig ist – legt Hecke besonderen Wert: „Wir vergeben das Geld treuhändig für das BMF, deswegen muss das Projekt einen belastbaren Business Case vorweisen.“ 

AAIF geht in die Verlängerung

Die African-Austrian SME Investment Facility besteht seit 2018. Sie wurde vom BMF ins Leben gerufen, um österreichische Unternehmen bei der Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit in Afrika zu unterstützen. BIOTAN ist eines von fünf Unternehmen, das bisher davon profitiert hat. Zukünftig sollen es deutlich mehr werden. Am Africa Day der Wirtschaftskammer Ende Jänner verkündeten BMF und OeEB eine Verlängerung des Instruments um weitere drei Jahre und eine Aufstockung des Budgets von zehn auf insgesamt 30 Mio. Euro. 

Pro Projekt werden zwischen 500.000 und drei Mio. Euro an Beteiligungskapital oder Mezzaninkrediten (einer Mischung aus Eigen- und Fremdkapital), jedenfalls maximal 50 Prozent des Kapitalbedarfs zu „marktgemäßen Konditionen“ gewährt. Die Marktgemäßheit bemisst sich dabei an vergleichbaren Krediten für Projekte in Europa. Das Besondere an den Mezzaninkrediten ist: Sollte das Projekt scheitern, wird die OeEB gegenüber weiteren Geldgebern nachrangig bedient. Die konkreten Konditionen unterscheiden sich von Projekt zu Projekt. 

Interview mit Lukas Hecke, OeEB

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Aufbau beendet

Lukas Hecke von der Oesterreichischen Entwicklungsbank erwartet eine deutliche Steigerung an finanzierten Projekten, weiß aber auch um weiteren Handlungsbedarf.

Hecke erklärt weiter: „Die Laufzeit beträgt meist sieben bis zehn Jahre. Die Auszahlung wird in den ersten ein bis zwei Jahren anlässlich der Erreichung von Meilensteinen, etwa dem Vorliegen von Kostenvoranschlägen für Maschinen oder Lieferverträgen, vorgenommen. Letztlich versuchen wir immer auf die spezifischen Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen. So sind vorzeitige Rückzahlungen genauso möglich wie eine Kombination mit anderen Finanzierungsinstrumenten oder auch externen Absicherungen.“

Zielgruppe der AAIF sind insbesondere, aber nicht ausschließlich, österreichische Klein- und Mittelbetriebe, die über Know-how im Bereich Umwelttechnik und Erneuerbare Energien verfügen und Unterstützung bei der Projektentwicklung sowie beim Aufbau von Produktionsstandorten in Afrika benötigen. Harald Waiglein, zuständiger Sektionschef im BMF, verortet das Instrument innerhalb des Finanzierungsangebots: „Mit Transaktionsgrößen von bis zu drei Mio. Euro pro Projekt schließt die AAIF eine Finanzierungslücke zwischen den Wirtschaftspartnerschaften der Austrian Development Agency ADA und größeren Beteiligungs- und Finanzierungsprojekten der OeEB.“

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Auf Cashew-Einkaufstour: Paul Schreilechner bezieht seine Nüsse ausschließlich von Kleinbäuerinnen und -bauern.

Instrumente kombinieren

Dass und wie Unternehmen die verfügbaren österreichischen Finanzierungsinstrumente auch kombinieren können, lässt sich wiederum an BIOTAN illustrieren. Schreilechner berichtet: „Wir haben uns den Cashewmarkt akribisch erarbeitet, zuerst nur Minipilotprojekte in Tansania durchgeführt und kleine Mengen produziert, die ich potenziellen Kunden in Österreich zu verkosten gab.“ Aufgrund der positiven Resonanz und nach der ersten erfolgreichen Verschiffung eines Containers nach Europa wandte sich Schreilechner 2017 an die ADA. Diese finanzierte erst eine Machbarkeitsstudie und dann eine Wirtschaftspartnerschaft, also einen auf 200.000 Euro und drei Jahre Laufzeit begrenzten Zuschuss für nachhaltige Projekte im Unternehmensumfeld in Entwicklungsländern.

Nach Zusage der ADA war Schreilechner in der Lage, eine Produktionshalle anzumieten und Cashew-Verarbeitungsmaschinen in Vietnam zu kaufen. Der Finanzierungsbedarf war damit aber nicht gestillt. „Schon damals habe ich mich nach Möglichkeiten umgeschaut, um eine neue Fabrik zu finanzieren, die es uns erlaubt, unser Business deutlich auszuweiten. Es gab nichts für uns. Die neue Afrikafazilität kam dann aber zu einem guten Zeitpunkt und der gewährte Kredit entspricht unserem Bedarf“, so Schreilechner.

Zusätzlich zum privaten Kapital der BIOTAN-Gesellschafter und den Mitteln des AAIF hat der Unternehmer eine zweite Wirtschaftspartnerschaft mit der ADA über 200.000 Euro abgeschlossen: „Der limitierende Faktor für unsere Produktion ist bislang die Verfügbarkeit von Material, also die Menge an Rohcashews von biozertifizierten Bauern. Um das zu ändern, werden wir mit Unterstützung der ADA unser Netzwerk an Kleinbauern deutlich ausweiten. Das ist auch aus der Entwicklungsperspektive der ADA sinnvoll“, erklärt Schreilechner.

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Dachziegel aus Plastikmüll: Mitarbeiter des von der OeEB unterstützten Unternehmens Amabo in Kamerun

Österreichischen KMU, die Interesse am Aufbau eines Geschäfts in Afrika haben, empfiehlt Schreilechner ein ähnliches Vorgehen, das vor allem „sehr systematisch“ sein sollte. Damit spricht er Lukas Hecke von der OeEB aus der Seele: „Die ADA kann mit ihrem Programm der Wirtschaftspartnerschaften den Aufbau fördern. Wenn der Proof of Concept erfolgversprechend ist, helfen wir bei der Skalierung.“ Auch ein Nebeneinander der Finanzierungen ist möglich: „Parallel mit der ADA und uns zusammenzuarbeiten ist ebenfalls sinnvoll, weil wir in erster Linie Investitionsausgaben finanzieren. Alles, was in Richtung Bildung und Aufbau von Partnernetzen – etwa von Kleinbauern – geht, läuft besser über die ADA“, so Hecke. Wenn alle Schritte erfolgreich umgesetzt wurden und das Projekt an Umfang gewonnen hat, können auch größere Fremdkapitalfinanzierungen der OeEB in Betracht gezogen werden.

AAIF-Pioniere

Zu den ersten Kunden des AAIF zählt, neben Paul Schreilechner, Sonja Sagmeister mit ihrem Unternehmen Amabo. Amabo ist in Kamerun aktiv und presst dort die omnipräsenten Plastikabfälle mit Sand vermischt zu Dachziegeln, einer stabileren und umweltfreundlicheren Alternative zu den üblichen Wellblechdächern. Auch Sagmeister ging den Weg von der Wirtschaftspartnerschaft zum OeEB-Kredit. Perspektivisch möchte sie Amabo zu einem bedeutenden Plastikrecyclingunternehmen ausbauen.

Unter ganz anderen Voraussetzungen konnte der Medizinproduktehersteller Lohmann und Rauscher (Jahresumsatz 2021: 758 Mio. Euro) von der Fazilität profitieren. Das österreichisch-deutsche Unternehmen erhielt daraus einen Kredit von einer Mio. Euro, in Ergänzung zu einem Kredit in Höhe von vier Mio. Euro, den ihm die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft DEG gewährte. Die Mittel fließen in die Errichtung eines Fertigungsstandorts für medizinische Produkte, unter anderem Operationsbekleidung, in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. 500 Arbeitsplätze sollen dadurch vor Ort geschaffen werden.

Lukas Hecke freut sich über die große Bandbreite an Projekten, die von der AAIF bereits unterstützt werden konnten. Ein deutlicher Schwerpunkt werde in den kommenden Jahren aber bei kleineren Projekten im Solarbereich liegen. So wie jenem der österreichischen Unternehmensgruppe RP Global, die für ihr Joint Venture mit dem senegalesischen Solaranbieter Oolu Solar in der ersten Phase des AAIF einen Kredit in Höhe von 1,5 Mio. Euro erhalten hat, um in Westafrika vier bis sechs Photovoltaik-Anlagen mit einer Gesamtkapazität von 2,5 Megawatt zu errichten. Eine Solaranlage auf einer Fabrik im nigerianischen Bundesstaat Kano ist bereits im Probebetrieb. Dan Rosa, Gründer und CEO von Oolu Solar, ist mit der Zusammenarbeit mehr als zufrieden: „RP Global und die Oesterreichische Entwicklungsbank haben uns sehr geholfen bei der Frage, wie wir unser Geschäft skalieren können. Wir hoffen, in Zukunft noch stärker zusammenzuarbeiten.“

Dabei stellte die OeEB auch zusätzliche Mittel für technische Unterstützung bereit. OeEB-Vorständin Sabine Gaber erklärt die dahinterliegende Motivation: „Damit können wir die über die AAIF finanzierten Unternehmen etwa im Bereich Umwelt- und Sozialrisikomanagement, sowie bei technischen, rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Fragen unterstützen, um Know-how und Kapazitäten aufzubauen und Risiken zu mindern.“

Expansionspläne

Zukünftig könnte die Afrikafazilität sogar den afrikanischen Boden verlassen, denn die OeEB öffnet das Finanzierungsinstrument auch für Projekte in wenig entwickelten Ländern außerhalb Afrikas (beispielsweise Nepal, Bhutan oder Myanmar). Paul Schreilechners Fokus gilt derweil ganz seiner Wahlheimat Tansania. „Es gibt hier noch viel zu tun“, sagt er. Sobald die neue Fabrik fertig ist, möchte er auch in den Anbau von Cashewbäumen investieren. 3.000 Hektar eigene Anbaufläche hat er anvisiert. Zudem will er die Anzahl von Partnerbauern auf 3.000 verdreifachen. Aktuell wird nur ein Zehntel der jährlichen Cashew-Ernte Tansanias im Land verarbeitet. Dem Land entgehen so Deviseneinnahmen und tausende Arbeitsplätze. Schreilechner möchte dies ändern – Schritt für Schritt, systematisch und mit der richtigen Hilfe. 

Fotos: Biotan, Amabo, Prosper Africa