USAID Chefin Samantha Power
Ziele im Blick USAID-Chefin Samantha Power vertritt dezidiert amerikanische Werte.

Samantha Power ist im August nicht nur nach Äthiopien gereist, um Getreidesäcke oder Covid-Impfstoffe zu verteilen. Vielmehr prangerte sie im Namen der USA vor Ort sowie via Social Media die grassierenden Menschenrechtsverletzungen an und rief vehement alle Konfliktparteien dazu auf, die Kämpfe umgehend einzustellen. Man merkte ihr an, dass sie mehr ist als „nur“ Amerikas oberste Entwicklungshelferin. Als ehemalige Journalistin, Buchautorin, US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen und Vertraute Barack Obamas ist sie die prominenteste Chefin, die die United States Agency for International Development USAID je hatte. Als US-Präsident Joe Biden sie an die Spitze der amerikanischen Vorzeigeagentur beförderte, bedachte er diese gleich auch mit einem deutlich erhöhten Budget und gewährte Power einen Sitz im Nationalen Sicherheitsrat. Nach Jahren der Geringschätzung unter Donald Trump wird Entwicklungszusammenarbeit in den USA damit wieder zu einer politischen Priorität.

USAID-Gründung: ein historischer Akt

Samantha Power sieht sich ideell in der Nachfolge des Gründers der Agentur: Ex-Präsident John F. Kennedy. Laut Kennedy habe Amerika sich seiner „moralischen Verpflichtungen als weiser Führer und guter Nachbar“ nicht entziehen können – Worte, die auch in Powers Festrede anlässlich des 60. Jubiläums der Behörde, das heuer begangen wird, fallen könnten. 

JFK gründete USAID per Dekret am 3. November 1961 und vereinte unter ihrem Dach alle bereits bestehenden Organisationen und Programme der amerikanischen Entwicklungs-
zusammenarbeit, mit einem doppelten Ziel: inmitten des Kalten Krieges die außenpolitischen und -wirtschaftlichen Interessen der USA zu fördern und zugleich den Menschen in ärmeren Ländern bei der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung unter die Arme zu greifen. USAID betont zwar ihre politische Unabhängigkeit, folgt aber den Vorgaben des State Department – und wird politisch der Demokratischen Partei zugeordnet. 

Während zu Zeiten Kennedys die Eindämmung des Kommunismus in Lateinamerika oder Südostasien im Vordergrund stand, fließen heute große Teile der USAID-Gelder vor allem nach Afrika sowie in den Mittleren Osten. Damals wie heute zeigt die Agentur also Präsenz in als strategisch wichtig erachteten Ländern. Auch die übergeordnete Mission hat sich über die Zeit kaum geändert: „Im Namen des amerikanischen Volkes fördern und demonstrieren wir demokratische Werte im Ausland und setzen uns für eine freie, friedliche und prosperierende Welt ein.“

JFK gründete USAID per Dekret
Gründungsakt John F. Kennedy gründete USAID per Dekret im Jahr 1961.

USAID verfügt über ein Mammutbudget

Was die absoluten Zahlen angeht, ist USAID der unumstrittene Platzhirsch unter den nationalen Entwicklungsagenturen: 27,7 Mrd. US-Dollar beträgt im kommenden Jahr das Budget – rund sieben Mrd. Dollar mehr als heuer. Der staatlichen deutschen Entwicklungsagentur GIZ stehen zum Vergleich rund drei Mrd. Euro zur Verfügung. Doch auch wenn USAID mit Abstand die größte Agentur ist, sieht es bei den gesamten staatlichen Entwicklungsleistungen ganz anders aus: Mit lediglich 0,17 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungszusammenarbeit rangieren die USA auf Rang 24 der 29 von der OECD geführten Geberländer – hier liegen Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark und Deutschland an vorderster Front.

In den Entwicklungsländern selbst zählen aber keine Prozente. Und so sei der Einfluss von USAID allein aufgrund der schieren Größe enorm, sagt Stephan Klingebiel, Experte für internationale Entwicklungszusammenarbeit beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik DIE: „Bei den regelmäßigen Befragungen in Entwicklungsländern nach den wichtigsten Partnern stehen IWF und Weltbank auf Platz eins und zwei, und an dritter Stelle immer USAID. Sie sind der wichtigste bilaterale Geber“, so Klingebiel. Dazu kommt, dass auch die zwei genannten internationalen Finanzinstitutionen vielerorts jahrzehntelang als Vehikel der US-amerikanischen Entwicklungsagenda wahrgenommen wurden und teils bis heute werden.

Daten und Fakten

Regionaler Fokus

Im Vorjahr lagen die Top-Empfängerländer sämtlich im Mittleren Osten und Subsahara-Afrika.

Mehr private Gelder

USAID-Mitarbeiter sind fast auf der ganzen Welt zu finden: 3.000 arbeiten in Washington und mehr als 6.000 in 118 Ländern weltweit. In knapp 100 Staaten ist die Agentur durch eigene Länderbüros, sogenannte Missions, vertreten, die zumeist in den US-Botschaften angesiedelt sind und eigene Entwicklungsprogramme im jeweiligen Land verfolgen. Vor Ort leistet USAID vorrangig technische Entwicklungszusammenarbeit. Zusätzlich wurden in den vergangenen Jahren die Bemühungen an den Finanzmärkten verstärkt. So sollen etwa im Zuge des Programms Catalyze über einen Zeitraum von acht Jahren Mischfinanzierungen in Höhe von zwei Mrd. Dollar mobilisiert und für Projekte in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden.

Darüber hinaus ist im Kontext der Entwicklungsfinanzierung vor allem die Gründung der Entwicklungsbank Development Finance Corporation DFC vor zwei Jahren bedeutsam. Diese gehört zwar nicht zu USAID, arbeitet mit der Agentur aber bei einer Vielzahl von Projekten eng zusammen. In jedem USAID-Länderbüro arbeiten auch DFC-Mitarbeiter, und als USAID-Chefin sitzt Samantha Power automatisch im DFC-Board. 

Bild aus vergangenen Tagen USAID-Computerunterricht für Mädchen in Kabul

USAID hat stets die Gesundheit im Blick

Während USAID mit Programmen und Projekten in allen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit – von Landwirtschaft über Energieversorgung bis Frauenempowerment – aufwartet, stechen drei entwicklungspolitische Schwerpunktthemen besonders heraus: Demokratieförderung, Privatsektorentwicklung und – als Kernthema – Gesundheit. Allein in den vergangenen 20 Jahren hat USAID weltweit mehr als 140 Mrd. Dollar für Gesundheitsprogramme zur Verfügung gestellt. „Gesundheit ist das herausragende Thema. Das haben wir bei AIDS und Malaria gesehen, jetzt auch bei Covid. Und USAID ist eine Institution, die in Entwicklungsländern dabei wirklich eine wichtige Rolle spielen kann“, sagt Klingebiel.

So hatte USAID bereits in den 1960er und 1970er Jahren einen nicht unbeträchtlichen Anteil daran, dass die Pocken als erste und bis heute einzige Infektionskrankheit ausgerottet werden konnten. Mehr als 700 Millionen Menschen profitieren jährlich von den Malaria-Behandlungen und Präventionsmaßnahmen, die USAID bereitstellt. Und allein im Vorjahr versorgte USAID rund zwölf Millionen AIDS-Kranke mit Medikamenten. Darüber hinaus ist der globale Kampf gegen Covid-19 eine der beiden Prioritäten für die Biden-Administration. USAID wird dafür im Rahmen des „American Rescue Plan“ fast elf Mrd. Dollar zur Verfügung gestellt. 

Als zweites großes Thema forciert USAID den Klimaschutz. „Wir entwickeln derzeit eine ehrgeizige neue Klimastrategie, die im November auf der VN-Klimakonferenz vorgestellt werden wird“, berichtet Michele Sumilas, Leiterin des Planungsbüros bei USAID. Da wirkt es schon verhältnismäßig weit weg, dass USAID-Mitarbeiter bis Ende vergangenen Jahres laut Weisung von ganz oben den Begriff „Klimawandel“ offiziell nicht verwenden durften. 

Interview mit Michele Sumilas, Leiterin des USAID-Planungsbüros

USAID Mitarbeiterin Michele Sumilas

Verstärkte Präsenz

Für Michele Sumilas, Leiterin des USAID-Planungsbüros, ist die Einbindung des Privatsektors von übergeordneter Bedeutung.

USAID wird gebremst durch alte Muster

Kritik von Entwicklungsexperten betrifft vor allem mangelnde Effektivität und Offenheit für Innovationen. Und obwohl die Bindung an den Buy American Act aus dem Jahre 1933, der vorschreibt, dass öffentliche Stellen Produkte und Dienstleistungen aus den USA zu bevorzugen haben, vor einigen Jahren gelockert wurde, arbeitet USAID nach wie vor fast ausschließlich mit amerikanischen Herstellern, Konsulenten und Transportfirmen zusammen. „Rund 85 Prozent der Mittel werden über amerikanische Unternehmen und Organisationen abgewickelt“, so Klingebiel. Dabei gingen im Jahr 2017 60 Prozent der Mittel an nur 25 Organisationen – vom Beratungsunternehmen Chemonics über Konzerne wie IBM bis zu internationalen Großorganisationen wie dem Welternährungsprogramm.

Samantha Power, die mit dem Versprechen, deutlich evidenzbasierter arbeiten zu wollen, angetreten ist, will auch in diesem Bereich an Stellschrauben drehen. Kürzlich präsentierte sie vor dem US-Kongress, dass die Einbindung von lokalen Partnern von nun an deutlich ausgebaut werden solle. Schließlich profitiere ihre Agentur stark von lokalen Organisationen, die sowohl „über das Wissen verfügen, um maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln, als auch die Glaubwürdigkeit haben, diese umzusetzen“.

USAID spürt Konkurrenz mit China

Nicht zuletzt aufgrund des eigenen Anspruchs, für demokratische Werte und eine freie Welt einzustehen, wird die Arbeit von Power in den USA immer mehr im Lichte der Systemkonkurrenz mit China gesehen. Ein Freund-Feind-Schema wie zu Zeiten des Kalten Krieges und der Trump-Administration hilft dabei nicht weiter. So suchen die USA etwa bei Klimaschutz-Projekten die Zusammenarbeit mit Peking. Dennoch präsentiert sich Washington gerade auch durch die Aufwertung von USAID nun verstärkt als ein entwicklungspolitisches Gegengewicht zum chinesischen Kurs.

Fotos: USAID (2), Abbie Rowe/USAID, Matty Stern/US Embassy Israel