Laut Ihrer Studie nimmt die Bedeutung von frugalen Innovationen in Österreich stetig zu. Wie sollten Unternehmen darauf reagieren?
Tiwari: Produktentwickler müssen wieder lernen, dass es auch eine technologische Kunst ist, Probleme mit einfachen Mitteln zu lösen, den Materialbedarf zu senken und letztlich eine Technologie zu entwickeln, die für weite Teile der Gesellschaft auch leistbar ist. Bei einer Veranstaltung in Österreich kam kürzlich ein Unternehmer auf mich zu und sagte: „Wenn ich in meinem Produkt 200 Funktionalitäten habe und davon nur vier gebraucht werden, haben wir beim nächsten Update trotzdem 204 Funktionalitäten.“ Was einmal eingeflossen ist, wird nicht mehr herausgenommen. Hier müssen wir ansetzen und uns fragen: Was braucht der Kunde tatsächlich und was könnte beispielsweise modular angeboten werden? Tools zur Produktentwicklung haben wir genug, aber frugale Innovation ist eine Frage des Mindsets.
Dieser ist Ihrer Studie nach hierzulande noch ausbaufähig. Befindet sich Österreich in einer ähnlichen Lage wie Deutschland?
Tiwari: Die beiden Länder sind nicht direkt vergleichbar. Deutsche Unternehmen sind viel aktiver in Schwellenländern wie Indien oder China und spüren den Druck, frugal zu innovieren, entsprechend unmittelbarer. Die österreichischen Exporte gehen hingegen hauptsächlich in die EU, daher orientieren sich die Unternehmen kaum an den Bedürfnissen in weniger entwickelten Märkten.
Ist der Hauptgrund für frugale Innovationen also noch immer der Absatzmarkt in Schwellenländern?
Tiwari: Die Antwort hierauf ist ein klares Jein. Die Nachfrage nach frugalen Produkten und Dienstleistungen wird schließlich auch in Österreich in gewissen Bereichen deutlich zunehmen. Aber frugale Innovationen sollten auch nicht nur im Zusammenhang mit Verkaufszahlen gesehen werden, sondern als Imperativ, um große gesellschaftliche Probleme zu lösen und dabei den Lebensstandard vieler Menschen zu verbessern. Wir brauchen frugale Innovationen, um etwa die Ernährungssicherheit in weiten Teilen der Welt zu gewährleisten, um Gesundheitsherausforderungen in armen Ländern zu meistern, Lösungen also, die lokal funktionieren, bezahlbar sind und zur vorhandenen Infrastruktur passen.
Vielen Dank für das Gespräch!