Es sprudelt! Seit September 2017 fördert eine weitere Pumpe auf der Sekem Farm in der El-Wahat El-Bahariya Oase in der Westlichen Wüste Ägyptens, knapp 400 Kilometer südlich von Kairo, kostbares Nass aus 30 Meter Tiefe, ohne dass ein Dieselgenerator im Hintergrund knattert. Die Pumpe zur Bewässerung von mehr als zehn Hektar Anbaufläche arbeitet nun mit Strom, den eine Photovoltaikanlage mit einer Spitzenleistung von 60 Kilowatt generiert. Die Anlage wurde mit Technologie, Know-how und Finanzierung aus Österreich errichtet. Sie unterstützt als Trainings- und Demonstrationsanlage die Bemühung mehrerer österreichischer Firmen, den Solarenergiemarkt in Ägypten anzuheizen.
Initiiert wurde das Vorhaben von der steirischen Beratungsfirma Sekem Energy, die mit der Sekem-Gruppe in Ägypten eng zusammenarbeitet. Sekem-Gründer Ibrahim Abouleish war Gesellschafter der Sekem Energy, Sohn Helmy ist ihm inzwischen nachgefolgt. Sekem ist ein Sozialunternehmen, das biologisch-dynamische Landwirtschaft in ganz Ägypten betreibt, dazu Schulen, ein Spital, ein Berufsbildungszentrum und mit der Heliopolis Universität eine akademische Einrichtung in Kairo, wo sich künftige Entscheidungsträger globalen Herausforderungen stellen und nachhaltige Lösungen für ihr Land erforschen. Ein Hauptfach für Studierende der Ingenieurswissenschaften ist Erneuerbare Energie mit Schwerpunkt Solarenergie.
ADA an Bord
Sekem verfügte bereits über zwei Solaranlagen, welche mit internationalen Fördergeldern zu Forschungszwecken errichtet wurden: eine erste 2013 auf dem Dach der Heliopolis Universität, eine zweite 2015 auf der Sekem Farm in der bereits genannten Oase. In der Kooperation mit österreichischen Akteuren will Sekem nun einen Schritt vorankommen, nämlich den eigenen vollständigen Umstieg auf Erneuerbare Energie in den kommenden Jahrzehnten vorbereiten und den Einstieg in Solarenergie im ganzen Land fördern. „Natürlich ist die Photovoltaik-Technologie in Ägypten nichts Neues“, erklärt Michael Puttinger von Sekem Energy, der das Projekt leitet, „das Problem ist, dass viele Anlagen mangels fachgerechter Planung und Installation sehr schnell wieder zum Stillstand kommen. Fehler bei Wartung und Betrieb tragen dann noch das Ihrige bei.“ Puttinger sieht die Krux in der mangelhaften Ausbildung von Ingenieuren und Handwerkern, weshalb das Vorhaben hier ansetzt. Dass die Austrian Development Agency ADA das Projekt im Rahmen einer Strategischen Allianz unterstützt, begründet ADA-Programm-Manager Gottfried Traxler dann auch „mit der Schaffung von Green Jobs durch Ausbildung Hand in Hand mit dem Angebot einer erschwinglichen nachhaltigen Energielösung in Ägypten.“
Partner in Aktion
Als das Projekt Ende 2016 an den Start ging, beschritt die ägyptische Energiebehörde gerade neue Wege. Da die Stromerzeugungskosten explodierten, seit das Land zur Deckung des steigenden Energiebedarfs Erdöl importieren musste, waren Anfang 2015 erstmals geradezu attraktive Möglichkeiten für Private eröffnet worden, Energie ins öffentliche Netz einzuspeisen. Dies hatte die österreichischen Partner (siehe Kasten) bei ihrem Vorhaben, Solartechnologie nach Ägypten zu bringen, beflügelt. Doch wurde die Regelung schrittweise revidiert und schließlich ganz zurückgenommen. Andererseits wurde die Solarstromerzeugung für Großabnehmer zunehmend interessanter, da absehbar war, dass Stromtarife und Dieselpreise weiterhin kontinuierlich steigen würden, bis das Welthandelsniveau erreicht war. Solarstrom war damit nur eine Frage der Zeit. Daher beschlossen die Partner, das Projekt unter geänderten Vorzeichen fortzuführen und den Fokus auf Industrie, dezentralen Siedlungsbau, Tourismus und Landwirtschaft zu verlegen.
Als Projektleiter übernahm es Sekem Energy, den Stand der Solarstromtechnologie in Ägypten, Möglichkeiten der lokalen Produktion von Anlagekomponenten sowie Finanzierungsmodelle für Solarstromanlagen zu erforschen. Zugleich ging Elektro Merl an die Planung der Vorzeigeanlage auf der Sekem-Farm. Bei der Installation konnten Technikstudenten der Heliopolis Universität Erfahrungen sammeln und die Inbetriebnahme wurde zugleich für eine Schulung des Train-the-Trainer-Kurses genutzt, die das BFI Burgenland aufgesetzt hatte. Fast zwanzig Mitarbeiter mehrerer Universitäten sowie Entsandte aus dem Energie- und Wohnbauministerium schlossen den ersten Kurs dieser Art erfolgreich ab und können jetzt als zertifizierte Photovoltaik-Techniker firmieren. Auf Basis von Leitfäden zu Installation, Betrieb und Sicherheit von Solarstromanlagen in Ägypten, die das Projektteam erstellte, entwickelte das BFI Burgenland außerdem ein Praxistraining für Elektriker sowie eine Ausbildung zum PV-Anlagenwart, die am Sekem Berufsbildungszentrum bereits zu Abschlüssen führte. Zusätzlich entwickelte Sekem Energy ein Training für Studierende für Gruppenführungen zu Photovoltaikanlagen.
Sämtliche Erkenntnisse und der Stand der Dinge wurden bei einer Konferenz zur Zukunft der Solartechnologie in Ägypten im Oktober 2018 Vertretern der Wissenschaft, Politik und Wirtschaft präsentiert. Besonders freut Puttinger, dass drei zertifizierte Absolventen des Photovoltaikkurses für die Errichtung eines Megasolarparks der Regierung nahe Assuan engagiert wurden. Und dass von ägyptischer Seite bereits konkretes Interesse an Solarprojekten mit Beteiligung österreichischer Firmen vorliegt.
DIE PARTNER IM PROJEKT
Austro-Know-how für Ägyptens Solarenergie-Sektor
Die Sekem Energy in Graz entwickelt unter der Leitung von Birgit Birnstingl seit ihrer Gründung 2009 Energiekonzepte unter Nutzung erneuerbarer und regionaler Ressourcen für Regionen, Gemeinden und Betriebe. Der Consulter hat in Kooperation mit der Sekem-Gruppe und der Austrian Development Agency bereits ein Projekt zur Markteinführung nachhaltiger Solarthermie in Ägypten umgesetzt. Elektro Merl in Bruck an der Mur ist ein traditionsreiches Elektrotechnikunternehmen, das im Fachhandel wie im Service tätig ist. Merl hat in mehreren Ländern Afrikas Photovoltaikprojekte umgesetzt. Die internationale Abteilung des Berufsförderungsinstituts BFI Burgenland trägt österreichische Expertise zu beruflicher Aus- und Weiterbildung in Entwicklungsländer. Die Kanzlei Sattler & Schanda Rechtsanwälte in Wien verfügt über eine breite Energierechtsexpertise.