Ghana gehört zu den fortschrittlichsten Ländern Afrikas im Bereich der Abfallwirtschaft, die Regierung versucht, die Müllproblematik des 34-Millionen-Einwohner-Landes schrittweise in den Griff zu bekommen. Während heute noch ein Großteil des Abfalls auf Deponien endgelagert wird – Umweltprobleme inklusive –, sollen zukünftig Recycling und stoffliche Verwertung im Mittelpunkt stehen.
Zoomlion Ghana Ltd., mit mehreren tausend Beschäftigten der landesweit größte Player bei der Sammlung, Entsorgung und Aufbereitung von Abfall in Ghana, treibt den Wandel voran. Dazu braucht es auch moderne Technologien. 2018 meldete sich das zur Jospong Group des ghanaischen Unternehmers Joseph Agyepong gehörende Unternehmen bei der steirischen Komptech GmbH und erwarb eine Anlage für die Hauptstadt Accra. Kurz darauf folgte die Bestellung eines weiteren, erheblich größeren Maschinensystems für Kumasi, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dieses kann täglich 600 Tonnen Siedlungsabfall verarbeiten. Zusätzlich kaufte Zoomlion 13 semimobile Anlagen, die über das Land verteilt täglich je 200 Tonnen Hausmüll verarbeiten können. Insgesamt investierte Zoomlion knapp 30 Mio. Euro in Technologien von Komptech.

Auftakt für die Waste Academy am Sitz des Kompost- und Recyclingbetriebs von Zoomlion in Kumasi

 

Kooperation mit der ADA

Die laufende Wartung und Betreuung der Anlagen des Top-Kunden Zoomlion in Ghana wird durch einen Komptech-Servicepartner gewährleistet. Es zeigte sich aber bald, dass fundierteres Wissen auch bei Zoomlion selbst dringend erforderlich war: nicht nur für den sachgemäßen Betrieb und die Wartung der Maschinen, sondern auch für die Optimierung des Outputs, vor allem die Erzeugung von Kompost aus organischem Material, sowie die Weiterentwicklung der gesamten Wertschöpfungskette. Eine Machbarkeitsstudie – durchgeführt mit Unterstützung der NGO ICEP und finanziert von der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit – offenbarte allerdings: Trotz der hohen Nachfrage nach Fachkräften im Abfallsektor gibt es in Ghana kein interdisziplinäres Branchenwissen zu Abfallwirtschaft und -management. Ohne Wissenstransfer aus Europa war kein Weiterkommen möglich.
2023 startete Komptech ein dreijähriges Projekt, das mit einer Förderung der Austrian Development Agency ADA diesen Transfer ermöglichen soll. Als Umsetzungspartner wurden die TU Wien und die Kwame Nkrumah University of Science and Technology (KNUST) in Kumasi gewonnen. Gottfried Traxler, Leiter des Referats Wirtschaft und Entwicklung bei der ADA, begründet die Förderzusage folgendermaßen: „Das Projekt ist ein Meilenstein für die Abfallwirtschaft in Afrika. Der Kapazitätenaufbau stärkt den Arbeitsmarkt, fördert die Kreislaufwirtschaft und leistet einen direkten Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz.“

Wissenstransfer

Im ersten Projektjahr stand die Ermittlung des lokalen Wissensbedarfs und die Entwicklung von Trainingsinhalten im Fokus, berichtet Irita Opara, Projektleiterin bei Komptech. Gemeinsam mit der Jospong-eigenen Schulungsabteilung entwickelten Komptech und das Institut für Verfahrenstechnik der TU Wien Trainingsprogramme und -materialien. Die Inhalte beginnen bei Maschinen- und Prozesstechnik und reichen über integrierte Abfallwirtschaftsplanung, biologische Abfallbehandlung und Kompostierung bis zu Kreislaufwirtschaft und Recycling, thermischer Abfallverwertung und Deponietechnologien.
Bereits im Frühjahr 2024 wurden die ersten zwei Trainingsblöcke abgehalten. Sie richteten sich an das mittlere und obere Management der Jospong-Gruppe und wurden zugleich für den offiziellen Launch des Programms genutzt – mit großem Medienecho. Derzeit wird daran gearbeitet, Teile des Kursmaterials online zugänglich und damit variabel einsetzbar und langfristig verfügbar zu machen. Bis zum Projektende sollen mindestens 1200 Jospong-Mitarbeiter und Stakeholder das Grundlagentraining durchlaufen und mindestens 100 Mitarbeiter an Fortgeschrittenenkursen teilnehmen. Die Organisation und Logistik der Trainings übernimmt das Jospong-Trainingsinstitut.

Eine zentrale Rolle im Programm kommt der Ausbildung von „Mastertrainern“ zu. Sie stammen aus dem Unternehmen selbst, bringen einschlägige höhere Ausbildungen mit und werden auf Expertenniveau geschult, um die Trainingsprogramme in den nächsten Jahren eigenständig auszurollen. Auch über das Unternehmen hinaus, bis hin zum informellen Sektor – unter anderem sammeln sogenannte „Waste Pickers“ den Abfall vieler Haushalte ein. Die ersten 15 Mastertrainer sind bereits im Einsatz.
Das Projekt möchte noch weitere Entwicklungen einleiten. So will es den Aufbau eines Postgraduierten-Studiums zur Abfallverarbeitung an der KNUST erreichen und Schulabgänger mit attraktiven Praktikumsplätzen für die Abfallwirtschaft gewinnen, aber auch die Durchführung von Experten-Roundtables sowie Sensibilisierungsmaßnahmen für Mitarbeiter und Entscheidungsträger lokaler Verwaltungen anstoßen. Außerdem wird das Projekt wissenschaftlich begleitet. Durch die Publikation der Ergebnisse soll das Image des Sektors auch auf diesem Weg verbessert werden.

Expansion in neue Märkte

Zoomlion treibt zugleich seine Expansion in Nachbarländer wie Nigeria, Uganda, Kenia und Sierra Leone voran. Damit wird das im Projekt erarbeitete Wissen auch in anderen Ländern Afrikas Ausbreitung finden. Und für Komptech könnten sich neue Marktchancen ergeben. Ja, richtig: Das Projekt ist ein Meilenstein für die Abfallwirtschaft in Afrika.

Die österreichische Entwicklungsbank

Das Beste aus Abfall gewinnen 

Die Komptech GmbH in Frohnleiten erzeugt leistungsstarke Maschinen und Systeme für die mechanische und biologische Aufbereitung von Haushalts- und Industrieabfällen sowie von holziger Biomasse für die Energiegewinnung. Das Portfolio umfasst Zerkleinerungs-, Sortier- und Siebtechnik sowie Kompostumsetzer. Komptech wurde 1992, im Jahr der Einführung der verpflichtenden Hausmülltrennung in Österreich, von Umweltingenieur Josef Heissenberger gegründet. Er startete mit der Entwicklung von Kompostiertechnik. Heute ist der Komplettanbieter für die Recyclingbranche Teil der Orasis Industries Holding. Produziert wird auch in Slowenien und Deutschland, exportiert wird in mehr als 80 Länder (Exportquote: 95 Prozent).

Fütterung von Komptech-Maschinen in Kumasi
Fotos: Komptech