Wachstum wirkt

Ausgabe 93 – Winter 2021/22

Für den Wirtschaftsdelegierten Guido Stock bietet Ghanas Entwicklung Grund für Optimismus – auch wenn er keine sprunghafte Entwicklung erwartet.

 
Guido Stock, WKO-Wirtschaftsdelegierter in Lagos
Wie bewerten Sie die Entwicklung Ghanas in den vergangenen Jahren?

Stock: Ghana ist für mich das Musterland Westafrikas. Ein kleines Land, in dem das Geschäftsleben und die politische Situation in Ordnung sind. Das ist ein großer Unterschied zu den Gegebenheiten in anderen afrikanischen Ländern. Die Welt ist in Ghana vor allem deshalb in Ordnung, weil die Wirtschaft schneller wächst als die Bevölkerung. Für heuer erwartet der IWF ein Wachstum von 4,7 Prozent. Das Bevölkerungswachstum in Ghana ist zugleich mit 2,1 Prozent relativ niedrig für die Region. Da bleibt dann, im Gegensatz zu vielen anderen afrikanischen Ländern, vom wirtschaftlichen Wachstum auch wirklich etwas an mehr Wohlstand und echter Entwicklung übrig. 

Welche ghanaischen Branchen sind für österreichische Unternehmen besonders vielversprechend?

Stock: In der Regel die private Industrie mit ihrem Bedarf an Maschinen und Industrieanlagen, etwa bei der Erzeugung und dem Recycling von Kunststoffprodukten, die Bauwirtschaft mit ihrer Nachfrage nach Zulieferungen sowie die Abfallwirtschaft. Der ghanaische Staat hat wenig Mittel, wenn man das Steueraufkommen im Verhältnis zum BIP betrachtet. Aber dadurch, dass Ghana wegen seiner positiven Entwicklung und politischen Stabilität ein Darling der internationalen Gemeinschaft ist, gibt es auch immer wieder Möglichkeiten, Projekte zu günstigen Bedingungen zu finanzieren. Da können etwa österreichische Firmen durch Soft Loans auch im Infrastrukturbereich Projekte umsetzen, die sonst nicht möglich wären. 

Trotz des Wirtschaftswachstums ist vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ein großes Thema in Ghana.

Stock: Ja, dabei ist das Ausbildungssystem relativ gut. Es gibt also viele gut ausgebildete Menschen, die keine Arbeit finden, was natürlich tragisch ist. Und ich sehe eigentlich nicht, wie dieses Problem kurz- bis mittelfristig gelöst wird. Ich bin zwar überzeugt, dass Ghana sich weiterhin positiv entwickeln wird. Ich sehe im Industriebereich die verstärkte Substitution von Importen und dass die Landwirtschaft immer mehr exportiert. Aber ich sehe leider nicht, dass es eine Entwicklung geben wird wie bei den südostasiatischen Tigerstaaten, welche sehr rasch zu bedeutenden Exporteuren von Industrieprodukten geworden sind. 

Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: WKO

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