Vor genau fünf Jahren, am 12. Dezember 2015, wurde auf der Klimakonferenz in Paris Geschichte geschrieben: Fast alle Staaten der Welt einigten sich im Sinne des Klimaschutzes darauf, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius, und idealerweise auf unter 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Werten begrenzen zu wollen. Im Herbst 2018 trat der Weltklimarat IPCC dann entschieden für die Zielmarke von 1,5 Grad Celsius ein, um massive Folgen des Klimawandels zu verhindern. Und das bedeutet: Bis Mitte dieses Jahrhunderts sollte die Welt auf Netto-Null-Emissionen kommen. Dafür müssen alle anthropogenen, also vom Menschen verursachten Treibhausgase so stark wie möglich reduziert und unvermeidbare Restemissionen durch Abscheidung und dauerhafte Speicherung neutralisiert werden. Unterm Strich sollten ab 2050 also keine anthropogenen Klimagase mehr in die Atmosphäre gelangen.

Ambitionierter Klimaschutz: die Reise zur Netto-Null

So weit die Zielvorgabe. Und lauscht man den politischen Willensbekundungen, dürfte die große Dekarbonisierung schon vor der Tür stehen: Mit dem Green Deal hat sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt, Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent zu machen. Japan und Südkorea haben im Herbst angekündigt, dieses Ziel ebenfalls für 2050 anzupeilen. Der designierte US-Präsident Joe Biden plant gleiches für die USA, China will es zumindest bis 2060 schaffen. 

Klimaschutz: Constantin Saleta, Denkstatt
Constantin Saleta, Denkstatt

Und Österreich? Laut Regierungsprogramm soll hierzulande sogar schon 2040 klimaneutral gelebt und gearbeitet werden. Nur: Eine ernsthaft verfolgte Reise zur Netto-Null verlangt deutlich mehr als nur kosmetische Einzelmaßnahmen. Vor allem Unternehmen können hier im positiven Sinne einen wesentlichen Beitrag leisten, meint Constantin Saleta, Senior Consultant beim Nachhaltigkeitsberater Denkstatt in Wien: „Außerdem werden Unternehmen mit zunehmend strengeren staatlichen Regulierungen rechnen müssen und auch mit höheren Erwartungen seitens der Kunden, Investoren und der allgemeinen Öffentlichkeit.“ 

Konfusion um Klimaschutz

Dabei ist Klimaschutz für viele österreichische Unternehmen alles andere als Neuland: Sie investieren seit Jahren in energiesparende Technologien, beziehen grünen Strom, lassen Bäume pflanzen und kaufen CO2-Zertifikate. „Es gibt hierzulande einige Unternehmen, die vorne mit dabei sind, aus klimaschädlichen Produktionsweisen aussteigen und umdenken. Aber es gibt auch Unternehmen, die keinen Plan haben, wie sie künftig klimafreundlicher wirtschaften wollen und durch ihr Marketing dennoch nachhaltig erscheinen“, sagt Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens.

Schon heute führt die Bandbreite an Begriffen und Maßnahmen – die Klimaschutzcommunity spricht von „Wildwuchs“ – zu Verwirrung. Geworben wird mit sympathischen Attributen wie „klimafreundlich“, „CO2-neutral“, „netto-null“, „emissionslos“, „nachhaltig“ oder „klimaneutral“. Das macht es gerade für Laien schwierig, zwischen Vorreitern, Mitschwimmern und Nachzüglern zu unterscheiden. Ein Problem bestehe heute darin, dass es „an international anerkannten Definitionen fehlt, insbesondere was Klimaneutralität für Unternehmen tatsächlich bedeutet“, so Saleta.

Pakt für unternehmerischen Klimaschutz

Wie ein wirkungsvoller Beitrag von Unternehmen zum Klimaschutz in Österreich tatsächlich aussehen könnte, zeigt etwa der 2011 gestartete Klimaaktiv Pakt: ein freiwilliges Bündnis von zwölf Großbetrieben, die sich verpflichtet haben, österreichische Klimaschutzziele auf betrieblicher Ebene umzusetzen. An der ersten, Ende 2020 auslaufenden Runde, beteiligten sich unter anderem die BUWOG, Danone, Greiner Packaging, Ölz, REWE und Vöslauer Mineralwasser. Sie entwickelten mit Experten individuelle Klimaschutzkonzepte und setzten Maßnahmen um – von der Nutzung von Maschinenabwärme für Heizzwecke über thermische Gebäudesanierung bis zum Ausbau von Elektromobilität. 

Im Oktober wurde Bilanz gezogen: Den Paktteilnehmern gelang es, verglichen mit dem Basisjahr 2005, gemeinsam ihre Emissionen um 50 Prozent zu senken, die Energieeffizienz um 33 Prozent zu steigern und den Einsatz erneuerbarer Energieträger auf 60 Prozent zu erhöhen. Zusammen wurden somit rund 2,2 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent gespart. „Der Klimaaktiv Pakt ist ein gutes Programm für betrieblichen Klimaschutz“, lobt Saleta die Initiative, die in einer zweiten Runde bis 2030 fortgesetzt wird. Allerdings: Aus Sicht der Klimawissenschaft braucht es intensivere Anstrengungen. „Es reicht nicht, nur an den eigenen inländischen Standorten besser zu werden. Klimaschutz muss weitergedacht und ambitionierter betrieben werden“, erklärt der Experte. 

Die Klimaschutz-Lücke schließen

Doch wie lässt sich die Lücke zwischen „bemüht“ und „ambitioniert“ schließen? Was wäre „gut genug“? Und wer könnte Unternehmen dabei unterstützen? Eine Antwort gibt die internationale Initiative für wissenschaftsbasierte Ziele (Science Based Targets Initiative SBTI). Sie wurde 2015 vom Weltressourceninstitut, der Umweltschutzorganisation WWF, der Nachhaltigkeits-Transparenzinitiative CDP (ehemals Carbon Disclosure Project) und dem Unternehmensnetzwerk Global Compact der Vereinten Nationen ins Leben gerufen. Die Plattform hilft Unternehmen bei der Entwicklung von CO2-Reduktionspfaden, die sich je nach Ambitionsniveau an den Temperaturzielen von „deutlich unter 2 Grad“ oder „1,5 Grad“ orientieren. Dazu werden kurzfristige Ziele, die binnen fünf bis 15 Jahren erreichbar sind, als Meilensteine gesetzt.

Heuer hat die Initiative selbst einen wichtigen Meilenstein erreicht: Mehr als tausend Unternehmen – Anfang Dezember waren es 1.074 – haben sich ihr angeschlossen. Viele Big Player wie Amazon, Unilever, GlaxoSmithKline, Ford oder Volkswagen machen mit. Und auch zehn Unternehmen mit österreichischem Headquarter finden sich in der SBTI-Datenbank: Dazu zählen die Österreichische Post, Verbund, Lenzing, Constantia Flexibles, Austria Glas Recycling, Raiffeisen Bank International und A1 Telekom Austria. 

Klimaschutz: Stefan Ropac, WWF Österreich
Stefan Ropac, WWF Österreich

Daneben gibt es mit der Climate Group ein Netzwerk des WWF Österreich, das Unternehmen bei der Erarbeitung von wissenschaftsbasierten Zielen unterstützt. Hier sind beispielsweise IKEA Österreich, Allianz Österreich, Spar, Gugler und Vöslauer mit an Bord. „Bei manchen unserer Partner haben sich die internationalen Mutterkonzerne bereits zu Zielen verpflichtet“, erklärt Stefan Ropac, Projektleiter Klima & Energie beim WWF. Das Interesse in Österreich werde jedenfalls größer: „Während wir bei Unternehmen früher viel Überzeugungsarbeit leisten mussten, bekommen wir nun vermehrt Anfragen“, sagt Ropac. Und so war es auch nicht schwer, Mitstreiter für ein neues Pilotprojekt zu gewinnen: Berater Denkstatt und WWF Österreich begleiten gegenwärtig 15 Unternehmen bei der Umstellung auf emissionsarmes Wirtschaften auf Basis von 1,5 Grad-Zielpfaden.


15 für 1,5 Grad

Ein Pilotprojekt von WWF Österreich und Denkstatt unterstützt  Unternehmen bei der Entwicklung ambitionierter Klimastrategien. 

Wege in die 1,5 Grad-Wirtschaft“ heißt ein neues, vom Klima- und Energiefonds gefördertes Projekt für Unternehmen. In den kommenden zwei Jahren werden 15 Teilnehmer aus den Branchenclustern Gebäude, Industrie, Finanzdienstleister und Mobilität dabei begleitet, wissenschaftsbasierte Emissionsreduktionsziele (nach der Science Based Target Initiative) zu ermitteln, die einem 1,5 Grad-Ziel entsprechen. Manche Teilnehmer beschäftigen sich erstmals mit dieser Art von Zielen, andere wollen ihre bestehenden Klimapfade ehrgeiziger anlegen. WWF und Denkstatt unterstützen die Unternehmen bei der Ermittlung ihrer Treibhausgas-Fußabdrücke und hier mit besonderem Augenmerk auf indirekte Emissionen aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette. In einem zweiten Schritt geht es um konkrete Maßnahmen, die eine rasche Emissionsreduktion und damit die Erreichung der Ziele möglich machen.

Und das sind die 15 teilnehmenden Unternehmen:

  • Finanzdienstleister: BKS Bank, UniCredit Bank Austria, VBV Vorsorgekasse
  • Gebäude: A1, Value One
  • Industrie: AT&S, Greiner AG, Gugler, Mondi Group, Palfinger, RHIM, Vöslauer
  • Mobilität: ÖBB, SPAR, Österreichische Post AG

Ambitionierter Klimaschutz: Bilanz zu Beginn

Klimaschutz: Christian Ramaseder, Mondi
Christian Ramaseder, Mondi

Ein Unternehmen, das mit wissenschaftsbasierten Zielen der SBTI arbeitet und auch am 1,5 Grad-Pilotprojekt teilnimmt, ist der in London und Wien ansässige Verpackungs- und Papierriese Mondi Group. „Wir sind in einem sehr energieintensiven Bereich tätig und wollen unsere Emissionen so weit wie möglich reduzieren“, erklärt Umweltmanager Christian Ramaseder, „und wer Klimaschutz ehrlich betreiben will, muss auf extern anerkannte Ziele setzen.“ Mit ähnlichen Worten begründet auch Lisa Pum, Umweltmanagerin bei der Österreichischen Post, die Teilnahme an der SBTI: „Wir wollen die Glaubwürdigkeit unserer Klimaschutzstrategien mit wissenschaftlich anerkannten Methoden sicherstellen.“

Bekennt sich ein Unternehmen zur SBTI, muss es innerhalb von zwei Jahren Ziele erarbeiten und diese von der Initiative prüfen lassen. Rund die Hälfte der tausend Teilnehmer hat diesen Schritt hinter sich. Die Vorarbeit dazu ist aufwendig: Unternehmen müssen über die Grenzen der eigenen Betriebsstätten hinausblicken und ihre Treibhausgase in drei Kategorien, den sogenannten Scopes, ermitteln. Scope 1 sind direkte Emissionen, die durch Firmeneinrichtungen und Fahrzeuge entstehen. Zu Scope 2 zählen indirekte Emissionen durch zugekaufte Elektrizität, Heizung und Kühlung. „Die meisten Unternehmen verfügen über Daten zu Scope 1 und 2“, erklärt Ropac, „schwierig wird es erst bei Scope 3-Emissionen, die in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette anfallen, also bei Lieferanten oder auch bei Entsorgung oder Transport“. Demnach sollte beispielsweise ein Diskonter den CO2-Fußabdruck aller zugekauften Waren kennen oder ein Autoproduzent einkalkulieren, wie viel CO2 während der Nutzungsdauer eines Fahrzeugs anfällt. 

Angesichts komplexer globaler Lieferketten, unbekannten Verbraucherverhaltens oder auch des fehlenden Zugangs zu Daten stoßen Firmen schnell an die Grenzen der Machbarkeit. „In der Praxis beginnen viele Unternehmen mit der Bewertung von zwei bis drei Hotspots in der Wertschöpfungskette. Das sind Bereiche, in denen hohe CO2 -Emissionen anfallen und in denen Unternehmen Möglichkeiten sehen, eine Minderung bewirken zu können. Letzteres ist nicht so einfach. Denn selbst die größten österreichischen Unternehmen sind in globalen Wertschöpfungsketten oft nur kleine Player“, gibt Saleta zu bedenken. 

Nur wenn Scope 3-Emissionen als „bedeutend“ eingeschätzt werden, sie also mehr als 40 Prozent des Gesamt-Fußabdrucks eines Unternehmens ausmachen, müssen laut SBTI Reduktionsziele entwickelt und wirkungsvolle Maßnahmen gefunden werden. Während es relativ einfach ist, etwa Geschäftsreisen durch virtuelle Meetings zu ersetzen, können auch Änderungen im Einkauf, im Produktdesign oder in der Nutzung durch den Kunden erforderlich werden: Bei einem Babyartikelhersteller hat sich gezeigt, dass die meisten Emissionen nicht in der Produktion, sondern beim Auskochen der Schnuller in den Haushalten entstehen. Hier muss also primär beim Konsumenten angesetzt werden. „Für Lebensmittelhersteller stellt sich wiederum die Frage, ob emissionsstarke Rohstoffe ohne Nachteile bei Qualität, Preis oder Liefersicherheit ausgetauscht werden können,“ so der Denkstatt-Experte. 

Viele Stellschrauben für mehr Klimaschutz

Die Österreichische Post muss gemäß ihrer bereits 2016 gesetzten Ziele eine Reduzierung aller Emissionen bis 2025 um 14 Prozent (gegenüber 2013) schaffen. „Unser größter Scope 3-Hotspot sind die Transporte durch externe Partner“, erklärt Pum.

Klimaschutz bei der Post: Die Österreichische Post besitzt die derzeit größte E-Flotte des Landes.
Die Post besitzt mit knapp 2.000 ein- und mehrspurigen Elektrofahrzeugen die derzeit größte E-Flotte des Landes.

„Daher wollen wir in Zukunft Transporte einerseits verstärkt in unseren eigenen Verantwortungsbereich verlagern und andererseits unsere Partnerunternehmen zur E-Mobilität beraten.“ Mit knapp 2.000 E-Fahrzeugen verfügt die Post laut Pum bereits heute über den größten E-Fuhrpark Österreichs. Der Strom dafür kommt von eigenen Photovoltaik-Anlagen, die jährlich rund 1,3 Millionen Kilowattstunden Strom produzieren, sowie von zugekauftem grünen Strom aus Österreich. 

Klimaschutz: Lisa Pum, Österreichische Post
Lisa Pum, Österreichische Post

Mit Maßnahmen dieser Art konnte die Post ihre CO2-Emissionen von circa 100.000 Tonnen auf rund 76.000 Tonnen jährlich reduzieren. Aktuell überarbeitet das Unternehmen im Rahmen des 1,5 Grad-Pilotprojekts sein wissenschaftsbasiertes Ziel. Zum einen, weil aufgrund des – auch coronabedingt – starken Anstiegs im Paketversand frühere Annahmen nicht mehr halten, und zum anderen, um in puncto Klimaschutz vorne mit dabei zu bleiben.„Unser neues 1,5 Grad-Ziel wird eine noch stärkere Emissionsreduktion erfordern als unser bisheriges 2 Grad-Ziel“, erklärt Pum. 

Die in mehr als 30 Ländern tätige Mondi Group muss derzeit keine Scope 3-Ziele verfolgen, denn hohe Scope 1 und 2- Emissionen dominieren den CO2-Fußabdruck. Der erste Meilenstein des 2019 ausgearbeiteten 2 Grad-Zielpfads lautet daher: Reduzierung der Scope 1- und Scope 2-Emissionen um 34 Prozent pro Tonne absatzfähiger Produkte bis 2025 im Vergleich zu 2014. Schon seit einigen Jahren hat Mondi Investitionen in Wärmerück- und Energiegewinnungsanlagen in den Zellstoff- und Papierfabriken in Höhe von 700 Mio. Euro getätigt, sagt Ramaseder. So kann der Konzern Energie in Form von Wärme und Strom zunehmend selbst aus Biomasse erzeugen und mit Abwärme lokale Fernwärmenetze speisen. Die Investitionen machen sich bemerkbar, so Ramaseder: „Seit 2014 konnten wir unsere Emissionen von mehr als fünf auf vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr senken.“

Rahmen für die Zukunft

Mondis Ziele wurden mit einem „sektorbasierten Ansatz“ der SBTI ermittelt. Das ist eine von mehreren Möglichkeiten, mit denen Unternehmen ihren Beitrag zum Klimaschutz berechnen können. Vor kurzem wurde ein neuer solcher Rahmen für den Finanzsektor veröffentlicht, mit dem nun etwa die Raiffeisen Bank International ihren ersten wissenschaftsbasierten Zielpfad entwickelt. „Der Finanzsektor ist besonders herausfordernd“, erklärt Saleta, „für den Klimaschutz sind schließlich nicht die Bürogebäude einer Bank relevant. Der große Hebel findet sich in den Emissionen, die in den Finanzportfolios stecken.“ Klimarisiken müssen demnach in Investments und Unternehmenskrediten genauso wie in Sparprodukten, KFZ-Leasing oder Wohnraumfinanzierung ermittelt werden, und „diese Berechnungen“, ergänzt Ropac, „sind alles andere als trivial.“ 

Noch vor Jahresende soll auch ein Rahmen für jene Branche entstehen, die sich naturgemäß schwer dekarbonisieren lässt: die Öl- und Gasindustrie. Bislang haben sich sechs Branchenvertreter der SBTI angeschlossen, für Zielsetzungen ist es mangels Rahmen noch zu früh. „Wenn man Klimaneutralität wirklich will, werden Öl- und Gasanbieter über kurz oder lang völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln müssen“, sagt WWF-Experte Ropac. Wie das aussehen kann, eruiert derzeit die OMV, die bei der SBTI zwar nicht offiziell an Bord ist, jedoch im Rahmen des Konsultationsprozesses bei der Erarbeitung der neuen Methode mitgewirkt hat. Der Konzern will jedenfalls auch mit Paris-konformen Zielsetzungen punkten. Eine neue Klimastrategie soll helfen, das Unternehmen „nicht als Gegner des Klimaschutzes, sondern als Teil der Lösung“ zu positionieren, so CEO Rainer Seele. So plant die OMV Netto-Null-Emissionen für Scope 1 und 2 bis spätestens 2050. „Und für unser zukünftiges Target Setting, insbesondere für die Scope 3-Emissionen der Produktverwendung, werden wir den Rahmen der SBTI für den Öl- und Gassektor mit einbeziehen“, sagt Brigitte Bichler, Head of Carbon, Energy & ESG Management (siehe Interview).

Interview mit Brigitte Bichler, Head of Carbon, Energy & ESG Management, OMV

Klimaschutz: Brigitte Bichler, Head of Carbon, Energy & ESG Management, OMV

OMV: Zukunftsfit durch Klimaschutz

Welchen Fokus hat die OMV in ihren Klimazielen bis 2050 gesetzt? Bichler: Unser langfristiger Fokus ist ganz klar Klimaneutralität im Einklang mit dem Pariser Abkommen....

Schritt für Schritt soll das fossile Geschäft jedenfalls auf Klimaschutz getrimmt werden. Im Fall von Erdöl heißt das: Weg von der Verbrennung hin zur petrochemischen Veredelung und zu dauerhaften Produkten, die sich via Kreislaufwirtschaft wiederverwenden lassen. Auch will der Konzern bei einem Zukunftsthema Kompetenzen entwickeln und anbieten: Für Klimaneutralität braucht es nämlich auch „negative Emissionen“, durch das Abscheiden von CO2 und dessen Speicherung oder Nutzung.

Bereits klimaneutral

Wie aber ist es möglich, dass manche Unternehmen bei einzelnen Produkten schon heute CO2-Neutralität erreicht haben? Das gelingt durch Investitionen in Klimaschutzprojekte, mit denen CO2-Emissionen ausgeglichen werden. Mit solchen Kompensationen lassen sich wissenschaftsbasierte Ziele aber nicht erreichen, erklärt Saleta: „Die SBTI will vermeiden, dass sich Unternehmen vom Klimaschutz im Kerngeschäft freikaufen.“

Echtes Engagement setzt also voraus, dass ein Unternehmen vermeidbare -Emissionen auch wirklich reduziert. Die Post, die aktuell mit „CO2-neutral zugestellten“ Briefen und Paketen wirbt, setzt auf beides: Reduktion der Klimagase, CO2-Kompensationen der Restmenge – mit der Intention, letztere zu senken. „Bis 2030 sollen unsere Zustellungen auf der letzten Meile zu hundert Prozent mit E-Fahrzeugen oder alternativen Antriebsformen erfolgen und somit grün“, kündigt Pum an.

Ambitionierter Klimaschutz ist gern gesehen

Mit wissenschaftsbasierten Zielen Klimaschutz betreiben ist jedenfalls machbar. „Ist der CEO überzeugt und berücksichtigt Klimaschutz in allen Entscheidungen bis hin zur Prämiengestaltung der Mitarbeiter, dann ist viel möglich“, so Ropac. Doch zahlt sich das aus Unternehmensperspektive auch aus? „Ja, das tut es“, ist Ramaseder von Mondi überzeugt, „Klimaziele gehen mit Energieeffizienz Hand in Hand. Unseren Energieeinsatz optimieren, heißt Energiekosten einsparen – das macht es wirtschaftlich sehr interessant.“

Ein Vorteil dürfte auch bei der Finanzierung über den Kapitalmarkt entstehen. „Beim für Investoren an Bedeutung gewinnenden Climate Change Rating von CDP bringt ein wissenschaftsbasiertes Ziel heute mehr Punkte als ein normales“, so Saleta. Auch für Reputation, Risikomanagement und Innovation könnte sich ehrgeiziger Klimaschutz lohnen.

Dem Planeten wär‘s jedenfalls zu wünschen, dass emissionsarmes Wirtschaften vor allem als eins wahrgenommen wird: als große Chance. 

Fotos: Österreichische Post (2), Mondi Group, WWF Österreich, Denkstatt, OMV