Der Begriff Wachstum wird kontrovers diskutiert. Müssen Familienunternehmen wachsen?
Engleder: Wachstum passiert schon allein, weil die Weltbevölkerung zunimmt und jeder Mensch einen gewissen Wohlstand anstrebt. Gerade unsere Branche wächst mit der Bevölkerung, weil viele unserer Kunden im Nahrungsmittel- und Konsumgüterbereich tätig sind. Jeder Mensch konsumiert, jeder möchte ein Smartphone, jeder will mobil sein und braucht medizinische Versorgung, auch in den Emerging Markets. Wir definieren uns aber nicht über Wachstum. Trotzdem wollen und müssen wir einen signifikanten Marktanteil bei Spritzgießmaschinen haben. Nur dann können wir uns die notwendigen Investitionen gerade im Forschungs- und Entwicklungsbereich langfristig leisten und uns auch gegenüber asiatischen Wettbewerbern differenzieren. Decken wir heute nur mehr die absolute Spitze des Marktes ab, werden wir morgen marginalisiert. Und hier trennt sich meiner Meinung nach auch die Spreu vom Weizen: Die kleinen werden stagnieren, weil sie die nächsten Entwicklungssprünge nicht mitmachen können.
„Wachstum passiert schon allein, weil die Weltbevölkerung wächst und jeder Mensch einen gewissen Wohlstand anstrebt. Der Spritzgusssektor wächst dabei mit.“
Welche Herausforderungen stellen Innovation und Digitalisierung für Engel dar?
Teufelberger: Mir hat diese Erklärung geholfen: Über Jahrtausende hat ein Hektar Land 400 Kilo Weizen produziert. Und erst in den vergangenen 300 Jahren ist es gelungen, durch produktivitätssteigernde Maßnahmen auf der gleichen Fläche mehr Getreide zu produzieren. Über Jahrtausende waren die Menschen gewohnt, dass man mehr nur haben konnte, wenn man anderen etwas wegnahm. Daher ist Wachsen kulturell negativ besetzt. Wenn ich mein Feld aber besser bestelle als im Jahr davor, kann ich wachsen, ohne dass ich jemandem etwas wegnehme. Ich muss es allerdings in einer Art und Weise machen, dass ich es in fünf oder zehn Jahren auch noch zu Wege bringen kann.
Welche Herausforderungen stellen Innovation und Digitalisierung für Engel dar?
Engleder: Unsere Initiative „Inject 4.0“ verbindet die Themen und setzt auf drei Bereiche: smart Machine, smart Production und smart Service. Bei smart Machine geht es darum, durch Assistenzsysteme die Maschinen intelligenter zu machen, damit sie sich selbst steuern und optimieren können. Wir erhöhen also sukzessive die Prozessfähigkeit der Maschine, die Bedienung bleibt aber dennoch einfach. Bei smart Service wollen wir mit präventiver Instandhaltung die Verfügbarkeit der Maschinen erhöhen, zum Beispiel indem wir den Ausfall der Verschleißteile vorhersagen. Und zum dritten geht es bei smart Production um die Erhöhung der Produktivität durch die Vernetzung der Maschinen und Produktionsmittel. Ganz wichtig beim Digitalisierungsthema ist, dass wir bei sämtlichen Entwicklungen den Kundennutzen im Auge haben – und nicht Overengineering betreiben.
Sehen Sie den 3D-Druck als Gefahr für Ihre Branche?
Engleder: Wir verwenden 3D-Druck heute selbst in gewissen Bereichen der Fertigung. Aber 3D-Druck ist keine disruptive Technologie in Bezug auf den Spritzguss: Es gibt Schätzungen, dass ein kleinerer Prozentanteil der Spritzguss-Produkte durch 3D-Druck ersetzt wird. Das heißt: Spritzgießen wird es als Massenproduktionsmittel immer geben. Wenngleich wir daran arbeiten, effiziente Lösungen für die Fertigung auch kleinerer Losgrößen zu entwickeln.
Familienunternehmen stehen allgemein eher für Risikoaversion – wie sieht das bei Engel aus?
Engleder: Gerade als Familienunternehmen ist uns nachhaltiges Wirtschaften wichtig. Wir sind unabhängig von Investoren und rein familiengeführt – und das gibt uns entsprechende Spielräume. Wenn man andere Maschinenbauer betrachtet, sieht man, dass diejenigen, die über Risikokapital finanziert wurden, nicht immer ein glückliches Händchen gehabt haben. Wir haben uns als Firma Engel immer gesagt: Wir bleiben bei Spritzgießmaschinen, wir haben keine Ambition, in andere Industrien oder Technologien zu gehen. Die Vorteile als Familienunternehmen überwiegen für mich ganz klar die Nachteile.
Was bedeutet Globalisierung für Sie?
Engleder: Fakt ist: Unabhängig davon, ob Globalisierung gut oder schlecht ist, sie ist da. Für mich ist Globalisierung zunächst einmal eine große Chance – auch wenn diese Sichtweise nicht immer populär ist. Globalisierung ist aber auch eine Herausforderung, weil sie für Unternehmen zu mehr Wettbewerb führt. Jedenfalls schafft Globalisierung, wenn sie nachhaltig gestaltet wird, weltweit Wohlstand. Dafür müssen wir aber nach fairen Spielregeln globalisieren, und es muss faire Märkte geben. Ohne Globalisierung würde es die Firma Engel so nicht geben – unsere Exportquote liegt weit über 90 Prozent.
„Ohne Globalisierung würde es die Firma Engel so nicht geben – unsere Exportquote liegt weit über 90 Prozent.“
Wie sehen Sie die Rahmenbedingungen in Österreich für eine global tätige Firma wie Engel?
Engleder: Wir haben ein gutes Ausbildungssystem, das ist sicherlich einer der Kernpunkte. Und wir haben glücklicherweise nach wie vor viele Mitarbeiter, die gern ins Ausland gehen. Prinzipiell ist Österreich ein sehr unternehmerfreundliches Land, und wir glauben an den Standort, sonst würden wir nicht zwei Drittel unseres Investitionsbudgets hier ausgeben. Wir können in Österreich aufgrund der guten akademischen Ausbildung und der Förderanreize intensive Forschung auf hohem Niveau betreiben. Es gibt aber auch Herausforderungen, insbesondere die Lohnnebenkosten. Auch bei Investitionsförderungen könnte man sicher mehr tun.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Wirtschaftslage?
Engleder: Insgesamt haben wir eine tolle Wachstumsphase hinter uns. Seit der Krise 2009 wachsen wir jedes Jahr im zweistelligen Bereich. Die aktuellen Spannungen etwa zwischen China und den USA sind in jedem Fall negativ. Die Zölle haben auch Auswirkungen auf uns, weil wir aus unseren chinesischen Werken auch in die USA liefern. Eigentlich müssten wir diesen Teil der Produktion aus China wieder in Richtung Europa verlagern – das ist aber herausfordernd, weil unsere europäischen Werke voll ausgelastet sind. Insgesamt sehe ich eine gewisse Unsicherheit, und das ist immer schlecht. Firmen zögern heute, in den USA zu investieren. Und das kann zu einer Stagnation des Marktes beitragen.
Wie reagieren Sie auf diese Unsicherheit, werden Sie Investitionen zurückfahren?
Engleder: Nein, wir fahren unsere Investitionen nicht zurück, weil wir langfristig denken. Wir haben ein großes Investitionsprogramm von knapp 400 Millionen Euro bis 2020 auf die Schiene gebracht. Das bleibt fix. Bei der Planung weiterer Investitionen fahren wir derzeit eher auf Sicht.
Wo liegen die Wachstumsmärkte für Engel?
Engleder: Das Schöne im Kunststoff- und speziell im Spritzguss-Bereich ist, dass die Wachstumsmärkte überall zu finden sind. In den vergangenen Jahren waren unsere größten Wachstumsmärkte Nordamerika, China, Südostasien und – von einem hohen Niveau ausgehend – nach wie vor auch Europa. Schwach war bisher Südamerika, wobei man in Brasilien etwas Licht am Ende des Tunnels sieht. In Russland läuft es aufgrund der politischen Situation aktuell schlecht, dabei war das einmal unser viertgrößter Markt.
Ist Afrika für Sie ein Thema?
Engleder: Das Afrika“ gibt es nicht, man muss die einzelnen Länder und Regionen betrachten. In Nordafrika sind wir aufgrund der Präsenz der europäischen Automobilindustrie schon länger vertreten. Südafrika ist für uns ein stabiler Markt, und aktuell schauen wir uns Kenia und Nigeria als neue Wachstumsmärkte genauer an. Es wird also.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für ein Unternehmen wie Engel?
Engleder: Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit nicht als Worthülse verwendet wird, sondern als Teil der Unternehmenskultur verankert ist. Auch wenn hier von der Politik gewisse Rahmenbedingungen vorgegeben werden sollten, hat jedes Unternehmen selbst die Verantwortung zu tragen, nachhaltig zu wirtschaften: Nicht alles, was erlaubt ist, sollte man auch tun. Für ein Familienunternehmen spielt das Denken an die Zukunft und an die Nachfolgegenerationen eine zentrale Rolle. Daraus leitet sich letztlich auch unsere Verpflichtung gegenüber Gesellschaft und Umwelt ab. Wir tun sehr viel, um möglichst energieeffizient zu sein. So haben wir beispielsweise in unseren Werken Solaranlagen installiert und Energieeinsparungsinitiativen umgesetzt, von der LED-Beleuchtung über Heizungssysteme bis hin zu den Getränkeautomaten. Lachen Sie nicht – die Automaten haben erstaunlich viel Energie verbraucht. Ganz im Gegensatz zu unseren Werkzeugmaschinen in der Fertigung: was den Stromverbrauch betrifft, kommen wir da langsam an die Grenze des technisch Möglichen. Beim Individualverkehr zu und von den Werken sehe ich aktuell das größte Einsparungspotenzial – nur ist das auch ein Kulturthema und zudem am Land deutlich schwieriger zu realisieren als in der Stadt.
„Kunststoff ist das nachhaltige Material schlechthin.“
Spritzgießmaschinen verarbeiten Kunststoff – wie sieht es hier mit der Nachhaltigkeit aus?
Engleder: Kunststoff ist das nachhaltige Material schlechthin. Voraussetzung ist natürlich, dass er nicht im Meer oder auf einer Deponie landet, sondern thermisch verwertet oder idealerweise rezykliert wird. Wenn wir über das reden, was mittels der Spritzgießmaschinen produziert wird, sind wir schnell beim Leichtbau, denn dafür ist Kunststoff ja prädestiniert. Wir betreiben ein Kompetenzzentrum für Leichtbau, wir sind bei den meisten namhaften deutschen Automobilherstellern vertreten und mittlerweile auch im Flugzeugbau tätig. Hersteller wollen das Gewicht der Fahrzeuge senken, daher werden beim Automobil Teile aus Metall sukzessive durch Hochleistungskunststoffe ersetzt. Dazu kommt, dass unsere Spritzgießmaschinen heute nur noch 30 bis 40 Prozent der Energie verbrauchen, die vor zehn Jahren benötigt wurde. Hier sind wir führend, und das war auch einer der Wachstumstreiber, weil neue Spritzgießmaschinen sich schon aufgrund des niedrigeren Energieverbrauchs bereits nach kurzer Zeit rechnen.
Wie sehen Sie Philanthropie und CSR im Unternehmen?
Engleder: Wir unterscheiden hier ganz klar. Philanthropie ist Sache der Eigentümer, unserer Familie. Da engagieren wir uns im Raum Schwertberg und halten uns an den Grundsatz meiner Großmutter: „Helfen, nicht reden“. CSR ist hingegen Sache des Managements, ein Bereich, der bei mir angesiedelt ist. Auch hier legen wir keinen großen Wert auf Öffentlichkeit, wir werden nie mit den schönsten Berichten glänzen. Aber wir setzen uns sehr ernsthaft mit den gesellschaftlichen Herausforderungen im Unternehmensumfeld auseinander. Das wird auch von unseren Kunden immer stärker eingefordert. Ein Beispiel für unser Engagement ist die Ausbildungsinitiative, die wir in China gemeinsam mit Alpla, einem anderen österreichischen Familienunternehmen im Kunststoffbereich, und mit dem WIFI International und der Austrian Development Agency aufgesetzt haben. An unserem Standort in Shanghai bilden wir nach dem österreichischem dualen Ausbildungsmodell Zerspanungstechniker, Kunststofftechniker und Mechatroniker aus. Damit legen wir die Basis, um in Zukunft auf dem selben hohen Qualitätsniveau wie in Österreich produzieren zu können. Diese Qualifizierungsmaßnahme kommt natürlich auch den Jugendlichen selbst zugute. Derzeit überlegen wir, diese Ausbildung auch an unserem zweiten Standort in China zu starten.
Vielen Dank für das Gespräch!
ZUR PERSON
Stefan Engleder, 39, hat im Dezember 2016 die Leitung der Engel Unternehmensgruppe von seinem Onkel Peter Neumann übernommen. Engleder ist promovierter Maschinenbauingenieur. Er war mehrere Jahre in Deutschland und Kanada in der Kunststoff- und Werkzeugmaschinenindustrie tätig, bevor er 2008 in vierter Generation ins Familienunternehmen einstieg. Von 2012 bis 2016 verantwortete er als Geschäftsführer den Technik- und Produktionsbereich des global tätigen Anlagenbauers.
ZUM UNTERNEHMEN
Spitzentechnologie aus dem Mühlviertel
Das Unternehmen Engel wurde 1945 von Ludwig Engel als Reparaturwerkstätte in Schwertberg, Oberösterreich, gegründet. Heute ist es Weltmarktführer für Spritzgießmaschinen und dazugehörige Automatisierungsanlagen für die Kunststoffindustrie. Die Anlagen des Mühlviertler Maschinenbauers werden in der Fahrzeug- und Elektronikindustrie, in der Spielzeug- und Verpackungsbranche und auch in der Medizintechniksparte eingesetzt. Das eigentümergeführte Unternehmen betreibt neun Werke in Österreich, Deutschland, Tschechien, USA, China und Südkorea sowie Niederlassungen und Vertretungen in 85 Ländern. Im Geschäftsjahr 2017/18 erzielte Engel mit rund 6.600 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,51 Mrd. Euro – rund 95 Prozent davon im Ausland. Das Unternehmen befindet sich vollständig im Familienbesitz.