Türöffner für Neugierige

Ausgabe 100 – Herbst 2023

Karin Krobath und Hans Stoisser wollen mit ihren Learning Journeys überkommene Afrikabilder überwinden – und die Basis für neue Partnerschaften legen.

 
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Karin Krobath und Hans Stoisser
Ihr habt bereits neun Learning Journeys nach Kenia und Ruanda veranstaltet – was hat euch dazu veranlasst, diese Methode des intensiven Austausches mit afrikanischen Unternehmern auszuprobieren?

Stoisser: Im Jahr 2015 habe ich ein Buch namens „Der schwarze Tiger. Was wir von Afrika lernen können“ geschrieben. In diesem habe ich meine 25 Jahre Afrikaerfahrung aufgearbeitet. Karin hat das Buch gelesen.

Krobath: Und nicht nur das. Ich war inspiriert und habe Hans gesagt: Dort müssen wir österreichische Unternehmen hinbringen. Alle Welt fährt ins Silicon Valley nach Amerika. Keiner hat die Silicon Savannah in Nairobi am Radar.

Stoisser: Die Idee hat mich begeistert und gemeinsam haben wir sie weiterentwickelt. Unsere erste Reise fand 2017 statt. Wir waren vorher ziemlich nervös: Interessiert sich wirklich jemand in Europa für die digitalen Innovationen in Kenia? Aber die Reise war ein voller Erfolg.

Welche Kernbotschaften möchtet ihr mit euren Reisen verbreiten?

Stoisser: Von Anfang an war es unsere Absicht, das vorherrschende Afrikabild, das von Katastrophen, Krisen und Krankheiten geprägt ist, zu hinterfragen und eine andere Realität zu offenbaren. Diese Realität unterscheidet sich im Grunde genommen nicht allzu sehr von unserer eigenen, zeigt jedoch in vielen Bereichen eine überraschende Innovationskraft. Der Schlüssel dazu liegt in der Art und Weise, wie die Digitalisierung in vielen Ländern Afrikas abläuft: parallel zu unserer, jedoch mit bemerkenswerten Unterschieden. Die Industrialisierung ist noch nicht eingetreten, doch die Digitalisierung schreitet bereits voran. Neue Technologien werden unmittelbar genutzt, um spezifische Probleme zu lösen, wie beispielsweise die Versorgung mit Medikamenten und Blutkonserven per Drohnen in einer hügeligen Gegend ohne Straßen. Das Besondere ist, dass aufgrund weniger Regulierungen und fehlender alter Technologien mehr Raum für wirkliche Innovation herrscht und direkter auf die Bedürfnisse der Menschen reagiert werden kann. Daher ist meine These, dass langfristig viele in Emerging Markets entstandene Innovationen auch in der sogenannten entwickelten Welt Erfolg haben werden.

Karin, in einem unserer Meetings in Ruanda hast du das Instrument Learning Journey als „Melting Pot of Ideas“ bezeichnet. Wie wird aus einer Gruppenreise ein Schmelztiegel der Ideen?

Krobath: Grundsätzlich sind die Menschen, die sich mit uns auf den Weg machen, neugierige Menschen, die auch schon etwas von der Welt gesehen haben. Die erste Reise außerhalb Europas macht man eher nicht mit Hans Stoisser und Karin Krobath nach Ruanda. Es sind also Leute, die nach neuen Horizonten und Ufern suchen und die sich auf etwas einlassen, das man sich vorher nicht genau vorstellen kann. Diese Menschen treffen dann auf kreative Köpfe in einem dynamischen Umfeld und hören, wie man die Zukunft aus afrikanischer Perspektive sieht und denkt. Und aus dem Austausch entstehen großartige Ideen. Eine Errungenschaft, auf die ich persönlich sehr stolz bin, ist, dass die Studierenden an der Wirtschaftsuniversität Wien dank der initialen Inspiration durch unsere Learning Journeys mittlerweile „Doing Business in Africa“ lernen können. Wir schaffen es peu à peu, die überkommenen Bilder unseres Nachbarkontinents in den Köpfen heimischer Unternehmer durch aktuellere und innovativere Bilder zu ersetzen. Aber was uns noch wirklich fehlt, ist die Information für die breite Masse: Die österreichische Presseagentur hat keinen Vertragspartner am Kontinent und der ORF hat nach wie vor kein einziges Korrespondenzbüro in Subsahara-Afrika. Das muss sich ändern.

Vielen Dank für das Gespräch!

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