In Serbien wurden Autos schon in den 1950er Jahren gebaut, anfangs Fiat-Modelle, danach schrieb man mit der Eigenmarke Yugo Geschichte. Durch den Kroatien- und Bosnien-Krieg in den 90er Jahren brach der Markt ein, im Kosovokrieg 1999 wurde die Produktion im zentralserbischen Kragujevac fast vollständig zerbombt. Zehn Jahre später stieg Fiat Chrysler selbst bei Zastava Automobili, heute Fiat Chrysler Automobiles Serbia, ein. Hier wird nun der Fiat 500L gebaut. Seither siedelt sich ein Automobilzulieferbetrieb nach dem anderen im Land an. Serbien zählt inzwischen zu den 20 wichtigsten Standorten der Automobilindustrie.

In ihrem Bemühen, der hohen Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, kommt die Regierung ausländischen Investoren außerdem mit Incentives sehr entgegen. Und die Strategie geht auf: Laut der IBM Global Locations Trend Analyse rangiert Serbien bei der Schaffung von Arbeitsplätzen pro Kopf durch ausländische Direktinvestitionen weltweit unter den Top 15 Nationen. Doch zeigt sich nun akut ein zweites Problem: Den Firmen fehlt es an Fachkräften. Erst Anfang August bestätigte der Minister für Arbeit und Beschäftigung drängenden Personalmangel in einigen Bereichen der Wirtschaft. Und er bekräftigte, die Regierung sei bemüht, etwa durch Umschulungen oder Anpassung veralteter Bildungsprofile an die Bedürfnisse des Marktes qualifizierte Arbeitskräfte bereitzustellen.

Der deutsche Autokabelhersteller Leoni ist der bedeutendste Arbeitgeber in Nis

Beitrag aus Österreich

Jürgen Grandits, Leiter für internationale Aus- und Fortbildung beim Berufsförderungsinstitut BFI Burgenland, war durch Kontakte mit der serbischen KFZ-Branche über die Problemlage schon länger im Bilde. So entstand die Idee, im wenig entwickelten Süden Serbiens, wo die Arbeitslosigkeit auf über 40 Prozent geschätzt wird, für Unternehmensmitarbeiter und Arbeitsuchende bedarfsgerechte technische Fortbildung anzubieten. Damit würde der Industrie und ebenso dem Arbeitsmarkt rasch geholfen werden. Als Standort bot sich Nis an, die drittgrößte Stadt des Landes, in deren Umkreis lokale und internationale KFZ-Zulieferer wie Leoni, Grammer, Tagor, Raavex, Johnson Electric, Michelin, D-Company oder Bros Auto niedergelassen sind. Die Firmen begrüßten den Vorstoß.

Auf Anklang stieß die Idee auch bei der Dependance der serbischen Wirtschafts- und Handelskammer. Sie war bei allen Vorgesprächen mit dabei und äußerte zunehmend Interesse, die künftige Tech-Akademie selbst zu übernehmen. „Für die Wirtschaftskammer in Nis, die bereits über ein kleines Schulungsangebot verfügte, war dies eine Möglichkeit, den Unternehmen den eigenen Nutzen zu beweisen“, sagt Grandits, „und uns kam dieser Wunsch ebenfalls entgegen, da dadurch eine langfristige Perspektive für das neue Fortbildungszentrum entstand.“

Auch im Headquarter der serbischen Industrie- und Handelskammer wurde das Vorhaben gut geheißen und Interesse bekundet, möglichst bald die in Nis entwickelten Tech-Ak-Angebote in Belgrad und anderen Städten Serbiens zu übernehmen. Das Projekt war schließlich auf Schiene, als die Austrian Development Agency ADA eine Kofinanzierung im Rahmen einer strategischen Partnerschaft (vgl. Link unten) zusagte. ADA-Programm-Manager Gottfried Traxler begründet die Förderung aus einem Doppelmotiv: „Die Capacity Building-Initiative in einer Region, die von Arbeitslosigkeit und Abwanderung geprägt ist, ist ein positiver Beitrag zur regionalen Entwicklung. Zudem stellt sie eine gute Ergänzung zu unserem Lehrlingsprojekt dar, das wir mit der Wirtschaftskammer Österreich und deren Pendant in Belgrad umsetzen.“

Fortbildung für Tech-Akademie-Mitarbeiter der Wirtschaftskammer Serbien in Zagreb

Erste Schritte & Ausblick

Das Projekt ist voll im Gang. Im Zentrum steht die Ausbildung von zehn Mitarbeitern der serbischen Wirtschaftskammer mit dem Ziel, wie Projektleiter Grandits erklärt, „dass diese wissen, wie man Erwachsenenbildung betreibt, das heißt wie man mit Firmen kommuniziert, den Bedarf der Wirtschaft erhebt, Lehrpläne entwickelt und akkreditieren lässt und wie man Trainer und Schulungskandidaten methodisch auswählt. Dazu soll das Team Schulungen organisieren, evaluieren und das alles auch auf andere Branchen übertragen können.“ Bis Projektende soll die neue Tech-Akademie über einen Pool von zwanzig Trainern und einen Businessplan verfügen. „Wichtig ist eine Struktur, die absichert, dass die Trainer ausgelastet sind und die Betriebe ihre Ausbildungen erhalten“, betont Grandits.

Für die Trainerausbildung sind Weidinger und Partner sowie iP-Partners aus Wien engagiert, wenn es ab Oktober losgeht – derzeit findet die Auswahl der Kandidaten statt. Zugleich sollen rund zwanzig Mentoren ausgebildet werden, die in den Unternehmen das Rückgrat der Initiative bilden: als Ansprechpartner für Fortbildungskandidaten und Kontaktpunkt für die Akademie.

Inzwischen stehen auch schon die Lehrpläne für zwei Module mit bis zu 180 Stunden, eines zum Thema Qualitätskontrolle, das andere zu Moderne Maschinentechnik. Carmen Tariba von der lokalen Partnerorganisation Callidus, die die organisatorische Arbeit vor Ort leitet, lässt die Inhalte und Materialen derzeit von serbischen Experten anpassen und übersetzen. Methodisch setzt man auf eine Mischung von 55 Prozent Praxis, 45 Prozent Theorie und davon wieder 30 Prozent Lernen mit digitalem Material, auch in Eigenregie zu Hause. Bis Ende 2019 sollen die neuen Trainer, gecoacht durch ihre Lehrer, 200 Interessenten geschult haben. Rekrutiert werden diese am Arbeitsamt und in den Firmen. „Die Schulungen werden zunächst gratis angeboten, damit sich die Unternehmen von ihrem Mehrwert überzeugen können“, sagt Grandits. Später könne die Tech-Ak adäquate Preise verlangen und ihr Programm ausbauen. Jürgen Grandits vom BFI Burgenland wird das Projekt beratend weiterbegleiten, auch in neue Städte.


DIE PARTNER IM PROJEKT

Kick-off in Belgrad unter Leitung von Carmen Tariba von Callidus und Jürgen Grandits vom BFI Burgenland
Profis für Erwachsenenbildung in Osteuropa

Das BFI Burgenland ist ein 1991 von Arbeiterkammer und Österreichischem Gewerkschaftsbund ÖGB gegründeter Landesverein zur Weiterbildung von Arbeitnehmern mit Blick auf Arbeitsplatzsicherung. Seit 2005 setzt das BFI Burgenland über die Abteilung Internationales in Osteuropa Berufsbildungsprojekte um, wiederholt mit der ADA. Die Kooperation mit der WKO und WIFI international bzw. der seit 2016 in Zagreb mittlerweile eigenständigen Callidus GmbH hat dabei Tradition. Mit an Bord sind die privaten Aus- und Weiterbildungsanbieter Weidinger & Partner sowie iP-Partners in Wien.

Fotos: Gebana