Langsam kommt wieder Bewegung in den Luftreiseverkehr. Ganze drei Monate, von Mitte März bis Mitte Juni, waren die Österreicher – und nicht nur sie – am Boden geblieben. Größere Passagierbewegungen gab es lediglich im Zuge der Rückholaktionen von im Ausland gestrandeten Österreichern. Darüber hinaus wurden in Wien-Schwechat vor allem medizinische Hilfsmittel aus China und Malaysia umgeschlagen. Im April und Mai sanken die Flugbewegungen auf Österreichs größtem Airport auf vier Prozent des Vergleichszeitraums. 

Die Einschränkung des Personenreiseverkehrs durch die Schließung der Binnen- und Außengrenzen der EU war eine zentrale Maßnahme der Regierungen, um die weitere Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern. In Österreich fielen die Schranken Mitte März. Wann sie wieder geöffnet würden, war damals nicht abzusehen. 

Christian Maurer, Manager des oberösterreichischen Cleantech-Cluster.
Christian Maurer, Manager des oberösterreichischen Cleantech-Cluster.

Die nie dagewesene Situation stellt gerade für international tätige Unternehmen eine immense Herausforderung dar. „Unsere Firmen sind auf ein Blackout oder einen Cyberangriff vorbereitet, dass aber Flugzeuge wochenlang nicht abheben, damit hatte niemand gerechnet“, sagt Christian Maurer, Manager des Cleantech-Cluster der oberösterreichischen Standortagentur Business Upper Austria.

Das Rad am Laufen halten

Maurer betreut im Cluster rund 250 Unternehmen aus dem Energie- und Umweltsektor, die Exportquote liegt bei 80 Prozent. Der abrupte Wechsel Österreichs in den Lockdown-Modus am 16. März stellte das Programm des Clustermanagers von einem Tag auf den anderen auf den Kopf. Seitdem ist er intensiv in die Klärung von Fragen eingebunden, die die neue Situation aufwirft. „Wir haben in der Standortagentur eine eigene Taskforce gegründet, um die Unternehmen zu beraten: Wie funktioniert Kurzarbeit? Sollen Mitarbeiter aus dem Ausland zurückgeholt und wie können sie eingesetzt werden? Wie sieht es bei Lieferverzögerungen mit Haftungen aus? Wie bekommt man eine Zwischenfinanzierung bei Verschiebungen von Zahlungen? Wo kann produziert werden, wenn Lieferketten unterbrochen sind?“, sagt Maurer. Und er verweist darauf, dass die Krise manchem Mitgliedsunternehmen auch Chancen bietet. So läuft beispielsweise bei Greiner Bio One die Produktion von Kunststoffröhrchen für SARS-CoV-2-Testsets auf Hochtouren.

Johann Stöger, Sales Area Manager bei
Lisec Austria.

Von der Krise stark betroffen ist hingegen etwa der niederösterreichische Hersteller von Zuschnitt- und Sortiersystemen für die Flachglasindustrie Lisec. Die Erzeugnisse des Familienunternehmens gehen zu 95 Prozent in den Export, rund 20 Niederlassungen und Repräsentanzen auf allen Kontinenten sorgen für Vertrieb und Service. Area Manager Johann Stöger zeichnet die Lage nicht rosig: „Wir hatten drei Monate lang sehr wenig Umsatz, während die Fixkosten zurückblieben.“ Zurzeit setzt Lisec noch auf Kurzarbeit, eine Verlängerung über den 15. Juli hinaus werde es aber nicht geben. 

Dass die Lockdowns in den Regionen phasenverschoben stattfinden – als erstes griff China zu dieser Maßnahme, es folgten weite Teile Europas und danach zahlreiche andere Staaten auf allen Kontinenten –, ermöglichte die Weiterführung von Projekten einmal in dieser, einmal in jener Region: „Ein global arbeitendes Unternehmen erlebt immer wieder, dass eine Region eine Weile nicht so performt, wie man es sich wünscht“, so Stöger. Tatsächlich konnte Lisec in China bereits wieder Verkaufserfolge feiern. Stöger: „Man sieht: Wenn die Systeme wieder anlaufen, geht es auch mit unserem Geschäft weiter.“ In Deutschland verzeichnet das Unternehmen bisher ebenfalls kaum Einbußen. 

Auf dem afrikanischen Kontinent, der von Stöger verantworteten Verkaufsregion, wurde die Arbeit der Techniker und Monteure ähnlich wie in Europa durch den Flickenteppich unterschiedlich strenger und immer wieder wechselnder Regeln zur Eindämmung des Coronavirus erschwert. Auch die staatlichen Hilfsprogramme, die zur Bewältigung der Krise aufgelegt wurden, variieren stark. In manchen Ländern wie in den Vereinigten Arabischen Emiraten griff Lisec auf diese Angebote zurück, während in anderen wie beispielsweise Südafrika bewusst darauf verzichtet wurde, um die Mitarbeiter besser zu schützen. 

Interview mit Klaus Friesenbichler, WIFO

Lage ist kritisch

Klaus Friesenbichler, Industrieökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WIFO, sieht Entwicklungslandmärkte bedroht.

Betrieb im Ausland

Alexander Schwab, Kommunikationschef Andritz Hydro

Mit einem Umsatzanteil von maximal zehn Prozent spielen Entwicklungslandmärkte für Lisec eine untergeordnete Rolle. Anders verhält es sich beim Wasserkraftwerksausstatter Andritz Hydro, bei dem ihr Beitrag zum Geschäft fast die Hälfte ausmacht. Das Unternehmen hat weltweit mehrere hundert Projekte laufen und konnte die zeitversetzten Lockdowns ebenfalls nützen. Die baldige Normalisierung in China war entscheidend für die Wiederherstellung der Lieferkette, erklärt Kommunikationschef Alexander Schwab. Neue Aufträge kamen außerdem aus Australien und Brasilien. „Ein Rekordjahr wird 2020 aber nicht werden“, so Schwab. 

Als vergleichsweise schwierig erwiesen sich für das Unternehmen die behördlichen Beschränkungen der Bewegungs- und Reisefreiheit. Zur Fertigstellung einer Turbinenerneuerung in Neuseeland etwa musste in Kauf genommen werden, dass die aus Indonesien eingeflogenen Techniker in einem Hotel die vorgeschriebenen 14 Tage Quarantäne absaßen. Einige Baustellen wurden durch die Kunden geschlossen. In Indien übernahmen es Soldaten, über Nacht zwei größere Baustellen abzuriegeln, die erst Tage später geordnet stillgelegt werden konnten. „Andererseits mussten wir unsere Mitarbeiter aus zahlreichen Ländern abziehen, weil es keine Garantie mehr dafür gab, dass beispielsweise im Fall eines Arbeitsunfalls Rückreisemöglichkeiten bestehen.“ Das betraf neben Nigeria und Guinea auch Marokko. 

In vielen Ländern bewährte sich aber eine über Jahre aufgebaute Vor-Ort-Struktur des Unternehmens, wie Schwab erläutert: „In mehr als 50 Ländern verfügen wir über kompetentes lokales Personal, wodurch wir viel kompensieren können.“ 

Thomas Kopp, Gründer und Geschäftsführer von 3LOG Premium Logistics

Auch für den Logistikdienstleister 3LOG Premium Logistics ist der Lockdown eine Bewährungsprobe. Das KMU wickelt internationale Transporte ab, ohne über einen eigenen Fuhrpark zu verfügen. Über das vor zwei Jahren gegründete Büro im tansanischen Daressalam kann 3LOG nach und aus Subsahara-Afrika liefern. Entscheidend für viele Kunden ist daneben die Reisefreiheit. „So lange der Techniker nicht reisen kann, ergibt es keinen Sinn, Ware nach Kamerun zu schicken“, erklärt Gründer Thomas Kopp am Beispiel eines aktuell anstehenden Auftrags. Die Aktivitäten in Tansania hat Kopp bis auf die zolltechnische Abwicklung von Einfuhren vorübergehend ruhend gestellt, den österreichischen Mitarbeiter rechtzeitig zurückgeholt. „Seit Ende Mai kommen langsam wieder Anfragen für Transporte herein“, sieht Kopp nun erste Anzeichen einer Trendwende. 

Neue Kommunikationswege

Notgedrungen setzten alle vier Unternehmen auf digitale Kommunikation anstelle von Face-to-Face-Besprechungen mit Mitarbeitern und Kunden in aller Welt. Die neu erlangte Kompetenz im Umgang mit Online-Tools bezeichnet Stöger als die größte Errungenschaft dieser Zeit. Zugleich zeigte sich, dass persönliche Begegnungen und informelle Gespräche unersetzlich bleiben. „Während Projektbesprechungen, Grobplanungen oder Feingestaltungen per Internet funktionieren können, werden Verhandlungen und Geschäftsabschlüsse auch in Zukunft beim Kunden stattfinden werden“, sagt Stöger.

Hilfreich in der Krise:
Fernsteuerungssysteme erreichen Anlagen weltweit.

Christian Maurer beschäftigt derzeit die Frage, inwieweit sich Online-Messen als Marketing-Tool eignen können, nachdem wichtige Leitmessen und auch Wirtschaftsmissionen der Wirtschaftskammer infolge der Coronakrise abgesagt wurden. Er sieht darin auch neue Perspektiven: „Gerade für Unternehmen, die niemals auf eine Messe nach Afrika oder Brasilien gefahren wären, könnten Online-Messen interessant sein. Nicht zuletzt, weil eine virtuelle Teilnahme nur ein paar hundert statt ein paar tausend Euro kostet.“ Lisec ist hierin schon einen Schritt weiter und hat seinen Kunden und Interessenten bereits für Oktober eine mehrtägige virtuelle Hausmesse angekündigt. 

Besonders bewährt haben sich in der Krise die Systeme zur Fernüberwachung und -steuerung von Anlagen, wie Stöger und Schwab betonen. Beide Unternehmen wollen diese Tools weiter pushen und noch extensiver nutzen.

HISTORISCHE HERAUSFORDERUNG Der internationale Güterhandel war bereits vor der Coronakrise leicht zurückgegangen. Für die nächste Zukunft entwirft die Welthandelsorganisation WTO zwei Szenarien, je nachdem, ob die Pandemie neuerlich aufflammt oder nicht.

Ausblick

Beim Blick nach vorne zeigen sich die Unternehmen vorsichtig optimistisch. Bei Lisec will man Schwellenlandmärkte verstärkt mit preisgünstigen generalüberholten Gebrauchtmaschinen bedienen, sobald die Investitionsbereitschaft zurückkehrt. Im oberösterreichischen Cleantech-Cluster weckt der europäische Grüne Deal Hoffnung nicht nur auf zusätzliche Nachfrage aus der EU. „Die Chance besteht, dass sich Umweltfreundlichkeit als Kaufkriterium auch in Schwellenländern durchsetzt“, sagt Maurer. 

Auch bei Andritz Hydro sieht man grundsätzlich positiv in die Zukunft. Im Infrastrukturbereich springen erfahrungsgemäß öffentliche Auftraggeber ein, wenn private ausfallen, und umgekehrt, erklärt Schwab. Zudem rechnet er damit, dass sich internationale Finanzinstitutionen wie die Weltbank und regionale Entwicklungsbanken in der Post-Corona-Zeit verstärkt engagieren werden, um Entwicklungs- und Schwellenländern aus der Krise zu führen. Und 3LOG-Geschäftsführer Kopp hält daran fest, dass sich seine Wette auf Afrika in absehbarer Zeit als goldrichtig erweisen wird.

Fotos: Flughafen Wien, Andritz Hydro