Interview

Lage ist kritisch

Ausgabe 87 – Sommer 2020

Klaus Friesenbichler, Industrieökonom am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung WIFO, sieht Entwicklungslandmärkte bedroht.

Klaus Friesenbichler, WIFO
Inwieweit sehen Sie die österreichische Exportwirtschaft in Entwicklungs- und Schwellenländern von der Krise betroffen?

Friesenbichler: Das wird leider stark negative Auswirkungen haben. Einzelne Lieferketten sind bereits abgerissen und es wird dauern, bis diese wiederhergestellt sind. Viele Partnerfirmen werden verschwinden und das Wachstumspotenzial der Zielmärkte wird länger untergraben bleiben. Schwellenländer, die stärker in den Welthandel integriert sind, etwa durch Tourismus oder Rohstoffe, sind jetzt eher betroffen als Entwicklungsländer. Steigende Transportkosten und protektionistische Maßnahmen beschleunigen das Ganze. 

Wie sehen Sie eine Erholung im Vergleich mit traditionellen Märkten?

Friesenbichler: Entwicklungs- und Schwellenländer sind weniger krisenresistent. Die Prognosen zeigen, dass die jetzigen Einbrüche tiefer sind als in Industrienationen. Auch die Erholung wird von Organisationen wie der Weltbank als schleppender prognostiziert, sofern einige Länder in den nächsten Jahren überhaupt wieder auf einen Wachstumspfad finden. Entwicklungsländer haben geringere Budgets zur Verfügung und die Verwaltungen haben institutionelle Probleme, weshalb Hilfen oft nicht ankommen. Dazu kommt, dass viele Firmen nur informell existieren und an staatliche Hilfsmittel gar nicht herankommen können. Auch die Containment-Maßnahmen funktionieren meist schlechter, weil der ökonomische Druck, erwerbstätig zu bleiben, um ein Vielfaches größer ist. Das trifft die Ärmsten dieser Welt doppelt. Die Entwicklungserfolge der vergangenen Jahre werden durch die Auswirkungen von SARS-CoV-2 massiv bedroht.

Wie könnte die Politik die Exportwirtschaft bei der Überwindung der Krise zusätzlich unterstützen?

Friesenbichler: Man muss natürlich zuerst einmal die Pandemie unter Kontrolle halten bei gleichzeitig vertretbaren wirtschaftlichen Kosten. Dann sollte man die wirtschaftlichen Strukturen stützen, durch finanzielle Hilfe und durch die Sicherung der Handelsstrukturen. Ein Schritt wäre eine möglichst vollständige und unverzerrte Wiederherstellung des europäischen Binnenmarkts. Das betrifft die Grenzschließungen und die Hilfsgelder. Generell sollte man das Vertrauen in ein regelbasiertes globales Handelssystem stärken.

Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: Astrid Knie

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