Dass Marie und Edwin Kleiber es mit ihrem Engagement in Kenia ernst meinen, wurde den rund 100 Mitarbeitern ihres Wiener Healthcare-Unternehmens AMEX spätestens mit der Eröffnung des neuen Büros und Lagers in Nairobi Ende Oktober klar. Denn die Doppel-CEOs nahmen die gesamte Belegschaft – die in Wien, teils aber auch in Mexiko und Pakistan ansässig ist – mit in die kenianische Hauptstadt, um ihnen die Niederlassung und die neuen Kollegen persönlich vorzustellen.
„Daneben haben unsere lokalen Kunden, die wir mit Pharmazeutika und Medizinprodukten beliefern – wie die Weltgesundheitsorganisation, Ärzte ohne Grenzen oder das Rote Kreuz – sowie offizielle Vertreter Österreichs und Kenias als Gäste an der Eröffnung teilgenommen“, berichtet Marie Kleiber.
Gerade der gute Kontakt zu den kenianischen Behörden sei einer der Gründe, der sie optimistisch stimme und an den Erfolg ihres Projekts „in Afrika für Afrika“ glauben lasse. Denn betriebswirtschaftlich gesehen sei es für einen Gesundheitsdienstleister nach wie vor günstiger, Arzneimittel in China zu produzieren, in Dubai zu lagern und im Bedarfsfall nach Afrika zu fliegen. Die Kleibers haben es sich jedoch in den Kopf gesetzt, eine durchgängige Lieferkette in Ostafrika zu etablieren, um die Wertschöpfung vor Ort und die Unabhängigkeit von äußeren Faktoren zu fördern, und ziehen das Projekt nun durch.
Die kenianischen Behörden gaben den Unternehmern die Möglichkeit, das Lager in einer neu geschaffenen Special Economic Zone in Nairobi anzusiedeln – mit dem Vorteil, dass AMEX hier die zum Großteil für den Export bestimmten Pharmazeutika lagern kann, ohne sie in Kenia registrieren zu müssen – eine immense bürokratische Erleichterung. „Der Leiter der Special Economic Zone sagte bei der Eröffnung, dass wohl nicht alles reibungslos ablaufen werde, dass wir aber gemeinsam alle Probleme lösen werden. Genau diese Lösungsorientiertheit gefällt mir sehr“, sagt Unternehmerin Kleiber.

Gute Infrastruktur
Kenia bietet sich aus mehreren Gründen als Drehscheibe für das Ostafrika-Geschäft an. Zum einen ist Nairobi ein internationales Wirtschaftszentrum, in dem viele wichtige internationale Institutionen angesiedelt sind. Weiters zeichnet sich Kenia durch ein liberales Investitions- und Wirtschaftsklima aus. Dazu besteht innerhalb der East African Community, zu der neben Kenia unter anderem Tansania, Uganda, Ruanda und seit 2022 auch die DR Kongo gehören, freier Verkehr von Arbeitskräften, Kapital, Waren und Dienstleistungen.
Daneben verfügt das Land über eine vergleichsweise gut entwickelte Infrastruktur, die jährlich besser wird – davon konnten sich die AMEX-Mitarbeiter selbst überzeugen. Denn für die Fahrt mit Taxi oder Bus vom Jomo Kenyatta International Airport ins Stadtzentrum von Nairobi benötigte das angereiste Team wohl nicht viel mehr als 20 Minuten – vor zwei Jahren musste man für die Strecke noch rund zwei Stunden einplanen. Gamechanger ist der „Expressway“, eine 27 Kilometer lange, auf Betonstelzen errichtete Mautstraße, die den Flughafen mit dem Stadtzentrum verbindet und von der China Road and Bridge Corporation gebaut wurde.
Dieses von China finanzierte, gebaute und betriebene Infrastrukturgroßprojekt ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für das gegenwärtige Kenia. Mit ihm wurde ein wesentliches Problem Kenias und seiner Wirtschaft gelöst. Dadurch wurde aber ein anderes – die ohnehin massive staatliche Schuldenlast – verschärft. China hat zudem seinen großen Einfluss in Kenia weiter ausgebaut. Eine weitere einflussreiche Großmacht ist Indien, wobei indischstämmige Kenianer schon lange einen bedeutenden Teil der lokalen Wirtschaft ausmachen.
Interview mit Andreas Pfleger, WKÖ
Starker Partner Europas
Europa als Partner
Europa hat sein Interesse an Kenia, dem wichtigsten Markt Ostafrikas, zuletzt ebenfalls intensiviert. Mit der Begründung, dass Kenia bei Nachhaltigkeit – konkret bei Klima- und Umweltschutz sowie Arbeitnehmerrechten – in Afrika eine Vorreiterrolle einnehme, schloss die EU mit dem Land ein Partnerschaftsabkommen ab, das im Juli 2024 in Kraft trat und Kenia den zoll- und quotenfreien EU-Zugang für alle kenianischen Exporte garantiert. Zu den wichtigsten Exportgütern zählen Blumen, Kaffee und Tee. Noch andere Güter könnten in Zukunft dazukommen. Denn im Gegensatz zu vielen weiteren Ländern Afrikas stützt sich Kenias Wirtschaft nicht auf den Export von Rohstoffen, sondern verfügt über einen diversifizierten lokalen Markt.
So wird das Wirtschaftswachstum von 5,5 Prozent im Jahr 2023 auf die Erholung der Landwirtschaft nach ausreichenden Regenfällen und auch auf einen Anstieg des Tourismus mit über zwei Millionen Besuchern zurückgeführt. Für 2024 wird ein weiterhin solides Wachstum von etwa 5 Prozent erwartet.
Daten und Fakten
Ostafrika-Drehscheibe
Kenia ist die fünftgrößte Volkswirtschaft Subsahara-Afrikas – und der regionale Handels-Hub.

Ausgeprägte Sektoren
Innerhalb der kenianischen Wirtschaft sind drei Sektoren gut ausgeprägt: die Industrie mit 16,9 Prozent des BIP, die Land- und Forstwirtschaft mit 24,1 Prozent und die Dienstleistungen mit 52,9 Prozent – hier zeigen vor allem die Finanzwirtschaft und der Tourismus Profil.
Nairobi hat sich darüber hinaus als regionaler Tech-Hub etabliert. In ihm sieht Andreas Pfleger, der österreichische Wirtschaftsdelegierte in Nairobi, hochinteressante Lernmöglichkeiten für österreichische Unternehmen: „Hier gibt es unzählige junge Menschen, die niederschwellige, einfache Lösungen entwickeln, die echten Impact haben. Wer also Inspiration sucht, wie man hochtrabende Ideen simplifizieren und stabilisieren kann, oder nach Kooperationen in diesem Bereich Ausschau hält, sollte unbedingt nach Kenia kommen“, so Pfleger.
Was für den jungen Tech-Sektor gilt, lässt sich auch in anderen Bereichen feststellen: Kenia steht nicht still und bietet ständig neue Chancen. Das kann seitens der Strabag SE bestätigt werden. Das österreichische Bauunternehmen mischt seit mehr als 55 Jahren in Kenias Baubranche mit und war zuletzt etwa an der Errichtung des Thiba-Staudamms 130 Kilometer nordöstlich von Nairobi (Auftragswert rund 72 Mio. Euro) beteiligt. „In der Vergangenheit lag unser Schwerpunkt in Kenia hauptsächlich auf Infrastruktur- und Dammbauprojekten. Mittlerweile bieten wir ein breiteres Leistungsspektrum an, etwa in den Bereichen Geothermie, Wasseraufbereitung oder Kläranlagen – und werden dieses weiter ausbauen“, berichtet Felix Brühl, Strabag-Bereichsleiter für Subsahara-Afrika.
Neben Infrastruktur, Gesundheit, Energie und Industrie sieht Pfleger die Recyclingbranche als interessanten Anknüpfungspunkt für österreichische Unternehmen: „Plastik, Papier, Altkleider – Recycling steckt in Kenia noch in den Kinderschuhen, gewinnt aber zunehmend an Bedeutung. Und hier bietet Österreich die passenden Technologien“, so der Wirtschaftsdelegierte. Der Wiener Verpackungskonzern Starlinger hat bereits angedockt und im Vorjahr in der Nähe von Nairobi Kenias erste Bottle-to-Bottle-Recyclinganlage installiert. Auch der Mitbewerber Erema ist in diesem aufstrebenden Markt aktiv.

Eintrittshürden
Eine Hürde für exportierende österreichische Unternehmen stellt allerdings die Finanzierung dar. Der Leitzins der kenianischen Zentralbank liegt derzeit bei hohen 13 Prozent. Gleichzeitig stuft die Oesterreichische Kontrollbank (OeKB) Kenia wie viele andere afrikanischen Staaten in die Länderkategorie 7 von 7 ein – und damit als maximal riskant für Exportgeschäfte. Mit Einschränkungen ist eine Deckung aber dennoch möglich. Kenia gehört zudem zu den österreichischen Soft-Loan-Zielländern, was bedeutet, dass öffentliche Stellen in Kenia bei der OeKB günstige Kredite für Projekte mit Entwicklungswirkung beantragen können. Der Wiener Gesundheitsdienstleister Vamed konnte über diesen Weg in Kenia tätig werden.
Für den österreichischen Wirtschaftsdelegierten in Nairobi liegt der Schlüssel zum Erfolg in der Zusammenarbeit mit einem verlässlichen lokalen Partner: „Es gibt österreichische Unternehmen, die seit 30 Jahren Maschinen in Afrika vertreiben und seit 20 Jahren mit demselben Partner zusammenarbeiten. Diese Unternehmen wissen, dass die Uhren hier anders ticken und die Strukturen grundlegend verschieden sind. Man muss sich die Zeit nehmen, Kenia und Afrika wirklich zu verstehen. Es gibt in Kenia hochqualifizierte, international ausgebildete Fachkräfte, die ihr Land voranbringen wollen und kein Interesse an Korruption haben. Solche potenziellen Partner zu finden, ist entscheidend – dann ist alles machbar“, ist Pfleger überzeugt.

Zwischen Protest und Potenzial
Für Teile der jungen, vergleichsweise gut ausgebildeten Bevölkerung Kenias (Durchschnittsalter: 19 Jahre) scheint jedoch nicht unbedingt alles machbar. Im Juni und Juli erschütterten Proteste der Generation Z das Land. Auslöser waren neue Steuern, hohe Inflation, grassierende Jugendarbeitslosigkeit und weit verbreitete Korruption – Kenia belegt im Corruption Perception Index von Transparency International Rang 126 von 180 Ländern, zwischen El Salvador und Niger. Bei Zusammenstößen mit der Polizei kamen einige Menschen ums Leben. Die Lage hat sich inzwischen beruhigt, doch viele junge Kenianer hoffen auf politische Veränderungen nach den nächsten Wahlen 2027, wenn acht Millionen von ihnen erstmals wählen dürfen.
Für internationale Unternehmen bietet die junge Bevölkerung Kenias enormes Potenzial. So planen Marie und Edwin Kleiber für ihre neue AMEX-Healthcare-Niederlassung in Nairobi neben den Lagerarbeitern etwa 25 Mitarbeiter im Büro zu beschäftigen. Aktuell sind bereits sieben Stellen besetzt, und Marie Kleiber zeigt sich zuversichtlich: „Kenia hat einen unglaublichen Drive. Der positive Mindset der jungen, technologieaffinen Bevölkerung ist mitreißend. Wir freuen uns, dass es für uns hier jetzt so richtig losgeht.“