Wie ist die Wirtschaftslage in Kenia?
Pfleger: Logistik und Infrastruktur sind das Rückgrat jeglicher wirtschaftlicher Tätigkeit und wurden in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Um die Projekte voranzutreiben, wurden Schulden aufgenommen, deren Bedienung nun allerdings Probleme macht und die Regierung in ihrer Handlungsfähigkeit einschränkt. Daneben kämpft das Land mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit, steigenden Lebenshaltungskosten und Problemen beim flächendeckenden Zugang zu Gesundheit und Bildung. Ich bin dennoch optimistisch, nicht zuletzt wegen des kürzlich in Kraft getretenen Partnerschaftsabkommens mit der Europäischen Union. Die kenianische Wirtschaft wird stark davon profitieren.
Inwiefern?
Pfleger: Kenia treibt Handel mit der ganzen Welt, und der privilegierte, zollfreie Zugang zu einem Markt von 450 Millionen Menschen in der EU ist von enormem Wert. Umgekehrt wird es noch einige Jahre dauern, bis die Importzölle und Quoten für europäische Exporteure in Kenia gesenkt werden. Das hat gute Gründe: Der kenianische Markt benötigt derzeit noch Schutz, um lokale Wirtschaftszweige zu stärken. Gleichzeitig bietet sich jetzt die Chance, die heimische Wertschöpfung zu steigern und die Qualität der Produkte zu verbessern. Ein Beispiel ist die Agrarwirtschaft: Der Export von Blumen ist in Kenia bereits gut etabliert. Nun möchte man den Sektor ausbauen und auf höherpreisige Produkte ausrichten, die in Europa stark nachgefragt sein könnten. Ein weiterer Vorteil für Kenia ist der hohe Anteil an erneuerbarer Energie im Land – über 90 Prozent des Stroms stammen primär aus Wasserkraft. Dies macht Kenia nicht nur nachhaltiger, sondern auch wettbewerbsfähiger, etwa im Hinblick auf den europäischen Carbon Border Adjustment Mechanism, der CO2-Preise für importierte Waren einführt. Damit wird Kenia für den europäischen Markt künftig noch attraktiver, sowohl im Hinblick auf Nachhaltigkeit als auch auf Emissionszertifikate.
Die kenianische Bevölkerung hat ein Durchschnittsalter von 19 Jahren, jedes Jahr strömen Millionen Kenianer neu auf den Jobmarkt. Wie viele von ihnen könnten zukünftig auch in Österreich arbeiten?
Pfleger: Ich hoffe, möglichst viele. Österreich ist auf internationale Fachkräfte angewiesen, und die Voraussetzungen in Kenia stimmen, vor allem, was den Ausbildungsstand als auch die kulturelle Nähe betrifft. Die Fachkräftegewinnung wird für uns im Außenwirtschaftscenter in Nairobi in den kommenden Jahren, allen Vorzeichen nach, ein wichtiges Thema sein.
Deutschland geht in dieser Hinsicht voran, mit einem medial präsenten Abkommen – nicht zuletzt, weil Kenias Präsident Ruto die Zahl von 250.000 Kenianern für den deutschen Arbeitsmarkt in den Mund genommen hatte.
Pfleger: Die deutsche Bundesregierung steht den Chancen in Afrika positiv gegenüber. Und ich finde gut, dass die Deutschen da vorpreschen und das formal festgehalten haben. Noch schöner wäre es, wenn ich lesen würde, dass hunderte kenianische Krankenschwestern zufrieden in der bayerischen Provinz leben und arbeiten. The proof of the pudding is in the eating: Papiere unterschreiben können wir alle, nun geht es darum, wer es am besten hinbekommt, dass seine Gesellschaft offen dafür ist, neue Menschen aufzunehmen. Und zwar neue Menschen, die wir wirklich brauchen, gerade im Pflegebereich. Wir müssen schauen, dass sich die Kenianer bei uns wohlfühlen und bei uns auch arbeiten wollen. Und zwar nicht nur, weil sie in Kenia keine Jobs finden.
Wo sehen Sie Kenia in fünf bis zehn Jahren?
Pfleger: Wesentlich erstarkt in seinen Exporten, qualitativ und quantitativ. Weiterentwickelt in der Infrastruktur. Und als starker Partner der EU in speziellen Industrien und um unserer Überalterung entgegenzusteuern.