Nachhaltigkeit in der Hotellerie: Lokale Wirkung, globale Kraft

Nachhaltigkeit in der Hotellerie gewinnt an Bedeutung – und sollte auch beim Neustart nach der Krise mitgedacht werden, sagt Wolfgang M. Neumann, Vorsitzender der im Oktober 2020 lancierten Plattform Sustainable Hospitality Alliance.

Nachhaltigkeit in der Hotellerie, Neumann
Wolfgang M. Neumann, Sustainable Hospitality Alliance
corporAID: Ist Nachhaltigkeit in der Hotellerie noch Nische oder bereits Mainstream? 

Wolfgang M. Neumann: Es gibt definitiv einen starken Trend zu mehr Nachhaltigkeit in der Hotelbranche. Das spiegelt sich auch bei den Mitgliedern unserer Sustainable Hospitality Alliance wider, zu denen globale Marken wie Hilton, IHG, Marriott International und Radisson ebenso zählen wie die regionalen Marken Dorint und Soneva. Mehrere Faktoren treiben das Thema an. Natürlich gibt es die moralische Verpflichtung, dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss, unseren Planeten und seine Bewohner zu schützen. Es gibt aber auch ein starkes wirtschaftliches Argument. Denn Nachhaltigkeit spielt zunehmend eine Rolle bei Geschäfts- und Urlaubsreisen. Laut der Plattform Booking.com würden bereits 70 Prozent aller Reisenden eine Unterkunft eher buchen, wenn sie wissen, dass diese umweltfreundlich ist. Zum anderen lassen sich durch die Umstellung auf nachhaltigere Betriebsweisen erhebliche Einsparungen erzielen. Wenn die Hotellerie nach der harten Covid-19 Krise neu startet, sollte sie das mitdenken. Denn Nachhaltigkeit schafft Wettbewerbsvorteile und verbessert organisatorische Effizienz.

corporAID: Mit welchen Nachhaltigkeitsthemen sollten sich Hotels vor allem befassen?

Neumann: Nachhaltigkeit umfasst so unterschiedliche Themen wie Armut, Klimawandel und Umweltzerstörung. Die 17 globalen Ziele für nachhaltige Entwicklung SDG zeigen diese Vielfalt auf. Ein Unternehmen kann kaum alles berücksichtigen. Hotels können aber äußerst positiv auf ihre Umgebung wirken, auf die lokale Wirtschaft, auf Jobs, Infrastruktur und Beschaffung. Jedes Hotel sollte also über seinen lokalen Einfluss nachdenken, um sicherzustellen, dass es nicht zu viele Ressourcen verbraucht oder die Umwelt schädigt. Die Branche hat aber auch eine kollektive Kraft. Es gibt weltweit mehr als 200.000 Hotels, gemeinsam haben sie einen erheblichen Einfluss auf Lieferketten und Partnerunternehmen in Bezug auf ethisches Personalrecruiting, CO2-Ausstoß und Wasserverbrauch sowie verantwortungsvolle Beschaffung und Abfall. 

corporAID: Sehen Sie große regionale Unterschiede in den Nachhaltigkeitsstrategien von Hotels?

Neumann: Soziale und ökologische Themen haben je nach Region unterschiedliche Priorität – man denke nur an Wasserknappheit, die an manchen Orten viel gravierender ist als an anderen. Hotels sollten Beiträge für spezifische Herausforderungen finden. So gibt es in Afrika und Indien tolle Beispiele für die Inklusion von Arbeitnehmern mit Behinderungen. Es gibt auch Fortschritte beim ethischen Recruiting von Wanderarbeitern in Asien, Afrika und im Nahen Osten oder bei der Plastikvermeidung auf den Malediven. Idealerweise kooperiert ein Hotel mit anderen Hotels oder Partnern aus der Community, um den positiven Einfluss zu vergrößern. Durch den Austausch von Best Practice lassen sich Lösungen auch an anderen Orten replizieren und skalieren. 

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Plattform Sustainable Hospitality Alliance bietet eine Reihe kostenloser Tools und Ressourcen, die es Hotels ermöglichen sollen, in den vier Schwerpunktbereichen Klimaschutz, Wasser, Jugendbeschäftigung und Menschenrechte Fortschritte zu erzielen.

Foto: SHA