Das bis vor kurzem als Ganzes und heute großteils im Familienbesitz befindliche IT-Unternehmen Frequentis findet sich regelmäßig auf den Listen heimischer Hidden Champions. Darunter werden international höchst erfolgreiche, in Österreich selbst aber kaum bekannte, wachstumsstarke Unternehmen mittlerer Größe verstanden. Bei Frequentis selbst wird über die Zuschreibung diskutiert. Denn es trifft zwar zu, dass das Gros des Geschäfts im Ausland gemacht wird – die Exportquote liegt bei 96 Prozent. Bis heute ist Frequentis aber auch in Österreich in zahlreichen Geschäftsfeldern tätig. So stattet das in Wien beheimatete Unternehmen seit seinen Anfängen die österreichische Flugsicherung Austro Control an allen Standorten technologisch aus. Ganz aktuell arbeitet Frequentis im Auftrag des Innenministeriums an der Errichtung von ELKOS, einem einheitlichen Einsatzleit- und Kommunikationssystem für die Polizei und andere Blaulichtorganisationen. „Wir entwickeln, bauen und vertreiben hochzuverlässige und einfach zu bedienende Kommunikationstechnologie für Leitzentralen im sicherheitskritischen Umfeld“, beschreibt Johann Schweiger, Vertriebsleiter des Unternehmens, das Kernangebot.

Der erste Schritt über Österreichs Grenzen hinaus erfolgte im Jahr 1985 und führte nach Deutschland, knapp zehn Jahre später gelang der Sprung nach Amerika. Der Einstieg in Mexiko, wo mittlerweile alle 58 Flughäfen des Landes mit Sprachkommunikations- und Informationssystemen aus Wien ausgestattet sind, kam auf Anregung des lokalen Handelsdelegierten zustande. „Die Unterstützung durch die Wirtschaftskammer und ihre Auslandsbüros war in den Anfängen für uns vor allem bei der Partnerwahl und beim Kundenverständnis essenziell“, sagt Schweiger. Als das Unternehmen ab 1997 nach und nach in allen Weltregionen eigene Vertriebs- und Serviceniederlassungen eröffnete, blieb diese Hilfe zwar wichtig, doch die Bedarfslage hatte sich geändert. Vom Headquarter in Wien aus werden heute neben Zentraleuropa nur mehr Afrika und Osteuropa direkt betreut. 

Aus der Asche

Begonnen hat Frequentis als „Start-up“ 1947 im kriegszerstörten Wien. Die Gründer, der Radiomechaniker Emanuel Strunz und sein Kollege Walther Hamm, boten an, den Wiederaufbau der zerstörten Antennen- und Sendeanlagen für den Rundfunk voranzutreiben. Die Ingenieure packten an, wo Bedarf bestand, ihr Kerngebiet war die Hochfrequenztechnik. So statteten sie Zoll, Gendarmerie und Feuerwehr mit Funkanlagen aus, aus Resten bauten sie einen Sender, den sie an den österreichischen Rundfunk vermieteten. Als Österreich im Jahr 1955 nach Abzug der Besatzungsmächte eine eigene Flugsicherung benötigte, erhielt Frequentis die Chance, diese bereitzustellen, und tat damit den ersten Schritt hin zu dem, was heute das Kerngeschäft ausmacht. In den frühen 1980er Jahren war Frequentis bereits ein Kleinunternehmen mit 40 Mitarbeitern. Beratungen durch Johannes Bardach, Assistent am Institut für Computertechnik an der Technischen Universität Wien, führten zu dessen Einstieg in die vielversprechende Firma, 1986 übernahm er sie. 

Unter dem Motto „Für eine sicherere Welt“ stattet Frequetis neben Luftraumkontrollbehörden Polizeistationen wie in St. Gallen …

Mit der Einführung volldigitaler Sprachvermittlungssysteme in der Flugsicherung bahnte sich Frequentis den Weg zum Technologieführer. Die Installation des weltweit ersten großen Systems dieser Generation in der Kontrollzentrale der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt Eurocontrol in Maastricht im Jahr 1993 machte die neue Benchmark international sichtbar. Dass Frequentis bald darauf begann, sich in den Bereichen öffentliche Sicherheit und Transport ein zweites Standbein aufzubauen, erwies sich spätestens dann als strategisch goldrichtig, als nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 in New York die Aufträge für Flugsicherungen infolge allgemeiner Verunsicherung vorübergehend einbrachen. 

Küstenwachen wie in Jersey …

Mit einem Portfolio bestehend aus ziviler und militärischer Flugsicherung sowie Ausrüstungen für Leitzentralen von Blaulichtorganisationen, Schifffahrt und Bahn ging das kontinuierlich wachsende Unternehmen ins dritte Jahrtausend. „Ich habe Frequentis von Anfang an auf jene Bereiche ausgerichtet, welche die besten Wachstums- und Ertragsmöglichkeiten boten. Vor 30 Jahren war das die Telekommunikation“, erklärt Johannes Bardach rückblickend, „Daraus entwickelten sich mit der Zeit die verschiedenen Geschäftsfelder, die alle in überschaubaren Nischen operieren und denen die sicherheitskritische Kultur gemeinsam ist. Das stellt einen großen Unterschied zu anderen Unternehmen dar. Eine normale Software-Firma kann es sich zumeist nicht leisten, sich derart in ein Thema und in eine Kultur zu vertiefen, wie wir es bei der Sicherheit tun.“ 

Rasante Expansion

… und Bahngesellschaften wie in Sydney aus.

Nach Mexiko folgten erste Aufträge in China, wo Frequentis bald die Marktführerschaft im Bereich Flugsicherung übernahm, sowie Indonesien. Als einer der schwierigsten Märkte erwies sich laut Bardach die USA, da das öffentliche Auftragswesen dort grundlegend anders funktioniert als hierzulande. Der Durchbruch gelang 2003. Mit Großaufträgen folgten Australien und Brasilien. Als spezieller Markt entpuppte sich Indien, wo Frequentis in der Flugsicherung und im Schiffsverkehr Einzelaufträge gewann. Die Erfahrung zeigte aber, dass sich die teils niedrigen Anforderungen und der hohe Preisdruck nicht mit dem Frequentis-Portfolio deckten. „Indien ist noch nicht so weit, wie wir es gerne hätten“, so Vertriebsleiter Schweiger.

Nicht viel anders ist die Lage in zahlreichen Entwicklungsländern, wo Frequentis – von Guatemala über Sierra Leone bis Thailand – auch schon Aufträge an Land ziehen konnte, fallweise deshalb, weil die Oesterreichische Kontrollbank OeKB dem Auftraggeber einen günstigen Entwicklungshilfekredit, einen so genannten Soft Loan, mitliefern konnte. Auf den Philippinen installierte Frequentis auf dieser Basis eine Notrufzentrale für den Großraum Manila, in Vietnam Feuerwehreinsatzzentralen für vier Städte, nach Ägypten verkaufte es eine Schiffverkehrsüberwachung für den Nil. 

Interview mit Norbert Haslacher, CEO von Frequentis

Norbert Haslacher, Frequentis

Auf Wachstumskurs

CEO Norbert Haslacher über Zukunftspläne und Wachstumsmärkte des Technologieunternehmens Frequentis.

„Die größte Schwierigkeit in Entwicklungsländern ist die politische Unsicherheit“, erläutert Schweiger die Herausforderung. „Der häufig rasche Wechsel der Entscheidungsträger sowie unklare regierungsinterne Abstimmungsprozesse können Projekte über Jahre verzögern. Und mit einem in Ungnade gefallenen Minister kann auch noch das schönste Projekt vom Tisch sein, egal, wieviel Arbeit darin steckt. Wir haben das alles erlebt.“ Weshalb sich Frequentis dennoch auch um diese Märkte bemüht, erklärt der Sales-Chef so: „Als Marktführer in drei Bereichen und mit dem Ziel, die Marktführerschaft weiter auszubauen, sind wir gut beraten, bei allen Projekten mitzumachen und dabei mindestens dazuzulernen. Wir können uns nicht nur die Rosinen herauspicken.“ Aktuell sieht Schweiger Nachfrage vor allem aus Asien und dem Mittleren Osten.

Nicht von der Stange

Die Auftragsakquise erfolgt meist über Ausschreibungen, auf eine Trefferrate von 25 bis 30 Prozent ist Frequentis stolz. Dabei kann es sich um Installationen im Wert von 30 bis 40 Mio. Euro, an denen mehr als 500 Arbeitsplätze hängen, ebenso handeln wie um Kleinanlagen in Höhe von 10.000 Euro, etwa für eine Feuerwehrstation.

In der Zentrale in Wien werden die Lösungen entwickelt …

Alles in allem weist das Unternehmen heute Projekte bei mehr als 500 Kunden in 140 Ländern vor. Schweiger betont: „Firmen mit einem geographischen Footprint, wie ihn Frequentis aufweist, sind in der Regel um den Faktor zehn größer.“ Dass es großen Playern trotz Anläufen nicht gelungen ist, dem Mittelständler aus Österreich mit knapp 2.000 Mitarbeitern das Feld streitig zu machen, erklärt er mit der handwerklichen Leistung, die in den Lösungen steckt: „Wir verkaufen nicht von der Stange, unser Alleinstellungsmerkmal sind integrierte, das heißt an die lokalen Systeme anschließende, individuell zugeschnittene Lösungen. Für große Unternehmen sind solche Projekte meist zu kleinteilig und zu komplex.“

Neue Etappe

… und von den Kunden, wie etwa einer Delegation aus Ägypten, getestet.

Frequentis produziert längst nicht mehr nur am Standort in Wien, sondern lässt Software auch in Osteuropa schreiben oder implementiert Dienstleistungen in den USA und Australien direkt vor Ort. Zusätzliches Know-how zog das Unternehmen durch Akquisitionen an Land, eine Minderheitsbeteiligung führt bis in die Philippinen. Ein eigenes Kompetenzzentrum nimmt sich inzwischen der Aufgabe an, unter den Mitarbeitern über alle Landes- und Sprachgrenzen hinweg eine gute Zusammenarbeitskultur zu schaffen.

Generationenwechsel: der langjährige Alleineigentümer Johannes Bardach (li.) mit Norbert Haslacher (re.), seit April 2018 CEO
Generationenwechsel: der langjährige Alleineigentümer Johannes Bardach (li.) mit Norbert Haslacher (re.), seit April 2018 CEO

Der Schritt zum Global Player ist längst vollzogen. Johannes Bardach, mehrfach zum Unternehmer des Jahres gekürt und mit etlichen Auszeichnungen, darunter das goldene Ehrenzeichen für die Republik Österreich, geehrt, hat Frequentis groß gemacht und es nun in die nächste Etappe entlassen. Im Frühjahr 2018 übergab er die Führung an Vorstandskollegen Norbert Haslacher, der 2019 das Unternehmen an die Börse brachte, um durch zusätzliche Mittel die internationale Präsenz weiter auszubauen. Frequentis bleibt dennoch ein Familienunternehmen, zu 67 Prozent. 

 


Das Unternehmen

Dreifacher Weltmarktführer

Das Wiener IT-Unternehmen Frequentis hat Kontrollcenterlösungen und Software für sicherheitskritische Bereiche in mehr als 140 Ländern installiert. 

Headquarter in Wien

1947 gegründet, ist Frequentis heute Weltmarktführer bei Sprachkommunikationssystemen für die Flugsicherung, Nachrichtensystemen für die Luftfahrt und Mobilfunknetzen im Bahnbereich. Der kontinuierlich steigende Umsatz erreichte 2018 knapp 300 Mio. Euro, der Exportanteil liegt bei 96 Prozent. Der Technologiekonzern beschäftigt in fünf Industriesparten 1.840 Mitarbeiter, knapp die Hälfte davon in den elf Vertriebsniederlassungen rund um den Globus, an Software-Produktionsstandorten in Tschechien, Slowakei, Rumänien und auf den Philippinen sowie in Entwicklungszentren in Deutschland, Großbritannien und den USA. Nach dem Börsengang in Wien und Frankfurt im Mai dieses Jahres behält der langjährige CEO und Alleineigentümer der Frequentis, Johannes Bardach, einen Anteil von 67 Prozent, zehn Prozent übernahm die Industrieholding B&C, der Rest befindet sich im Streubesitz. 


Fotos: Frequentis