Leonore Gewessler: „Österreich ist zum Vorreiter geworden.“

Auch beim globalen Klimaschutz müssen wir endlich ins Handeln kommen, sagt Leonore Gewessler. Die Klimaschutzministerin wünscht sich mehr Ambition, großzügige Klimafinanzierung und weltweit grüne „Made in Austria“-Lösungen.

Leonore Gewessler
Leonore Gewessler ist seit 2020 Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Der Kampf gegen den Klimawandel wird nicht in Österreich gewonnen werden. Welche Bedeutung messen Sie dem internationalen Klimaschutz bei? 

Gewessler: Klimaschutz ist die große Herausforderung unserer Zeit – die Klimakrise betrifft uns alle. Egal ob in Europa oder Asien, als Industrienation im globalen Norden oder kleines Land im globalen Süden. Umso wichtiger sind unsere Anstrengungen, um die Klimakrise noch in den Griff bekommen zu können. Denn klar ist: Die Erreichung der globalen Klimaziele kann nur gemeinsam erfolgen. Das heißt im Umkehrschluss: Es braucht von allen Ländern nationale Anstrengungen. Es ist unsere nationalstaatliche Verantwortung, für Netto-Null-Emissionen und damit für eine gute Zukunft kommender Generationen zu sorgen. Man kann nicht einfach sagen, jemand anderer wäre mehr zuständig – dabei haben die Industrieländer wie Österreich eine besondere Verantwortung. Leider wurde Klimaschutz sowohl auf internationaler Ebene als auch in Österreich zu lange nicht ernst genug genommen, es wurde hier wie da viel geredet, aber wenig getan. Daher brauchen wir nun eine Aufholjagd im Klimaschutz, sowohl national wie international. 

Österreich engagiert sich auch in der internationalen Klimafinanzierung. Wie sehen die nächsten Schritte aus? 

Gewessler: Alle Länder müssen national etwas tun, aber nicht alle haben dieselben finanziellen Möglichkeiten, aktiv zu werden. Hier braucht es internationale Unterstützung. Das Budget des Klimaschutzministeriums für internationale Aktivitäten wurde für die Jahre 2023 bis 2026 auf 340 Millionen Euro verdreifacht. Ich bin sehr stolz darauf, dass Österreich zum Vorreiter bei der Klimafinanzierung geworden ist. Wir konnten beispielsweise bereits im April insgesamt 160 Millionen Euro für die nächste Finanzierungsperiode des Green Climate Funds zusagen. Gleichzeitig haben wir eine erste Förderausschreibung für österreichische Projekte, die im globalen Süden zum Klimaschutz beitragen, gestartet. Mit Entscheidungen ist im Oktober zu rechnen. Für 2024 sind weitere Ausschreibungen geplant.

Wie würden Sie die bisherige Performance Österreichs für Klimaschutz außerhalb der Landesgrenzen bewerten? 

Gewessler: Hier muss man die österreichische Klimapolitik innerhalb der EU und jene außerhalb der EU voneinander trennen. Innerhalb der EU bringen wir uns stark für eine ambitionierte, gemeinsame EU-Klimapolitik ein. Natürlich ist das ein Bohren dicker Bretter, aber mit dem Fit for 55-Paket haben wir wichtige Weichen gestellt. Außerhalb der EU arbeiten wir mit Partnern bilateral und multilateral zusammen, um den Klimaschutz voranzubringen. Hier spielt natürlich auch die Klimafinanzierung eine wichtige Rolle, zum Beispiel bei der Wiederbefüllung des Green Climate Fund. In Summe stellen wir hier mehr Budget zur Verfügung als je zuvor. Denn es gilt Verantwortung zu übernehmen, auch vis-à-vis dem globalen Süden.

Wie könnte Österreich Entwicklungsländern dabei helfen, ihre Bemühungen im Klimaschutz zu unterstützen? Wo liegen die Synergien zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz? 

Gewessler: Österreich stellt Klimafinanzierung in den Bereichen Emissionsreduktion, Anpassung sowie hinsichtlich „Loss and Damage“ zur Verfügung. Dabei arbeiten öffentliche Akteure eng miteinander zusammen. Damit wollen wir erreichen, dass Klimaschutz in der Entwicklungszusammenarbeit immer mitgedacht wird. Über Klimafinanzierung hinaus kann Österreich auch durch Initiativen, die Finanzströme und Investitionsentscheidungen zum Beispiel internationaler Finanzinstitutionen klimakompatibel machen und so zum Klimaschutz in den Ländern des globalen Südens beitragen.

Klimaschutz ist der wesentliche Faktor für eine zukunftsfähige Wirtschaft.

Welche Rolle messen Sie der heimischen Wirtschaft insbesondere für internationalen Klimaschutz zu – Stichwort Grüne Industriepolitik? 

Gewessler: Klimaschutz ist der wesentliche Faktor für eine zukunftsfähige Wirtschaft – denn der Wettbewerb der Zukunft ist der Wettbewerb um grüne Produkte und Prozesse. Genauso gilt, dass wir mit Klimaschutz-Produkten und -Lösungen „Made in Austria“ einen weltweiten Beitrag leisten. Damit das gelingt, leiten wir die industrielle Transformation bereits jetzt ein. Gerade auch aufgrund langer Investitionszyklen, hohem Investitionsaufwand und entsprechender Anlagenbetriebsdauern ist das von zentraler Bedeutung. Dazu braucht es eine Politik, die für Planbarkeit und Investitionssicherheit sorgt. Denn vielfach sind die Rahmenbedingungen noch auf die Nutzung fossiler Energie ausgelegt. Genauso braucht es Förderungen, wie es sie mit unserem erstmalig verankerten Programm „Transformation der Industrie“ mit knapp drei Milliarden Euro bereits gibt. 

Welche Rolle könnten Entwicklungsregionen als Lieferanten für grünen Wasserstoff für Österreich spielen? 

Gewessler: Grüner Wasserstoff und Produkte, die daraus entwickelt werden, sind aus heutiger Sicht über die nächsten Jahrzehnte gesehen ein knappes Gut. Die Nachfrage wäre bereits jetzt hoch, das Angebot ist es aber nicht. Generell gilt es, Lieferbeziehungen auf Augenhöhe zu entwickeln. Insgesamt ist noch viel zu tun, um stabile, sichere und planbare Lieferketten aufzubauen. Wir sind bereits im Austausch mit einigen Ländern und sehen, dass es da durchaus Bereitschaft gibt.

Welche Aktivitäten wird Ihr Ministerium zukünftig setzen – beispielsweise durch Internationale Erneuerbare Energie Partnerschaften?

Gewessler: Als Binnenland hat Österreich andere Herausforderungen als etwa Küstenländer, die über Anlieferterminals verfügen. Noch fehlt es an einem geeigneten Pipeline-Netz, an internationalen Standards, und es ist noch unklar, in welchem Zustand Wasserstoff exportiert, importiert und ins Pipeline-Netz einbringbar ist. Insofern arbeiten wir vor allem mit Ländern und Regionen, wo komplexere Kooperationen langfristig möglich sind.

Die COP 28 findet in Dubai statt. Was erhoffen Sie sich von der Weltklimakonferenz und welche Schwerpunkte setzt Österreich? 

Gewessler: Die COP 28 wird eine wichtige Klimakonferenz werden. Sie wird die erste globale Bestandsaufnahme seit Inkrafttreten des Übereinkommens von Paris – wir schauen uns in allen Bereichen an, wo wir stehen und was dringend getan werden muss, damit die internationale Staatengemeinschaft wieder auf den 1,5-Grad-Zielpfad kommt. Die österreichischen Prioritäten bringen wir in eine gemeinsame EU-Position ein, die sich im Kern mit „Mehr Ambition“ zusammenfassen lässt. International geht es darum, gemeinsam mehr zu schaffen. 

Vielen Dank!

 

Zur Person 

Leonore Gewessler, 46, ist seit 2020 Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie. Zuvor war die gebürtige Grazerin Geschäftsführerin der Umweltorganisation Global 2000 und Gründungsdirektorin der Green European Foundation in Brüssel. Die Grünen-Politikerin hat an der Universität Wien Politikwissenschaften studiert.

 

 

Bild: BMK/Cajetan Perwein