Reges Treiben herrschte beim Afrikatag der Wirtschaftskammer Österreich WKÖ, der am 6. November in Wien stattfand: 450 Teilnehmer, davon 100 von afrikanischer Seite, volle Säle, sowohl bei den Reden als auch bei den darauffolgenden sieben Panels. Dazu kamen mehr als 400 B2B-Termine am Nachmittag. „Unsere Erwartungen haben sich damit voll erfüllt“, freut sich Nella Hengstler, Regionalmanagerin für Afrika der Außenwirtschaft Austria und Organisatorin der Veranstaltung: „Das Interesse an Afrika ist von österreichischer Unternehmerseite sichtbar gewachsen. Die Zeit ist reif!“
Mariana Kühnel, stellvertretende WKÖ-Generalsekretärin, skizzierte bei ihrer Rede fünf Megatrends am Nachbarkontinent, welchen an diesem Tag besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte: Bevölkerungswachstum, Industrie- sowie Infrastrukturausbau, ungenutzte Ressourcen und neue Technologien. Die Außenwirtschaft Austria setzt sich ambitionierte Ziele für die kommenden Jahre: Bis 2025 sollen fünf Prozent aller österreichischen Exporte nach Afrika gehen (aktuell sind es 1,2 Prozent), zudem soll die Zahl der Exporteure um 30 Prozent und die der Betriebsniederlassungen in Afrika um 50 Prozent gesteigert werden. „Wir müssen unsere Präsenz vor Ort rasch deutlich ausbauen!“, gab Jürgen Roth, Vizepräsident der WKÖ, die Linie vor.
Bescheidene Performance
Denn obwohl die Räumlichkeiten der WKÖ beim Afrikatag aus allen Nähten platzten, ist in Subsahara-Afrika von österreichischen Unternehmen bisher kaum etwas zu sehen. Das zeigt auch eine neue Studie über die österreichische Wirtschaft in Subsahara-Afrika, die Philipp von Carlowitz, Ökonom von der ESB Business School aus Reutlingen, beim Afrikatag vorstellte. Von Carlowitz betonte wie alle anderen Vortragenden an diesem Tag das enorme ökonomische Potenzial Subsahara-Afrikas, die hohen Wachstumsraten und die Vielzahl an Zukunftsbranchen – wobei für österreichische Unternehmen vor allem Anlagenbau, Infrastruktur sowie Medizin- und Umwelttechnik von großem Interesse sein dürften. Als vorrangige Zielländer für österreichische Unternehmen haben sich im Rahmen der Studie die Elfenbeinküste, Ghana, Nigeria, Äthiopien, Kenia, Tansania, Ruanda und Uganda herauskristallisiert. Südafrika wurde aufgrund seiner wirtschaftlichen Sonderstellung nicht berücksichtigt.
Doch der Weg ist weit: Österreichische Unternehmen haben 2018 Waren im Gesamtwert von 1,8 Mrd. Euro nach Afrika exportiert, das ist weniger als nach Belgien. Und auch bei denjenigen, die bereits in Subsahara-Afrika tätig sind, gibt es laut Studie Defizite in der konkreten Ausrichtung ihres Afrikageschäfts. 23 Experteninterviews mit österreichischen Unternehmensvertretern haben gezeigt, dass es den Unternehmen an Präsenz vor Ort fehlt sowie an der Bereitschaft, sich auf die dortigen Märkte einzulassen und diese effektiv zu bearbeiten. Von Carlowitz konstatiert schlichtweg einen Mangel an „Afrikakompetenz“. Vor allem der Wille, Produkte an die lokalen Gegebenheiten anzupassen, sei nicht zu erkennen, vielmehr würden lediglich Standardprodukte nach Afrika exportiert, die aber häufig nicht mit den geschäftlichen Rahmenbedingungen und den Kundenbedürfnissen in Afrika zusammenpassten.
„Die klare Botschaft der Studie: ‚Ihr habt Marktanteile verloren‘, ist keine schöne, aber eine wichtige Nachricht. Die Bereitschaft, daran etwas zu ändern, muss nun aus dem Management der Unternehmen kommen“, sagt Nella Hengstler. Sie hofft, dass einige österreichische Unternehmen den Empfehlungen der Studie folgen werden. „Nur Unternehmen, die ihr Geschäftsmodell neu entwickeln, sodass es einen Wettbewerbsvorteil bietet, werden diese Zukunftsmärkte erfolgreich bearbeiten können“, heißt es in der Studie. Dass die Märkte Afrikas noch nicht oder kaum entwickelt seien, sei dabei zugleich Problem und Chance, an dieser Entwicklung teilzuhaben. Konkret empfiehlt von Carlowitz den Unternehmen, lokale Präsenzen in Afrika auf- und auszubauen, neue Technologien verstärkt einzubinden und vor allem die Produkte für die dortigen Bedürfnisse und Möglichkeiten zu adaptieren. „Firmen müssen bereit sein, schwierige und vielleicht auch schmerzhafte Anpassungen zu machen“, sagt Hengstler.
Der nötige Ernst
Nach dieser eher ernüchternden Analyse machten sich die Teilnehmer des Afrikatages am Nachmittag mithilfe konkreter Beratungen durch die in Afrika tätigen Wirtschaftsdelegierten der Außenwirtschaft Austria daran, Geschäftschancen auszuloten. Der größte Erfolg des Tages waren sicher die zahlreichen B2B-Gespräche. Verschiedenste österreichische Firmen wandten sich dabei etwa an Joseph Siaw Agyepong, CEO der ghanaischen Jospong Gruppe. Seitdem der fast 90.000 Mitarbeiter beschäftigende Mischkonzern im vergangenen Jahr ein Großprojekt mit dem steirischen Maschinenbauunternehmen Komptech realisierte, bekennt sich Agyepong dezidiert als Österreich-Fan.
Nella Hengstler hofft, künftig durch verstärkte internationale Kooperationen mit Unternehmen etwa aus Deutschland, China, der Türkei und Portugal das österreichische Afrikageschäft ankurbeln zu können – und letztlich das große Interesse auch in konkrete Projekte umzulegen. Dabei geht es um Commitment und Ernsthaftigkeit, welche beim Afrikatag vorgelebt wurden: „Wir haben den Exotismus herausgenommen und das Relevante präsentiert: Afrika als ernstzunehmende Business-Destination“, so Hengstler. Für den nächsten Afrikatag gibt es übrigens bereits einen Termin: Am 5. November 2020 könnten schon die ersten Erfolge auf dem Weg zu den hochgesteckten Zielen präsentiert werden.