Interview

Das Problem ist ernst, aber lösbar

Ausgabe 92 – Herbst 2021

Die Kunststoffbranche kann und muss Teil der Lösung sein, wenn es um die Bekämpfung der globalen Plastikverschmutzung geht, sagt Jacob Duer, Chef der Alliance to End Plastic Waste mit Sitz in Singapur.

Jacob Duer, AEPW
Jacob Duer, AEPW
corporAID: Mit dem Plastikmüllproblem beschäftigen sich etliche Organisationen. Was hebt die Alliance to End Plastic Waste von anderen Initiativen ab?

Jacob Duer: Die Alliance wurde 2019 als internationale Nonprofitorganisation mit dem Ziel gegründet, die Plastikvermüllung der Umwelt zu unterbinden. Mit dem steigenden Bewusstsein für das Thema ist unsere Mission wichtiger denn je. Unsere Alliance hat dabei die einzigartige Möglichkeit, Führungskräfte aus der gesamten globalen Kunststoffwertschöpfungskette zusammenzubringen. 60 Branchenführer haben sich uns bereits angeschlossen. Sie alle teilen die Ansicht, dass Plastikvermüllung ein ernstes, aber lösbares Problem ist und dass sie Teil der Lösung sind. Und wir haben das Privileg, auch mit Partnern wie UN Habitat und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Lösungen zu entwickeln.

Ist das schlechte Image von Plastik gerechtfertigt?

Duer: Das eigentliche Problem liegt in der wachsenden Herausforderung durch falsch entsorgten Plastikmüll. Weltweit werden nur 15 Prozent der Kunststoffabfälle recycelt, drei Milliarden Menschen haben gar keinen Zugang zu Abfallentsorgungssystemen. Um eine nachhaltige Zukunft zu sichern, ist die Verbesserung der Recyclingmöglichkeiten der wichtigste Hebel. Wir müssen eine Kreislaufwirtschaft für Kunststoffabfälle vorantreiben, zusammen mit der Reduzierung des übermäßigen Verbrauchs sowie der Wiederverwendung von Kunststoffen.

Wo setzt die Alliance die Schwerpunkte?

Duer: Als „Do-Tank“ liegt unser Fokus auf der Entwicklung, dem Einsatz und der Skalierung von Lösungen von vier strategischen Säulen: Infrastruktur, Innovation, Bildung & Engagement sowie Säuberung. In vielen Entwicklungsländern hinkt die Entwicklung der Abfall- und Recyclinginfrastruktur dem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum nach – daher investieren wir vor allem in diesen Bereich. 

Welche Rolle spielen Kooperationen?

Duer: Um Lösungen für Kunststoffabfälle zu unterstützen, müssen alle zusammenarbeiten, und wir brauchen gezielte Investitionen aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor. Nur dann können wir diese komplexe Herausforderung angehen. Ein Beispiel dafür ist Project STOP in Bali, wo wir mit Partnern und der lokalen Regierung zusammenarbeiten, um ein integriertes Abfallmanagementsystem aufzubauen. Unternehmen können diese Arbeit vor Ort unterstützen, sie spielen aber auch eine wichtige Rolle in unseren zehn regionalen Arbeitsgruppen, zu denen Südostasien, Japan, Afrika, Europa und Nordamerika gehören. In diesen Arbeitsgruppen identifizieren und wählen sie Projektideen, die für den regionalen Kontext relevant sind.

Kritiker stellen die Effektivität der Arbeit Ihrer Alliance in Frage. Was ist Ihre Antwort darauf?

Duer: Es ist ganz natürlich, dass Menschen einer neuen Organisation gegenüber skeptisch sind. Vor allem, weil wir auf unbekanntem Terrain arbeiten, neue Lösungen suchen und Dinge anders machen wollen. Wir müssen uns auf unsere Mission konzentrieren. Das erfordert Mut, eine dicke Haut und Zeit. Es gibt ja kein Patentrezept. Aber wir erzielen bereits Fortschritte. Trotz Coronakrise und dank der harten Arbeit unserer Partner haben wir inzwischen ein Portfolio von 30 Projekten, hauptsächlich in Asien und Afrika, aufgebaut. In Ghana haben wir beispielsweise bei einem Projekt dazu beigetragen, die Verarbeitungsmenge von 35 Tonnen Plastikmüll im Jahr 2018 auf über 500 Tonnen pro Jahr bis Ende 2020 zu steigern und dabei Jobs für 100 Frauen geschaffen. Das Projekt wird nun auf 2.000 Tonnen pro Jahr erweitert, mit zusätzlicher Finanzierung durch die Europäische Kommission. Außerdem haben wir eine Innovationsplattform aufgebaut, die Start-ups in Bereichen wie Kunststoffabfallmanagement und Verarbeitungstechnologien unterstützt. Das Programm läuft an sechs Standorten weltweit, daraus sind bereits 75 kommerzielle Pilotprojekte angelaufen.

Vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Infos: Alliance to End Plastic Waste

 

Foto: AEPW