Autorin: Eva Plank

Wasserknappheit stellt weltweit ein immer größeres Problem dar, aber in keiner anderen Region ist sie so drängend wie im Mittleren Osten und Nordafrika. Über 80 Prozent der MENA-Region sind bereits von Wasserknappheit betroffen. Ein aktueller Weltbankbericht zeigt, dass bis 2030 die durchschnittlich verfügbare jährliche Wassermenge – beim aktuellen Stand des technischen Ausbaus – in der gesamten MENA-Region unter 500 Kubikmeter und somit massiv unter den Schwellenwert für absolute Wasserknappheit fallen könnte. Da Oberflächen- und Grundwasserressourcen kaum bis gar nicht vorhanden sind, setzen viele Länder, vor allem die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC), auf Meerwasserentsalzung. Saudi-Arabien ist führend, was die installierte Kapazität an Meerwasserentsalzung betrifft. Dort werden bereits über 70 Prozent des frischen Wassers durch Entsalzungsanlagen gewonnen. Laut dem MENA-Desalination Market Report von Ventures Onsite wird Saudi-Arabien bereits 2025 eine Entsalzungskapazität von 8,5 Millionen Kubikmeter pro Tag erreichen.

In den nächsten fünf Jahren wird Saudi-Arabien weiterhin den Entsalzungsmarkt bestimmen. Aber etwa auch Ägypten verfolgt ein ambitioniertes Ausbauprogramm: Für die Jahre 2024 bis 2028 hat Ägypten bereits Verträge für Entsalzungsanlagen abgeschlossen, die über 3,8 Millionen Kubikmeter Wasser pro Tag bereitstellen werden. Weltweit gibt es mittlerweile bereits rund 17.000 Meerwasserentsalzungsanlagen, fast die Hälfte des Volumens an entsalztem Meerwasser fällt auf die MENA-Region. Lediglich in Süd- und Südostasien sowie Subsahara-Afrika wird die Technologie noch nicht in größerem Maßstab eingesetzt. 

Umkehrosmose ist die gängigste Entsalzungstechnik.

Umkehrosmose

Klar ist: An Meerwasser mangelt es auf unserem Planeten nicht – 97 Prozent der Wasservorräte sind salzig. So scheint die Meerwasserentsalzung auf den ersten Blick eine langfristige Lösung im Kampf gegen Wasserknappheit darzustellen. Aber was steckt hinter dem Entsalzungsverfahren? 

Entsalzung ist der Prozess, bei dem Salz und andere Mineralien aus Meerwasser entfernt werden, um es als Trinkwasser, für industrielle Zwecke und für Bewässerung nutzbar zu machen. Die Entsalzung geschieht entweder durch ein Destillations- oder ein sogenanntes Umkehrosmoseverfahren. Vor allem in den vergangenen zehn Jahren hat sich die Umkehrosmose als gängigere Entsalzungstechnik durchgesetzt, da sie im Vergleich zur Destillation weniger Energie benötigt. Bei diesem Prozess wird zunächst Meerwasser aus Brackwasser oder anderen Küstengewässern entnommen und vorverarbeitet. Spezielle Filter entfernen die Schwebstoffe und andere Partikel, die den Entsalzungsprozess stören würden. Anschließend werden durch semipermeable Umkehrosmose-Membranen Mineralien, einschließlich Salze und Schwermetalle, gelöst, und andere Verunreinigungen aus dem Wasser gezogen. Der letzte Schritt ist die Verteilung und Einspeisung des frischen Wassers in die Leitungen, sodass es für private Haushalte, die Landwirtschaft und Industrie zugänglich gemacht wird.

Führend im Bau solcher Anlagen sind zum Beispiel die spanischen Unternehmen Acciona und Abengoa. Auch französische Firmen wie Veolia Environment und Suez sind große Player. Weitere wichtige Unternehmen haben ihren Sitz in Südkorea (Doosan Heavy), Japan (Hitachi Zosen) oder Saudi Arabien (SWCC). Aber auch Österreich mischt am Weltmarkt mit: Allen voran das Linzer Unternehmen UNIHA, das in jüngster Zeit diverse Entsalzungsprojekte umgesetzt hat. 

Wasser für die Energiewende 

Haupttreiber für die Nachfrage nach Meerwasserentsalzung ist das enorme Bevölkerungswachstum in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern und damit einhergehend die steigenden Anforderungen an die Bewässerung in der Landwirtschaft und die Wasserversorgung für Haushalte. Die industrielle Nachfrage an entsalztem Meerwasser macht weltweit etwa 20 Prozent aus, wie ein aktueller Weltbankbericht zeigt. Besonders hoch ist die Nachfrage dort, wo sie mit der Ölförderung zusammenhängt, sowie in Ländern mit starker Bergbauindustrie wie Australien oder auch Chile. 

Chile benötigt besonders viel Wasser für seine Kupferminen. Die Umweltbehörde hat die Entnahme von Wasser aus dem Grundwasser mittlerweile verboten. Das bedeutet, dass Wasser für die Bergbauindustrie zwangsweise über Meerwasserentsalzung bereitgestellt werden muss. „Dadurch sind natürlich sowohl die Privatwirtschaft als auch der Staat daran interessiert, den Ausbau der Entsalzungskapazitäten schnell voranzutreiben“, sagt Werner Redtenbacher, der bei ILF Consulting Engineers für den Bereich Wasser und Umwelt zuständig ist und aktuell unter anderem in einem Entsalzungsprojekt in Chile involviert ist. Das in Innsbruck gegründete und international tätige Ingenieur- und Beratungsunternehmen war in den vergangenen 20 Jahren weltweit – vor allem in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Algerien – in über 70 Meerwasserentsalzungsprojekten in verschiedenen Projektstufen von der Planung bis zur Umsetzung eingebunden. 

Zudem wird Meerwasserentsalzung in Bezug auf die hoch gesteckten Erwartungen im Bereich des grünen Wasserstoffs immer relevanter. Grüner Wasserstoff wird durch die Elektrolyse von Wasser hergestellt – das heißt, Wasser wird mithilfe erneuerbaren Stroms in Sauerstoff und reinen Wasserstoff gespalten. Um ein Kilogramm grünen Wasserstoff herzustellen, braucht es rund neun Liter an ultrareinem Wasser. Der Grund, weshalb grüner Wasserstoff trotz des hohen Wasserbedarfs vorwiegend in ariden Regionen produziert werden soll, liegt darin, dass diese die besten Voraussetzungen für kostengünstige Solarenergie haben. 

Werner Redtenbacher, ILF Consulting Engineers
Werner Redtenbacher, ILF Consulting Engineers

Der Oman etwa gilt als ein guter Standort für die zukünftige Produktion von grünem Wasserstoff, da er laut der International Energy Agency auch die besten Bedingungen für den zukünftigen Export bietet. Um in einem so trockenen Land die benötigten Wassermengen bereitzustellen, bleibt nur das Meerwasser. „Man bewegt sich aber in einem Nutzungskonflikt“, erklärt Redtenbacher. „Das Wasser, das diese Länder eigentlich für die Trinkwasserversorgung ihrer Menschen, die Landwirtschaft und die eigene Industrie benötigen, wird gleichzeitig von der Wasserstoffindustrie benötigt, die Europa bei seiner grünen Energiewende unterstützen soll.“

Teure Technik

Darüber hinaus gehen Entsalzungsanlagen mit hohen Kosten einher. Der Bau des weltweiten Spitzenprojektes, der Ras-Al-Khair-Entsalzungsanlage in Saudi-Arabien, kostete 7,2 Milliarden US-Dollar. Diese Anlage ist ein Hybridprojekt, bei dem sowohl Destillationsverfahren als auch die Umkehrosmose-Technologie zum Einsatz kommen. Sie produziert pro Tag drei Millionen Kubikmeter an Wasser, so viel wie keine andere Anlage. Eine der größten reinen Umkehrosmose-Anlagen, Sorek, steht in Israel und stellt über 600.000 Kubikmeter frisches Wasser pro Tag bereit. Ihre Baukosten betrugen rund 489 Millionen Dollar. 

driss azdem Universität Rabat
Driss Azdem, Universität Rabat

Auch im Betrieb sind die Entsalzungsanlagen nicht günstig: In einer Studie von 2016 wurden die Betriebskosten pro verarbeitetem Kubikmeter Wasser von Meerwasserentsalzungsanlagen und Kläranlagen im Oman verglichen. Das Ergebnis: Die Kosten für die Entsalzung liegen durchschnittlich bei 1,20 Dollar pro Kubikmeter, bei der Abwasserbehandlung von geklärtem Wasser sind es 0,41 Dollar. Zwar sinken mit der Verbesserung der Umkehrosmose-Technologie die Kosten weltweit, mehr als 90 Prozent der Entsalzung findet aber noch immer in Ländern mit mittlerem und hohem Einkommen statt. Für Länder mit niedrigem Einkommen ist Meerwasserentsalzung in großem Stil noch nicht bezahlbar. Dabei werden bis zum Jahr 2050 laut einem UN-Bericht vor allem ärmere Staaten, besonders in Subsahara-Afrika, von hohem Wasserstress betroffen und dadurch auf Entsalzungstechnologien angewiesen sein.

Dafür wird es jedoch finanzielle Unterstützung brauchen. Das zeigt auch das Beispiel Marokkos, das mit seiner knapp 2500 Kilometer langen Küste verstärkt auf Meerwasserentsalzung setzen will. In Marokko gibt es aktuell elf Entsalzungsanlagen. Aufgrund der immer häufigeren Dürren der vergangenen Jahre werden bis 2030 sieben weitere in Betrieb genommen. Die hohen Kosten der Anlagen spiegeln sich allerdings im Wasserpreis wider, so Driss Azdem, Forscher am Laboratorium für Spektroskopie, Wasser und Umwelt an der Mohamed V Universität im marokkanischen Rabat. In Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und weiteren GCC-Staaten sieht das anders aus. Wasser wird dort subventioniert, wodurch der Wasserpreis für Industrie und Privathaushalte nicht steigt. 

Auch der hohe Energieaufwand ist gerade für finanzschwächere Staaten eine große Herausforderung bei der Meerwasserentsalzung. Selbst die in Saudi-Arabien stehende Entsalzungsanlage mit dem weltweit geringsten Energieaufwand hat einen Verbrauch von 2,27 Kilowattstunden pro Kubikmeter aufbereitetem Wasser. Im Vergleich dazu benötigt eine große Kläranlage derzeit durchschnittlich 0,13 bis 0,79 Kilowattstunden pro Kubikmeter. Um Entsalzung nachhaltig zu machen, müssen die Anlagen mit erneuerbaren Energiequellen verbunden werden, so Azdem. Er hat für eine kürzlich publizierte Studie die Auswirkungen von Entsalzungsanlagen in Marokko untersucht.

Eine solche, vollständig mit erneuerbarer Energie betriebene Anlage soll zum Beispiel künftig das Siedlungsprojekt Neom mit Wasser versorgen, das auf einer annähernd so großen Fläche wie Belgien im Nordwesten Saudi-Arabiens entsteht. Diese Entsalzungsanlage soll täglich 500.000 Kubikmeter Wasser produzieren und somit 30 Prozent des erwarteten Wasserbedarfs der Smart-City abdecken können.

Dubais Herausforderung: Die rasante Entwicklung des Emirats (im Bild: 1970 vs. 2020) geht auch mit einem deutlich steigenden Wasserbedarf einher.
Dubais Lösung: Entsalzungsanlage Dschabal Ali

Was tun mit der Salzlake?

Der wohl häufigste Kritikpunkt an der Meerwasserentsalzung ist die Salzlake, die bei der Entsalzung als Überrest bestehen bleibt. Diese Sole mit hohem Salzgehalt und hoch konzentrierten anderen Partikeln, wie Schwermetallen, wird in Marokko einfach ins Meer zurückgespült. Das könnte in den kommenden Jahren zu einem Artensterben der Meereslebewesen in den Küstenregionen nahe der Entsalzungsanlagen führen, wie die Studie von Azdem und seinem Team zeigt. Etwa vor Gran Canaria, der Küste Kaliforniens sowie im Golf von Akaba haben Forschungen die negativen Auswirkungen auf Korallen, Algen oder Seesterne bereits nachgewiesen. Allein deshalb schreibt der marokkanische Forscher die Meerwasserentsalzung aber nicht ab, vielmehr hält er die anhaltende Kritik in vielen Bereichen für überholt. Er blickt in Richtung Golfstaaten: „Dort wird das Abwasser nicht einfach ins Meer rückgeführt, sondern es gibt strenge Richtlinien, wie mit der Salzlake verfahren wird.“

Die benötigten staatlichen Maßnahmen gibt es in Marokko bislang nicht, da die Kosten von Salzlaken-Management hoch sind. Eine relativ kostengünstige Variante wäre die Verdünnung der Sole und Einleitung ins Meer durch Diffusoren. Die Injektion der Sole in tiefere Bodenschichten verursacht weitaus höhere Kosten. Die mit Abstand teuerste und energieaufwändigste Variante ist die Trennung der Sole und die Gewinnung von Salz als Feststoff. In den Golf-Staaten, Nordamerika, Europa und Australien sind die verschiedenen Ansätze des Salzlaken-Managements bereits fixer Bestandteil von Entsalzungsprojekten. In Indien, China, Chile oder Nordafrika ist das noch nicht überall der Fall.

 

Daten und Fakten

MENA braucht Wasser

Im Zeitraum 2018-28 werden weltweit Meerwasserentsalzungsanlagen mit Dutzenden Millionen Kubikmetern Tageskapazität geplant und realisiert – vor allem im Nahen und Mittleren Osten.

Wertvoller Beitrag

Allein auf Meerwasserentsalzung zu setzen, reicht nicht aus, um dem steigenden Wasserbedarf in Küstenregionen entgegenzuwirken. Dafür müssten laut Weltbankbericht allein in der MENA-Region bis 2050 65 neue Anlagen gebaut werden, von denen jede einzelne so viel Wasser entsalzt wie die aktuell größte Anlage der Welt, Ras-Al-Khair in Saudi-Arabien.

Vielmehr wird es einen Dreiklang aus einer Senkung des Verbrauchs, verstärkten Kreislaufwirtschaftsbemühungen und technologischen Lösungen wie Entsalzung brauchen. Azdem betont in seiner Studie, dass der Wasserbedarf durch die Förderung einer effizienten Wassernutzung in Landwirtschaft, Industrie und städtischen Gebieten erheblich gesenkt und der Druck auf die vorhandenen Wasserressourcen gemindert werden kann. Außerdem könnte eine nachhaltige Bewirtschaftung von Grundwasserressourcen durch Monitoring und Regulierung dazu beitragen, ihre langfristige Verfügbarkeit und Qualität zu gewährleisten. Auch das Auffangen und Speichern von Regenwasser von Dächern und anderen Oberflächen stellt eine wichtige lokale Süßwasserquelle für Zwecke wie die Bewässerung und Grundwasseranreicherung dar. Die Aufbereitung und Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser durch Kläranlagen für die Bewässerung, für industrielle Prozesse und – nach fortgeschrittener Aufbereitung – auch für Trinkwasserzwecke kann die Süßwasservorräte ergänzen.

Dass es ohne Meerwasserentsalzung aber nicht gehen wird, davon sind sowohl Azdem als auch Werner Redtenbacher überzeugt. Dabei sollten es sich sowohl die Privatwirtschaft als auch Regierungen zur Aufgabe und zum Ziel machen, dass Entsalzung 100 Prozent nachhaltig wird, so Redtenbacher. In seiner Zusammenarbeit mit Unternehmen und Investoren aus der ganzen Welt, bekomme er den Eindruck, dass die Bereitschaft und der Wille dafür vorhanden sind. Auch von staatlicher Seite, vor allem von den Vorreiterstaaten Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, kommt Druck. Sie wollen bis 2060 beziehungsweise 2050 netto null CO2-Emissionen erreichen. Um diesen Zielen näher zu kommen, muss auch die Meerwasserentsalzung grüner werden.

Fotos: ILF Consulting Engineers (3), Gobinath Narayanasamy, Azdem, Paris