Wie lassen sich Städte fit für die Zukunft machen?
Kongjian Yu: Städte sind heute mit vielen, miteinander verbundenen Herausforderungen konfrontiert: mit Überflutungen und Trockenheit, dem Verlust natürlicher Räume, der Umweltverschmutzung. Konventionelle Stadtplanung setzt auf graue Infrastruktur, also auf Stahl, Beton und auch Chemie, die es für Dämme, Deiche, Rohrleitungen oder Abwasseraufbereitung braucht. Diese Systeme sind notwendig, aber sie können nicht alle Probleme lösen. Aufgrund des Monsunklimas sind beispielsweise fast zwei Drittel der chinesischen Städte von Überschwemmungen betroffen. In China werden alle Flüsse aufgestaut und mit Flutmauern aus Beton kanalisiert. Jedes Jahr werden mehr als 20 Mrd. Dollar in die Bekämpfung von Überschwemmungen investiert, trotzdem gehen 100 Mrd. Dollar durch Sachschäden verloren. Wir sollten Überschwemmungen als natürliches Phänomen akzeptieren und begreifen – und graue Infrastrukturen in grüne umwandeln, um die Schäden zu mildern. Hier eignen sich natürliche Systeme, die wie ein Schwamm Wasser aufnehmen und wieder abgeben können.
Sie haben mit Turenscape mehr als 600 Projekte in 200 Städten umgesetzt. Wie sieht grüne Infrastruktur mit Schwammprinzipien konkret aus?
Yu: Ein Beispiel ist die Stadt Sanya auf der Insel Hainan. In der Region können tropische Stürme leicht überhand nehmen und konventionelle Entwässerungssysteme überfordern. Unser Projekt Dong‘an Wetland Park macht die Stadt widerstandsfähiger gegenüber dem Klimawandel. Dazu haben wir ein 68 Hektar großes, stark verschmutztes und vermülltes Gelände im Stadtzentrum in einen Park umgewandelt. In Anlehnung an alte Teich- und Deichsysteme und Insellösungen im Perlflussdelta haben wir am Rande des Parks eine Kette von Teichen und Deichen angelegt, die das Abwasser aus der Umgebung auffangen und filtern. Im zentralen Teil wurden Inseln geschaffen, die wir mit Banyan-Bäumen bepflanzt haben, um ein bewaldetes Feuchtgebiet zu schaffen. Der Park kann nun 830.000 Kubikmeter Regenwasser aufnehmen, wodurch sich die Überschwemmungsgefahr drastisch verringert.
Lässt sich mit grüner Infrastruktur jede Stadt gegen Hochwasser wappnen, oder sind manche Städte nicht zu retten?
Yu: Wir haben es mit drei Arten von Hochwasser zu tun, die wir unterschiedlich betrachten müssen: Erstens gibt es rein städtische Überschwemmungen. Dieses Problem ist mit Schwammstadtstrategien leicht zu lösen, wenn Parkanlagen, Dachgärten oder Gemeinschaftsgärten das Regenwasser lokal aufnehmen.
Zweitens haben wir regionale Überschwemmungen: Städte können damit umgehen, wenn das Wasser in ihrem Einzugsgebiet klug und systematisch gemanagt wird. Das bedeutet, auch im Umland Schwammprinzipien umzusetzen und Flüsse durch niedrige Wehre zu verlangsamen – aber keine hohen Dämme zu errichten. Bäume und Sträucher, die an den Wasserwegen wachsen, können die Fließgeschwindigkeit weiter verringern. Es braucht zudem mehr Feuchtgebiete entlang der Flüsse sowie die Möglichkeit, Wasser in die offene Landschaft abzuleiten. Man sollte dem Wasser auch in der Höhe mehr Raum geben, etwa, indem landwirtschaftliche Betriebe auf die Terrassierung von Hängen setzen, wodurch Wasser in den Bergen zurückgehalten wird. Teiche und Feuchtgebiete neben den Feldern erhöhen ebenfalls die Wasserresilienz.
Drittens gibt es Überschwemmungen durch den Anstieg des Meeresspiegels. Einige Küstenstädte werden wir wohl aufgeben müssen, allerdings erst bei einem dramatischen Anstieg des Meeresspiegels um mehrere Meter. Das wird sich schrittweise, über Jahrhunderte hinweg, vollziehen. Schwammstädte können diesen katastrophalen Prozess möglicherweise für eine Weile verlangsamen. Pufferzonen entlang der Küsten wie beispielsweise Mangrovenwälder könnten den Küstenstädten helfen. Neue Städte sollten aber besser in höheren Lagen gebaut werden.