Das steirische Wasseraufbereitungs-Start-up Fluvicon hat Großes vor: „Wir wollen eine neue Ära der Wasserverfügbarkeit einleiten“, sagt Gründer Thomas Grießler, fügt dann aber schnell hinzu: „Das klingt vielleicht übertrieben, aber ich meine damit auch gar nicht mein Unternehmen, sondern unsere Technologie der Vorwärtsosmose. Sie stellt einen Paradigmenwechsel in der Wasseraufbereitung dar.“ Dabei gibt es für ihn aktuell eigentlich keinen Grund zu übermäßiger Bescheidenheit, denn bei Fluvicon ist einiges im Fluss. Neuester Erfolg: die Prämierung als bestes Projekt bei der von der Außenwirtschaft Austria initiierten „Agri-Water Innovation Challenge“ in Kapstadt.

Die Ausgangslage: Nach zwei aufeinander folgenden Jahren mit sehr geringen Niederschlägen kämpfte Kapstadt Anfang dieses Jahres mit der schlimmsten Dürreperiode seit hundert Jahren. Die Gefahr einer „Stunde Null“ – der Abstellung der kommunalen Wasserversorgung – war greifbar, zeitweise wurde der Wasserverbrauch im Stadtgebiet bereits auf 50 Liter täglich pro Person begrenzt. Knapp 40.000 Menschen verloren ihre Jobs in der Landwirtschaft, dem größten Wasserverbraucher vor Ort.

Ausschreibung 

Vorwärtsosmose heißt die zugrundeliegende Technologie dieser Pilotanlage des erfolgreichen steirischen Start-ups Fluvicon.

Der österreichische Wirtschaftsdelegierte für das südliche Afrika, Johannes Brunner, stellte sich die Frage, wie Österreich helfen kann und wo unter Umständen Ideen schlummern, die nur auf eine Markterschließung warten. „Der Erfolg bei grünen Technologien hat österreichischen Unternehmen weltweit zu einem exzellenten Ruf verholfen“, sagt Brunner. Mit der „Agri-Water Innovation Challenge“ wollte er nun heimische innovative Lösungen für eine Verringerung des Wasserverbrauchs in der Landwirtschaft am Kap aufspüren.

Am Afrika-Tag der WKO Ende Jänner startete der Wettbewerb, bis Mitte März reichten rund 70 Unternehmen ihre Vorschläge ein, die besten zwölf österreichischen Bewerber wurden gemeinsam mit ausgewählten südafrikanischen Unternehmen im Mai für drei Tage nach Kapstadt eingeladen. Nach intensiven Treffen mit potenziellen Investoren und Geschäftspartnern und einem vom Außenwirtschaftscenter Johannesburg organisierten Workshop zur Geschäftsentwicklung folgte am letzten Tag die Bekanntgabe der Gewinner des von Andritz gesponserten Preises: Fluvicon trug den Sieg davon, der zweite Preis ging an ein südafrikanisches Unternehmen. Kusini Water stellt aus Schalen der Macadamianuss Aktivkohlefilter für Entsalzungsanlagen her. Weitere österreichische Preisträger waren JR AquaConSol und PM Pumpmakers.

Neue Technologie

„Für uns war die Agri-Water Challenge ein ganz großer Wurf. Wir haben in Kapstadt eine Reihe von sehr konkreten Angeboten bekommen, und ich kann mit Sicherheit sagen, dass wir dort ein Geschäft aufbauen werden“, freut sich Fluvicon-Chef Grießler, der Anfang des Jahres noch unsicher war, ob er überhaupt für die Ausschreibung einreichen sollte, schließlich steckt Fluvicon immer noch in den Kinderschuhen. Ein Glücksfall, dass er es dennoch tat, denn nun ist Fluvicon mit der Markterschließung in Südafrika „gleich weit wie in Europa, vielleicht sogar noch weiter“.

Mit seiner Technologie zur Wasseraufbereitung schwimmt Grießler dabei gegen den Strom. Bisher wurde Schmutz- oder Meerwasser durch den Prozess der Umkehrosmose gereinigt, einem Filtrationsverfahren, bei dem Wasser durch eine Membran gepresst wird, die Bakterien, Viren oder Fäkalien aufhält – und somit quasi wie ein Nudelsieb funktioniert. Das kostet viel Energie und führt zum schnellen Verschleiß der Membranen. Grießler geht anders vor, er hat ein druckloses Verfahren entwickelt: „Wir imitieren, was eine lebende Zelle macht. Das Wasser wandert aufgrund eines chemischen Potenzialunterschieds freiwillig von der Schmutzwasserseite auf die saubere Seite hinüber. Diese Vorwärtsosmose spart Energie und ist vor allem sehr viel robuster. Dadurch können wir Gewässer aufbereiten, die mit der herkömmlichen Technologie nicht mehr zu reinigen sind, Bergbauabwässer in Afrika etwa.“ Und wenn die wackligen ersten Gehversuche des Start-ups gemeistert sind, soll auch die Trinkwassergewinnung aus Meerwasser, die Grießler als sein „Herzblutthema“ bezeichnet, bei Fluvicon verstärkt in den Fokus rücken.

Kurzschlüsse

Neue Geschäftkontakte sind für Fluvicon-Gründer Thomas Grießler (2. v. l.) der Hauptpreis der Challenge – und damit noch wichtiger als das Preisgeld. Johannes Brunner (ganz rechts) freut es

Dass der von Grießler entwickelte Prozess nur die Hälfte der Energie der herkömmlichen Verfahren verbraucht, hat in Südafrika bleibenden Eindruck hinterlassen. Fluvicons Afrikageschäft wird nun mit kleineren Anlagen beginnen, die in ländlichen, infrastrukturell unterentwickelten Gegenden Trinkwasser zur Verfügung stellen – drei größere Projekte am Westkap sollen danach folgen. Das freut auch den Wirtschaftsdelegierten Johannes Brunner: „Jede Maßnahme zur effizienteren Nutzung von Wasser ist ein sinnvoller Beitrag. In Summe können viele solcher Aktionen langfristige Veränderungen bringen“, sagt er. Vor allem auch neuartige Instrumente wie diese Challenge scheinen sich dabei in vielen Geschäftsfeldern als Treiber für Innovationen und Markterschließungen zu erweisen.

Bis Kapstadt vor zukünftigen Krisen wirklich gefeit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Während Fluvicon mit südafrikanischen Unternehmen und Kommunen erste Partnerschaften aushandelt, habe die Regierung sieben bereits in Auftrag gegebene Großprojekte für Meerwasserentsalzungsanlagen wieder zurückgezogen, berichtet Grießler, denn mittlerweile hat es dann doch wieder geregnet. „Das ist so kurzfristig gedacht, dass es an Ignoranz grenzt“, sagt er. Um so mehr liegt ihm daran, einen nachhaltigen Beitrag zu leisten: „Wir wollen unsere Anlagen in Afrika nicht einfach nur installieren, sondern darüber hinaus Betriebspartner bleiben. Ein Teil unseres Gewinns soll davon abhängig sein, dass die Anlage auch wirklich längerfristig funktioniert.“

Es brauchte unter anderem drei kleinere Laborbrände, bis Grießler die passende Technologie gefunden hatte und aus Fluvicon ein „Curator Aquarum“ wurde, wie sich das Start-up auch nennt. Als Curator Aquarum bezeichnete man im antiken Rom den obersten Wasserbeamten. Die Lösungen für die Wasserkrise in Kapstadt dürften heute jedoch eher in der Privatwirtschaft liegen.

Fotos: Michael Williams/Flickr, Fluvicon, Außenwirtschaft Austria